Geschockt blieb ich kurz stehen und sah nochmal genau hin, es war wirklich Martins schwangere Lebensgefährtin. Ich rannte ihnen entgegen und zog Martin beiseite, da er die Arbeit der anderen Rettungskräfte in gewisser Weise behinderte.
"Was ist passiert?", fragte ich, aber er schien mich einfach auszublenden und blickte dem Ärzteteam nach. "Martin, schau mich an!", forderte ich ihn auf. "Was ist passiert?", fragte ich nochmals. "Wir.. wir waren in der Stadt.. plötzlich kam da ein Auto angerast und.." Er führte seine Erzählung nicht zu Ende, aber ich verstand es trotzdem.
"Gemma, ich brauch dich hier!", rief Alexander und verschwand gleich darauf wieder im Schockraum am Ende des Ganges. "Ich muss auch zu ihr.. ich.." Mir war klar, dass er uns trotz das er Arzt war jetzt wenig helfen würde. "Du bleibst hier!", sagte ich bestimmt, obwohl mir das nicht gerade leicht fiel.
Dann folgte ich den anderen in den Schockraum, Alexander machte gerade einen Ultraschall. "Im Bauch ist alles voller Blut, kompletter Milzriss!", hörte ich ihn murmeln. "Ruf sofort im OP an!", lauteten dann seine Anweisungen und sofort holte ich mein Telefon aus meiner Kitteltasche. Schnell gab ich die Kurzwahlnummer ein und es dauerte nicht lange, bis abgenommen wurde. "Dr. Morrow, Chirurgie. Wir benötigen sofort einen freien OP!", schilderte ich die Lage und erhielt sogleich eine Antwort.
"OP zwei ist frei!", teilte ich Dr. Kahnweiler mit. "Die Plazenta ist halb gelöst, wahrscheinlich müssen wir das Kind auch noch holen!" Diese Tatsache erschreckte mich. "Sie ist erst am Anfang des achten Monats, Alexander!", protestierte ich. "Die Lungenreife ist noch nicht ganz abgeschlossen, geschweige denn.." Er warf mir einen warnenden Blick zu und ich verstummte, denn er trug die gesamte Verantwortung und wusste das alles längst.
Mithilfe der Pfleger brachten wir Andrea in den OP, Martin debattierte lautstark mit Alexander. "Ich will dabei sein!", stellte er klar, während Andrea in den Saal geschoben wurde. "Martin, das geht jetzt nicht!" Alexander war derselben Meinung wie ich und ging ohne ein weiteres Wort davon. "Pass auf sie auf!", bat er mich verzweifelt und ich nickte, dann ging ich mich umziehen. Anschließend machte ich mich steril und das noch schneller als sonst.
Alexander und der Rest des üblichen Teams hatten sich inzwischen im OP eingefunden und bereits begonnen. "Ich brauche fünf Minuten!", sagte gerade einer der Ärzte, von dem ich wusste das er Gynäkologe war. "Wenn die Blutungen gestillt sind, können sie es gerne versuchen!", entgegnete Alexander und hatte bereits einen Schnitt durchgeführt. Wahrscheinlich ging es darum, wann sie das Kind holten. Jedoch stand erstmal das Leben der Mutter im Fokus, danach erst würden wir uns um das Baby kümmern können.
"Ok, hier ist alles voller Blut. Ich brauche den Sauger und Bauchtücher, viele Bauchtücher!" Die Schwestern reichten Dr. Kahnweiler die Tücher, währenddessen saugte ich so viel Blut wie möglich aus dem Bauchraum. "Ist das die Milz?", fragte ich entsetzt, da das Organ in keinem guten Zustand mehr war. "Zumindest das, was davon übrig ist. Wir klemmen das hier ab!" Ich reichte dem Oberarzt eine Klemme.
Außer der Milz hatte auch ihre Leber ordentliche Schäden davon getragen, aber wir schafften es alle Blutungen zu stoppen. "Blutungen gestoppt, Leber geklebt. Herr Kollege, sie können!", wandte ich mich nun an den Gynäkologen, der schon ungeduldig gewartet hatte. Zunächst verschaffte er sich einen Überblick über die Lage.
"Das Kind lebt und.." Er hielt inne, um sich sicher zu sein. "Aber die Plazenta hat sich komplett gelöst, wir holen es auf der Stelle raus! Skalpell!" Ich würde auch ihm assistieren und reichte ihm das Instrument. "Ich verständige schon mal den Kinderarzt.", sagte eine der Schwestern, aber plötzlich tauchte die Nulllinie auf dem Überwachungsmonitor des Kindes auf. 'Nein!', dachte ich fassungslos.
"Ich bekomme es nicht anständig zu fassen, ihre Hände sind kleiner!" Ich verstand und ohne großartig zu überlegen, griff ich nach dem Baby, um es heraus zu holen. Es war noch so klein und ich legte es einer Schwester in die Hände, die bereit stand.
Wir versuchten den Jungen zu reanimieren, aber es war bereits zu spät und ich musste mit ansehen wie das Kind von Martin und Andrea mit einem grünen Tuch zugedeckt wurde. Dabei hatten wir so um das Leben des Kleinen gekämpft, vergeblich.