Kapitel 104

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Aber lange Ruhe hatte Martin nicht, denn nur knapp zwei Stunden später wachte Kira auf und begann zu schreien. Martin saß sofort senkrecht im Bett und musste sich erstmal orientieren wo er überhaupt war. Als er sich gesammelt hatte, sprang er aus dem Bett und schaltete das Licht an. Dann stand er gleich darauf vor dem Bett, in dem Kira unruhig zappelte und weinte.

Er nahm die Kleine auf den Arm und versuchte wie immer sie zu beruhigen. War ihm das einmal nicht gelungen hatte Gemma übernommen, nur war sie gerade nicht da und es dauerte einige Zeit bis Kira sich beruhigt hatte. Das Mädchen merkte wohl, dass etwas nicht so war wie es sein sollte.

Plötzlich wurde an die Tür geklopft und Lisbeth schaute ins Zimmer. Die Bäuerin wollte gleich hinaus zu den Tieren gehen und hatte das Weinen des Kindes vernommen. "Alles in Ordnung bei euch?", fragte sie besorgt. "Sie ist nur wach geworden. Vielleicht hat sie Hunger oder.. ich weiß es nicht. In den letzten Tagen war sie ja hauptsächlich bei dir und zu Hause hat sie nie so geplärrt."

Martin war nun doch etwas überfordert. Zwar hatte er sich die letzten Tage auch allein um das Mädchen gekümmert als Gemma in Innsbruck gewesen war, aber tagsüber hatte Lisbeth übernommen und abends war die Kleine nach ihrer letzten Mahlzeit eigentlich immer sofort eingeschlafen.

"Gib sie mir mal.", forderte Lisbeth ihren Sohn auf und nahm die Kleine an sich. "Klarer Fall von voller Windel.", sagte Lisbeth routiniert. "Da drüben steht die Tasche, da müssten noch welche drin sein. Falls du länger mit ihr bleiben möchtest, musst du heute unbedingt neue Sachen mitbringen. Geh du schon mal runter und mach Kaffee, ich kümmere mich hier drum."

Martin nickte und gab seiner Mutter erst die Tasche die Gemma vor ihrer Abreise gepackt hatte, sodass Lisbeth alles nötige auf dem Gruberhof parat hatte. Eigentlich wäre sie ja gestern zurück gekommen und es hätte normal weitergehen können. Aber dieser Unfall hatte alles durcheinander gebracht.

Martin ging dann hinunter in die Küche und setzte Kaffee auf. Auch deckte er schon mal den Tisch fürs Frühstück und wenig später kam Lisbeth mit Kira nach. Hans war bereits draußen bei den Tieren und Lisbeth begab sich ebenfalls hinaus, um ihm zu helfen.

Martin saß mit Kira alleine am Küchentisch und er überlegte wie wohl der heutige Tag ablaufen sollte. Ob er es auf die Reihe bekam in die Praxis zu fahren um Patienten zu behandeln oder ob es wirklich besser war Roman fürs erste das Kommando zu übertragen. Er dachte auch daran, was Gemma ihm wohl in diesem Moment raten würde. Sie würde sicher nicht wollen, dass er ununterbrochen wie ein Häufchen Elend an ihrem Bett saß und alles andere vernachlässigte. Gemma war nicht so. Martin kannte sie inzwischen so gut und konnte das abschätzen, sie würde wollen das er trotz allem seiner Arbeit als Arzt nach ging. Deshalb würde er später zur gewohnten Zeit in die Praxis fahren und den Tag irgendwie hinter sich bringen. Alexander hatte versprochen anzurufen falls etwas sein sollte und er wusste das sein Freund dieses Versprechen hielt.

Als Hans und Lisbeth mit den Viechern fertig waren, kamen sie wieder rein und gemeinsam begannen sie zu frühstücken. Martin bekam keinen Bissen hinunter, stattdessen hatte er für Kira ein Fläschchen gemacht das er ihr gab. "Kannst du heute auf die Kleine aufpassen, Mama?", fragte Martin. "Kann ich natürlich. Aber wo willst du hin?", wollte sie wissen. "Wo werde ich denn hin wollen? In die Praxis.", antwortete Martin. Davon war Lisbeth ganz und gar nicht begeistert. "In die Praxis?", wiederholte sie ungläubig. "In deinem Zustand? Martin, ich bitte dich! Du hast kaum geschlafen und bist nervlich nicht auf der Höhe. Roman kann übernehmen, so solltest du nicht praktizieren."

Lisbeth schenkte sich noch etwas Kaffee nach. "Ich weiß das dir das überhaupt nicht gefällt, Mama. Aber.. ich glaube es ist so am besten. Ansonsten würde ich vermutlich ununterbrochen in der Klinik sein und ich weiß das Gemma das nicht wollen würde.", erklärte Martin nachdenklich.

Lisbeth seufzte hörbar. "Ich werde dich wohl nicht davon abbringen können.", sagte sie dann überzeugt. "Nein.", erwiderte Martin entschlossen. Irgendwie hatte er das Gefühl sich ablenken zu müssen, um nicht verrückt zu werden. "Ich finde das ist gar keine so schlechte Idee.", pflichtete Hans seinem Bruder bei. "Ein bisschen Ablenkung wird ihm gut tun und ich glaube auch, dass Gemma ihn ordentlich zusammenfalten würde wenn sie aufwacht und erfährt das er die Praxis hat schleifen lassen."

Das sollte einen aufmunternden Effekt haben und es klappte. Lisbeth und Martin mussten kurz lachen. "Das würde sie wohl tun, ja.", stimmte Martin zu und dachte mit einem Schmunzeln an seine temperamentvolle Freundin. "Ich hoffe nur das sie sie auch wirklich heute wieder aufwecken können." Sofort war die Stimmung wieder betrübt. "Warten wir es ab.", antwortete Lisbeth mitfühlend. "Wenn du unbedingt in die Praxis möchtest geh. Wir passen schon auf die Kleine auf."

Martin gab Kira gleich an seine Mutter weiter, da er bald schon los musste und sich noch fertig machen wollte. Er verschwand im Bad, duschte schnell und war innerhalb von zwanzig Minuten abfahrbereit. "Ich fahr dann mal. Wenn was ist, ruft ihr mich bitte an.", bat Martin seinen Bruder und seine Mutter. "Machen wir. Du aber genauso." Martin nickte und verabschiedete sich.

Gerade als er zur Küche hinaus gegangen war kam Lilli die Treppe hinunter die heute später Schule hatte. "Guten Morgen, Süße.", begrüßte Martin sie. "Morgen. Wo willst du denn hin?", fragte Lilli. "In die Praxis.", antwortete ihr Vater. "Und danach zu Gem?" Er nickte. "Darf ich mit?" Diese Idee gefiel Martin überhaupt nicht. "Lilli..", setzte Martin an, doch seine Tochter ließ ihn nicht ausreden. "Bitte!", flehte sie. "Okay, pass auf. Ich hole dich heute von der Schule ab und je nachdem wie es Gem geht werde ich entscheiden ob du mit zu ihr darfst. Deal?" Lilli nickte. "Deal.", antwortete sie und die Beiden verabschiedeten sich mit einer Umarmung voneinander.

Martin fuhr dann los in die Praxis.

Die BergdoktorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt