Kapitel 11

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Als Dr. Wagner dann endlich kam, machte er ebenfalls nochmal einen Ultraschall und konnte mir die endgültige Entwarnung geben. Martin hatte der Untersuchung beigewohnt, dadurch hatte ich mich sehr viel besser gefühlt. Ich zog mich wieder richtig an und blieb noch kurz auf der Liege sitzen.
"Also.. wie schon gesagt ist mit ihrem Kind soweit alles in Ordnung, trotzdem sollten sie sich in nächster Zeit viel schonen. Verrichten sie keine schweren Arbeiten und vermeiden sie Stress. Legen sie hauptsächlich die Füße hoch und ruhen sie sich aus. Dann wird es ihnen bald wieder besser gehen und außerdem tut es ihrem Nachwuchs ebenfalls gut.", wies der Gynäkologe mich an. "Aber ich kann doch nicht den ganzen Tag im Bett liegen bleiben.", widersprach ich ihm. "Sollen sie auch nicht, aber öfter Ruhepausen einlegen.", antwortete der Arzt.
"Ich werde schon dafür sorgen, dass du die Anweisungen befolgst.", mischte sich Martin nun ein. "Die Einstellung gefällt mir." Dr. Wagner lachte und stand auf. "Wie lange bleiben sie denn noch in Tirol?", fragte er. "So wie es aussieht, noch eine ganze Weile.", erwiderte ich. "Dann werden wir uns wohl bei ihrem nächsten Kontrolltermin sehen. Falls sie vorher aber ein Anliegen haben sollten, können sie gerne jederzeit vorbeikommen." Dr. Wagner gab mir und Martin zum Abschied die Hand und ging nach nebenan, in sein Büro.
"Hoffentlich muss ich nicht vorher vorbei kommen, das würde heißen etwas stimmt nicht." Mühsam stellte ich mich hin, ich spürte jeden Muskel meines Körpers. "Solange du dich an alles hälst, was Dr. Wagner dir gesagt hat, wird sicher nichts schief gehen. Wir fahren erstmal zu mir und da kannst du dich erstmal ausruhen."
Wenig später saßen wir in Martins Auto und fuhren zum Gruberhof. Es war mittlerweile schon dunkel, aber im Haus brannte noch Licht. Martin schloss die Haustür auf und ließ mir den Vortritt. "Martin?", hörte man jemanden rufen. Gleich darauf kam seine Mutter aus einem der Räume und umarmte ihn sofort. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht, die Polizei war vorhin da und hat den schwarzen Audi wieder hier abgeliefert. Was ist denn passiert?" Frau Gruber war verständlicherweise vollkommen durcheinander.
"Mama, ganz ruhig. Ich werde dir alles erklären, aber zuerst muss ich dich was fragen. Hättest du etwas dagegen, wenn Gemma für ein paar Tage hier bleibt?" Erst jetzt wurde seine Mutter auf mich aufmerksam. "Ach Gott.. Wie schaut sie denn aus, Martin? Natürlich darf sie bleiben, aber du bist mir eine Erklärung schuldig. Kommt mit in die Küche, ich mach Tee." Kaum hatte sie ausgesprochen, ging sie schon voraus und wir folgten ihr.
"Für mich keinen Tee, Mama. Ich nehme ein Bier.", sagte Martin und öffnete den Kühlschrank, um sich eins heraus zu holen. "Setz dich lieber. So blass wie du bist, kippst du mir ansonsten gleich noch um." Martin ging zu einem Tisch, um den Holzstühle standen und zog einen davon ein Stück zurück. "Mir geht's gut.", beteuerte ich, aber in Wahrheit war mir wirklich etwas schwummrig. Also setzte ich mich und Martin tat es mir gleich.
Frau Gruber hatte inzwischen zwei Tassen Tee gemacht, die sie mit an den Tisch nahm und eine davon vor mir abstellte. "Danke.", sagte ich und lächelte, sie erwiderte das. "Das ist Kamille, beruhigt die Nerven.", erklärte sie mir und das konnte ich gerade ziemlich gut gebrauchen. Da der Tee noch ziehen musste, wärmte ich lediglich meine kalten und zitternden Hände an der heißen Tasse. Während Martin seiner Mutter alles erzählte, kämpfte ich erneut mit den Tränen. Ich hörte hauptsächlich zu, trank meinen Tee und beruhigte mich zunehmend. Eigentlich konnte ich Kamillentee nicht ausstehen. Aber dieser schmeckte mir und als ich die erste Tasse ausgetrunken hatte, machte Frau Gruber mir sofort einen neuen, als ob es selbstverständlich wäre.
"Ich werde mal deinen Koffer aus dem Auto holen, damit du dir endlich etwas neues anziehen kannst." Martin stand auf und verließ die Küche. "Danke, Frau Gruber. Dass ich bei ihnen bleiben darf, meine ich. Dafür werde ich mich wahrscheinlich nie revanchieren können." Sie lächelte nur, legte ihre Hand auf meinen Arm und drückte ihn sanft. "Das ist auch gar nicht nötig. Und ich bin übrigens die Lisbeth." Ich war etwas überrascht, dass sie mir so plötzlich das 'Du' anbot, aber fühlte mich damit gleich noch viel wohler. "Gemma, freut mich.", entgegnete ich und wir reichten uns die Hand.
Im gleichen Moment kam Martin wieder und blieb in der Küchentür stehen, in einer Hand hatte er meinen Koffer. "Wenn du willst, zeig ich dir wo du schlafen kannst." Das ließ ich mir bestimmt nicht zweimal sagen und stand auf, denn ich war richtig müde und erledigt. "Gute Nacht und nochmal vielen Dank, Lisbeth." Sie war ebenfalls aufgestanden, um die schmutzigen Tassen in die Spüle zu stellen. "Keine Ursache, gute Nacht und schlaf schön." Ich ging mit Martin nach oben.
"Ihr nennt euch schon beim Vornamen, hab ich was verpasst?", fragte er amüsiert. "Nicht sonderlich viel, aber deine Mutter ist wirklich sehr freundlich.", erwiderte ich. "Sie ist die Gutmütigkeit in Person und ich bin froh sie zu haben.", meinte er daraufhin und öffnete eine Tür. "Das glaube ich dir sofort."
Martin schaltete das Licht an und platzierte den Koffer erstmal auf dem Bett. "Unser Gästezimmer, ich hoffe es gefällt dir.", meinte mein Gastgeber. "Es ist sehr schön.", antwortete ich und mir gefiel das Zimmer wirklich total. "Dann lasse ich dich mal in Ruhe auspacken. Wobei ich glaube, du wirst sofort schlafen gehen." Martin war davon vollkommen überzeugt und lag damit eindeutig richtig. "So müde wie ich bin, wird das wohl so sein. Nur irgendwie habe ich Angst, dass ich wieder schlecht träume und das ganze Haus zusammen schreie."
Auch wenn sich das jetzt lustig anhörte, so war es überhaupt nicht gemeint. "Dann bekomme ich es wenigstens mit und bin schneller da, als du schauen kannst.", antwortete Martin. "Wobei.. wenn du nichts dagegen hast und dich wohler fühlst, könnte ich auch auf dem Boden schlafen. Dann wärst du nicht alleine."
Den Vorschlag fand ich zwar nicht schlecht, aber wollte ihn trotzdem davon abbringen. "Bestimmt nicht! Du schläfst wegen mir ganz sicher nicht auf dem Fußboden.", stellte ich klar. "Langsam solltest du wissen, dass du mit mir nicht diskutieren brauchst. Ich hole mir noch mein Bettzeug, bis gleich."
Er verließ einfach den Raum. Ich zog mich derweil um und stellte mein Gepäck dorthin, wo es nicht störte. Dann legte ich mich ins Bett und obwohl ich eigentlich noch auf Martin warten wollte um ihn doch noch irgendwie umzustimmen, schlief ich einfach ein.

Die BergdoktorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt