Kapitel 51

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Während ich mir das immer wieder stumm versuchte klar zu machen, fuhren die anderen mit der Verteilung der Geschenke fort. "Das dort ist für dich." Lisbeth stupste mich an und deutete auf ein ziemlich großes Geschenk.
"Das ist doch viel zu groß!", meinte ich erschrocken. "Quatsch. Da sind nur ein paar Kleinigkeiten drin, die du in Zukunft garantiert brauchen wirst und es ist übrigens von uns allen. Roman hat sich auch beteiligt und außerdem ist es dein erstes Weihnachten seit Jahren. Gib mir die Kleine, dann hast du die Hände frei zum auspacken."
Ich gab Kira an Lisbeth weiter und setzte mich auf den Boden, denn dort war mehr Platz. Ich zog das Päckchen unter dem Baum hervor und blickte alle Anwesenden nacheinander an. "Pack schon aus, es wird dich nichts anspringen!", meinte Martin amüsiert. "Dein Wort in Gottes Ohr.", murmelte ich und begann das Geschenkpapier zu entfernen. Und ich staunte nicht schlecht, als ich die edle schwarze Arzttasche erblickte die sich darunter verbarg.
"Ihr seid doch verrückt, Danke!", sagte ich und war total begeistert von diesem Geschenk. "Für deine zukünftigen Hausbesuche ist die unentbehrlich.", erklärte Martin mir fachmännisch. "Aber mach sie mal auf, da drin ist noch mehr." Und ich tat, was er mir sagte. Tatsächlich befanden sich noch mehr Päckchen darin, allesamt einzeln verpackt und ich nahm mir eins heraus. Es war ebenfalls etwas größer, jedoch sehr leicht und ich vermutete sofort Kleidung darin. Dieser Verdacht bestätigte sich, als ich es auspackte und einen weißen Kittel in den Händen hielt. Er war sogar schon mit einem Namensschild versehen. "Du sollst schon deinen eigenen haben, wenn du in der Praxis anfängst. Und da die anderen sowieso schon so verbraucht aussehen, dachten wir uns ein neuer kann nicht schaden."
Ich musste lachen und zog ihn mir sofort an, er passte perfekt. "Soll das so etwas wie eine Grundausstattung darstellen?", fragte ich und Lisbeth nickte. "So in etwa. Eine selbst zusammen gestellte Bergdoktor-Grundausstattung, extra auf dich abgestimmt." Wir mussten nun alle lachen und ich war gerührt, dass sie sich das hatten für mich einfallen lassen und war gespannt was noch alles zum Vorschein kommen würde.
Also griff ich erneut in die Tasche, um noch eines der Geschenke heraus zu holen. Dieses war etwas schwerer und stabiler. "Pass auf, da ist was zerbrechliches drin.", warnte Lisbeth mich vor und auch hier entfernte ich das Geschenkpapier. Als ich den Inhalt sah, musste ich abermals schmunzeln. "Euer Ernst?", fragte ich und las die Aufschrift noch einmal. Es handelte sich um eine pinke Tasse, mit der dem Wort 'Bergdoktorin' in schwarzer Schrift darauf. "Ja. Und da kannst du Martin gleich das kleine Päckchen da hinten geben, das ist noch für ihn.", erklärte Hans und Martin schien davon nichts gewusst zu haben. Deshalb gab ich ihm das Geschenk gleich und als er es ausgepackt hatte, kam ebenfalls eine Tasse zum Vorschein. Nur war seine weiß und er musste lachen.
"Was steht bei dir drauf?", wollte ich wissen und er drehte die Tasse um, damit ich es lesen konnte. Dort stand genauso in schwarz 'Bergdoktor'. "Damit ihr immer eine Tasse für euren Kaffee habt und die nicht verwechselt.", meinte Lisbeth und Martin umarmte seine Mutter. Sie hatten sich wirklich unglaublich viele Gedanken gemacht. Als nächstes angelte ich ein ganz kleines Geschenk aus der Tasche und darin befand sich ein Headset fürs Handy.
"Das fand ich besonders wichtig. Soweit ich weiß hast du nämlich keins mehr und telefonieren am Steuer ohne so ein Ding ist 'ne heikle Sache selbst als Arzt." Das konnte ich nachvollziehen und hielt nun das letzte Päckchen in den Händen. "Was ist das jetzt wohl?", fragte ich und versuchte es zu erahnen, konnte mir aber nicht wirklich vorstellen was da drin sein sollte. "Mach's auf und find's raus.", meinte Lilli und alle grinsten. Also öffnete ich auch noch dieses Geschenk und begann abermals zu lachen. "Ihr habt ja wirklich an alles gedacht!", stellte ich fest und hängte mir das pinkfarbene Stethoskop gleich um. "Natürlich, wir machen keine halben Sachen!", erwiderte Lisbeth und ich stand auf, um sie zu umarmen. "Da hattet ihr eine tolle Idee, Danke!", sagte ich und ging weiter zu Hans, um mich auch bei ihm zu bedanken, danach kam Lilli an die Reihe und als letztes Martin.
"Kann ich in dem Aufzug bei dir in der Praxis auftauchen?", fragte ich und er sah mich prüfend an. "Dreh dich mal.", forderte Martin mich auf und ich machte, was er wollte. "Mhh, ich weiß nicht.." Lisbeth verdrehte die Augen und boxte ihm einmal auf die Schulter. "Jetzt hör auf, sie zu ärgern. Du kannst dich glücklich schätzen, sie bald als Kollegin in deiner Praxis zu haben.", meinte sie und Martin lachte. "Ist schon gut, ich bin sehr zufrieden und bin gespannt wann dein erster Tag sein wird."
Das fragte ich mich auch, doch zunächst musste ja noch der Papierkram erledigt werden und das hatte Zeit bis Neujahr. "Bekommen wir jetzt unsere Geschenke von dir?", fragte Lilli und nachdem sie alle anderen schon verteilt hatten, fehlten nur noch die von mir. Zuerst gab ich Hans seines, es handelte sich nur um einen Gutschein, da mir nichts originelles eingefallen war. Schließlich war er derjenige, den ich am wenigsten kannte und mit dem ich anfangs so meine Schwierigkeiten gehabt hatte. Lisbeth hingehen bekam von mir ein selbst zusammengestelltes Kochbuch mit italienischen Rezepten, die mir meine Mutter und meine Oma beigebracht hatten. Alles Kopien von meinen Originalen und selbst gebunden, darüber freute sie sich mehr als ich erwartet hatte.
"So.. und das ist für dich.", sagte ich zu Lilli und übergab ihr ein kleines Päckchen. Sie schüttelte es ein wenig und packte es dann gleich aus. Martin lächelte mir zu, da er wusste was sich darin verbarg. "Eine Schmuckschachtel.", meinte Lisbeth und schien ebenfalls gespannt zu sein, was ich für ihre Enkelin zu Weihnachten gekauft hatte.
Lilli öffnete die Schachtel erst ganz langsam und nur ein Stück weit, so konnte nur sie einen Blick hinein werfen und ihr blieb der Mund offen stehen. "Das ist.." Die Kleine fand offenbar nicht die richtigen Worte. "Zeig mal, was da drin ist. Ich bin auch neugierig.", wandte Hans nun ein und Lisbeth stimmte ihm zu. Lilli entfernte den Deckel ganz und strahlte. "Ein Medaillon!", offenbarte sie ihrer Familie nun. "Gemma hat mir ein Medaillon geschenkt, das fast genauso aussieht wie das von ihr!"
Lilli war total begeistert, bei Hans hingegen hielt sich die Begeisterung wieder einmal in Grenzen. Er forderte seine Tochter auf, ihm das Schmuckstück zu geben und sah es sich genauer an. "Das sieht aus, als wäre es ziemlich teuer gewesen.", sagte er letztendlich. "Was es gekostet hat spielt keine Rolle.", antwortete ich sofort. "Doch, weil Lilli nicht so verwöhnt werden soll.", stellte Hans klar. "Gemma verwöhnt sie in keinster Weise, im übrigen hat sie das vorher mit mir abgesprochen und ich hab zugestimmt.", mischte sich Martin nun ein.
"Das ist meins, Papa." Lilli nahm das Medaillon einfach wieder an sich und stand auf, um sich angemessen bei mir zu bedanken. "Danke, es ist wunderschön!", sagte sie fröhlich. "Es freut mich, dass es dir gefällt.", meinte ich und erwiderte die Umarmung. "Kannst du es mir um machen?", fragte Lilli und gab mir die Kette, die ich ihr um den Hals machte. "Schau mal, Oma!" Auch Lisbeth zeigte sie nun ihr Geschenk. "Da steht ja sogar dein Name drauf. Ein wirklich schönes Geschenk, was du da bekommen hast." Lisbeth hatte anscheinend auch nichts gegen dieses Geschenk einzuwenden, einzig und allein war es Hans dem das nicht wirklich passte.
"Schön ist es ja, aber.." Martin unterbrach ihn gleich. "Hans, lass es gut sein. Lilli hat das Medaillon von Gemma schon die ganze Zeit bewundert und sie hat mich extra um Erlaubnis gefragt, deshalb müssen wir darüber nicht mehr diskutieren." Dieser Meinung war Lisbeth auch. "So ist es. Und ich hätte nicht gewusst, was ich ihr sonst schenken könnte. Ich musste sowieso zum Juwelier, weil ich für Kira eins habe anfertigen lassen und da kam mir dann die Idee.", erklärte ich ihm und somit war das Thema auch schon wieder erledigt. "Für dich hab ich natürlich auch noch was." Ich gab Martin nun ebenfalls sein Geschenk. "Hätte nicht sein müssen.", erwiderte er, packte es aber trotzdem gleich aus.
"Eine neue Uhr, Danke!", sagte er. "Gerne. Deine ist ja kaputt gegangen und als wir die Anhänger in Auftrag gegeben haben, hast du dir die mehrmals angeschaut. Da konnte ich wenigstens nichts falsch machen." Ich setzte mich nun wieder hin und nahm Kira zu mir. Sie war inzwischen wieder ziemlich unruhig und da sie Hunger haben musste, brauchte ich einen ruhigen Ort wo ich sie stillen konnte.
"Oben in meinem Zimmer, da seid ihr unter euch.", meinte Martin und ich ging mit meiner Tochter nach oben. In Martins Zimmer angekommen, schaltete ich das Licht an und schloss die Tür. Kira beschwerte sich lautstark und ich versuchte sie zu beruhigen, was aber nichts half.
Ich setzte mich mit ihr aufs Bett, sodass ich mich anlehnen konnte und es bequem hatte, schließlich störte uns hier gerade keiner. Das Bett wurde ich später schon wieder machen, aber erstmal legte ich meine Kleine zum Trinken an und sie wurde ganz ruhig. Auch ich entspannte mich wieder und war froh, die Bedürfnisse von Kira inzwischen einigermaßen deuten zu können. Schon an ihrem Weinen erkannte ich mittlerweile, ob sie Hunger hatte, gewickelt werden musste oder einfach nur Aufmerksamkeit benötigte. Ich wuchs von Tag zu Tag mehr in meine Mutterrolle hinein, was ich anfangs nicht für möglich gehalten hätte.
Nach ein paar Minuten war Kira fertig und kurz vorm einschlafen, weshalb ich beschloss noch eine Weile hier zu verbleiben. Es war schön, einfach hier mit ihr zu liegen und sie zu beobachten. Dadurch bekam ich auch nicht mit, wie jemand den Raum betrat.
"Gem?", fragte plötzlich jemanden und ich blickte erschrocken auf. Martin stand vorne an der Tür, die er gerade wieder schloss. "Ich hab geklopft, aber das hast du anscheinend nicht mitbekommen.", meinte er. "Nein, ich war abgelenkt.", erwiderte ich und er lächelte. "Verständlich. Ich wollte nur mal nach euch schauen, seid schon fast eine dreiviertel Stunde abwesend." Ich hatte gar nicht bemerkt, dass so viel Zeit vergangen war. "Uns geht's gut, dein Bett ist sehr bequem und da wollten wir noch nicht aufstehen.", erklärte ich ihm und er lachte.
"Kann ich euch Gesellschaft leisten oder.." Sofort stimmte ich zu, warnte ihn aber vor das Kira inzwischen schlief und wir uns leise verhalten mussten. Martin setzte sich zu uns auf die Bettkante. "Tut mir leid, aber ich musste mich hier so ausbreiten.", sagte ich leise. "Deshalb hab ich dich ja mit ihr hier hoch geschickt.", antwortete Martin. "Was mir aber leid tut, ist die Aktion meiner Mutter.", gab er nun zu und ich tat so, als ob ich von nichts mehr wusste. Eigentlich wollte ich darüber nämlich nicht mehr sprechen, aber er schien anscheinend Bedarf zum Reden zu haben.
"Ich rede von dem Mistelzweig.", half er mir nun auf die Sprünge. "Achso.. das muss dir nicht leid tun. Es ist eben eine Tradition an Weihnachten und wir leben ja noch.", meinte ich und versuchte überzeugend zu klingen. Jedoch konnte ich ihm dabei nicht in die Augen sehen und hielt meinen Blick auf Kira gerichtet, die ruhig in meinen Armen lag. "Ja schon, nur hätte es nicht sein müssen.", hielt Martin wieder dagegen. "Weist du, was ich langsam denke?", fragte ich und traute mich nun aufzublicken. "Das sie uns verkuppeln will.", hatte er gleich die richtige Antwort parat und ich nickte. "Genau, jedenfalls hab ich immer so ein bisschen das Gefühl."
Und das stimmte, Lisbeth schien uns tatsächlich als Paar sehen zu wollen. Das wir soweit schon gewesen waren und beinahe einen Tag lang so etwas wie eine Beziehung geführt hatten, wusste fast niemand. Bis auf Roman, da ich mir sicher war das Martin sich bei ihm Rat deshalb geholt hatte und ich selbst hatte es Susanne erzählt. Ansonsten hatten wir bis jetzt mit keinem mehr darüber gesprochen, selbst nicht miteinander. Es waren schwere Zeiten gewesen, für mich sowie auch für ihn und ich wollte keine alten Wunden aufreißen.
"Geht mir auch so. Und sie mag dich wirklich gerne, da wäre das gar nicht so abwegig.", antwortete Martin nachdenklich. "Wir müssen uns ja nicht darauf einlassen.", stellte ich klar und zwinkerte ihm zu. "Bin ich ganz deiner Meinung." Aber wirklich überzeugend klang das nicht und am liebsten hätte ich nachgefragt, ob er mir nicht noch mehr zu sagen hatte. Dazu kam ich aber nicht, da es nun klopfte und Hans einfach ohne Aufforderung herein kam.
"Ich wollte nur sagen, dass wir unten auf euch mit dem Pudding warten." Lisbeth hatte als Nachttisch für uns alle noch Pudding vorbereitet und kaum hatte er ausgesprochen, war Hans schon wieder verschwunden.
"Ich glaube, dem hat mein Geschenk für Lilli echt nicht gepasst.", meinte ich. "Anscheinend. Aber er ist und bleibt ein Sturkopf, da lässt sich nichts mehr dran ändern." Wir beide mussten daraufhin lachen und wir gingen gemeinsam nach unten. Kira legte ich in ihren Maxi-Cosi und glücklicherweise wachte sie nicht auf, so tief schlummere sie.
Wir verbrachten noch ein paar besinnliche Stunden miteinander, sangen Weihnachtslieder und hatten unseren Spaß. Es war tatsächlich eines der schönsten Weihnachtsfeste, die ich bis jetzt miterlebt hatte und nie würde ich es vergessen. Lilli war inzwischen ins Bett gegangen und während die Männer das Wohnzimmer noch etwas aufräumten, half ich Lisbeth beim Abwasch. Sie spülte und ich trocknete das Geschirr ab, so würden wir schneller fertig sein.
"Du musst mir wirklich nicht helfen.", meinte Lisbeth und wies mich nun schon zum x-ten Mal darauf hin. "Dafür, dass ihr mich heute eingeladen habt, ist das das Mindeste was ich tun kann.", erwiderte ich und nahm mir einen weiteren Teller zum abtrocknen. "Haben wir doch gerne gemacht. Bevor du mit der Kleinen allein zu Hause sitzt.. ich finde einfach niemand sollte Weihnachten allein verbringen und du hast das die letzten Jahre schon ertragen müssen."
Ich schätzte diese großzügige und einfühlsame Art an Lisbeth sehr. "Ja, eigentlich stimmt das schon. Aber.." Sie ließ mich meinen Satz nicht zu Ende bringen. "Es gibt kein 'aber', Gemma. Nimm es bitte einfach so hin, es war doch ein sehr schöner Abend und deine Anwesenheit hat einiges dazu beigetragen." Und da sie es wirklich ernst meinte, widersprach ich nicht mehr. "Vielleicht hast du ja Lust, an Silvester auch zu uns zu kommen.", sagte Lisbeth und ich nickte. "Sehr gerne.", stimmte ich zu. "Toll, da wird sich vor allem die Lilli sehr freuen.", antwortete Lisbeth. "Und der Martin.", fügte sie noch schmunzelnd hinzu. "Warum grinst du so?", fragte ich daraufhin nach. "Einfach so.", war die Antwort.
"Lisbeth, das glaub ich dir nicht.", gab ich ehrlich zu. "Es ist nur so, dass er in deiner Gegenwart so glücklich ist. Ich kenne meine Söhne und mit Martin und den Frauen ist das immer so eine Sache gewesen.. Ich hab immer befürchtet, das er nie die eine findet, bis Andrea in sein Leben getreten ist. Das es mit den Beiden so endet, hätte ich niemals gedacht. Aber wir werden ja sehen, was die Zukunft bringt." Ich sagte dazu nichts, da mir keine passende Antwort einfallen wollte.
Also ließ ich es einfach mal so stehen, während Lisbeth weiterhin ein Grinsen im Gesicht hatte.

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