Er vergaß sogar sich anzuschnallen und fuhr direkt im vollen Tempo den Berg hinunter. Martin wollte nur schleunigst ins Krankenhaus zu seiner Freundin und herausfinden wie es ihr ging, was überhaupt geschehen war und ob Sarah recht behalten sollte.
Mit Tränen in den Augen umklammerte er das Lenkrad und achtete kaum auf den Verkehr. Jeder Wagen wurde von ihm überholt und das er riskierte von der Polizei angehalten zu werden oder mit seinem eigenen Leben spielte war ihm egal.
Während Martin die Straßen entlang raste, saß Sarah noch immer weinend in der Umkleide. Das Handy fest in der Hand, so hatte sie wenigstens das Gefühl sich an etwas festhalten zu können. Sie überlegte ob sie Paul anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Er hatte Dienst und konnte bestimmt nicht telefonieren. Obwohl sie wusste das er für die da sein würde, wenn Gemma wirklich für immer von hier gehen sollte. Jedoch ließ sie dieser Gedanke jedes Mal aufs Neue lauter schluchzen. Und deshalb zwang sie sich daran zu glauben das Gemma es doch schaffen würde und einmal nicht nach den medizinischen Fakten zu gehen.
Die Ärztin wollte nicht einfach so tatenlos herum sitzen, während ihre beste Freundin ein paar Meter weiter im OP lag. Deshalb stand sie auf und warf ihr Handy wieder ins Schließfach, anschließend wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Sie verließ den Raum und ließ die Tür zu knallen, ihr Ziel war der Waschraum.
Durch die Scheibe konnte sie in den Saal blicken und sehen das ihre Kollegen gerade versuchten Gemmas innere Blutungen unter Kontrolle zu bekommen. Deshalb bemerkten sie Sarah auch nicht und das nutzte sie aus, um sich zu waschen und steril zu machen. Sie machte sich einen Mundschutz um und ging dann in den Saal.
"Doktor Richter, sofort raus hier!" Professor Böning hatte sie als erstes gesehen. Er hörte kurz auf zu operieren. "Es tut mir leid, Herr Professor, aber ich werde nicht gehen!", widersprach Sarah ihrem Chef. "Das ist meine beste Freundin die da liegt, meinen sie wirklich da kann ich herumsitzen und abwarten?!" Erneut kamen ihr die Tränen. "Ich bin Chirurgin wie sie wissen und kann helfen, wenn sie mich nur lassen würden!"
Doch der Professor ließ sich nicht erweichen. "Natürlich kann ich sie verstehen.", versicherte er ihr. "Aber sie sind wie sie schon gesagt haben Frau Morrows beste Freundin und demnach zu sehr involviert. Und genau deshalb will ich sie hier im OP nicht haben!" Er klang streng, aber meinte es keinesfalls böse. Der Chef wollte seiner Mitarbeiterin nur traumatische Erlebnisse ersparen. Bei einem Menschen den man kannte spielte die Erfahrung keine Rolle, da hatte man sich einfach nicht im Griff. Auch der Professor war hier mehr involviert als man ahnte und genau deshalb hatte er Gemma deshalb selbst behandeln wollen. Wenn sie hier auf seinem Tisch sterben sollte, würde er sich das nie verzeihen und er wollte keinerlei Risiko eingehen. Und in diesem Augenblick stellte Sarah ein solches Risiko dar, er konnte es einfach nicht verantworten sie in den OP zu lassen.
"Ich werde nicht gehen!", protestierte seine junge Kollegin erneut. "Ich werde mit ihnen nicht darüber diskutieren, Sarah!" Beim klang ihres Vornamens zuckte sie zusammen. "Sie helfen ihrer Freundin überhaupt nicht, wenn sie hier im OP zusammenbrechen! Ich glaube Gemma würde auch wollen, dass sie gehen. Soweit ich weiß, kommt Doktor Gruber auch gleich und sie sollten ihm beistehen.", meinte der Professor. "Und was soll ich ihm sagen?", fragte Sarah aufgelöst. "Dass wir hier alles tun, um das Leben seiner Freundin zu retten. Und jetzt gehen sie bitte, ansonsten lasse ich sie raus bringen!"
Sarah schluckte, nickte aber dann. Ihr Chef hatte womöglich recht, sie wäre keine große Hilfe hier drin. Sie ging dennoch kurz zu ihrer Freundin und man ließ sie gewähren. "Es ist mir egal ob du mich hören kannst oder nicht, ich will dir trotzdem etwas sagen.", begann sie. "Du wirst jetzt keinen Blödsinn machen, kapiert? Du wirst das überleben und Martin, deine Kleine, mich und alle anderen hier nicht hängen lassen!", stellte sie klar und strich ihrer bewusstlosen Freundin über die Wange.
