Kapitel 80

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Auf der Intensivstation angekommen nahm Martin den Patienten kurz in Augenschein und bat dann das Personal, ihn hinunter in den OP zu bringen. Dort hatten wir alles griffbereit und es war wirklich besser ihn dort zu versorgen, wo es sich nun einmal gehörte. In einem standardmäßigen OP-Saal und nicht in einem Krankenzimmer.

Ich sollte Martin beim Zumachen des Patienten assistieren. Er gab mir Anweisungen, die ich ohne etwas zu sagen befolgte. Hätte ich das was ich da sah beschreiben müssen, wäre 'Massaker' wohl passend gewesen. So sollte es ganz sicher nicht ausschauen, wenn man jemanden operierte.

"Ganz schön wild.", sprach Martin dann meine Gedanken etwas milde ausgedrückter aus. "Tut mir leid.", antwortete ich schuldbewusst. "Das muss dir sicherlich nicht leid tun. Du hast ihm das Leben gerettet und nur das zählt.", beruhigte er mich gleich. Ich musste lächeln, was Martin durch den Mundschutz aber nicht sehen konnte. "Du hast richtig gehandelt, egal was dieser Lembke behauptet. Der hält sich für den geborenen Arzt, dabei kann der nichts außer die Arbeit auf andere abwälzen. Weiß ich von Alexander." Dieser Arzt war also auch bei den Oberärzten nicht wirklich beliebt. "Da hat der deine Ansage vorhin wirklich verdient." Das er das so locker nahm wunderte mich total.

"Ich konnte nicht anders. Und wenn ich diesen blöden Pager bezahlen muss, wert war's mir allemal." Martin lachte. "Du bezahlst da gar nichts, der soll sich selber einen neuen besorgen. Am besten einen, der sein Erbsenhirn daran erinnert die Batterien zu wechseln.", meinte er. "Und du hast nun mal ein starkes Temperament, mit dem nicht jeder umzugehen weis."

Davon war er vollkommen überzeugt. "Und du meinst, dass du damit hundertprozentig umgehen kannst?", fragte ich belustigt. "Nicht hundertprozentig, aber ich glaube mittlerweile kriege ich das ganz gut hin.", erwiderte er. "Meinst du, ja?"

Martin schnaufte schwer. "Gem, ich versuche nur ein Gespräch anzufangen.", sagte er dann. "Ich will, dass wir endlich miteinander reden und diesen albernen Streit beilegen.", fügte er hinzu. "Alberner Streit?!" Ich merkte schon wieder, wie mir das gegen den Strich ging.

"Nein, Halt, Stopp! So war's jetzt auch wieder nicht gemeint, bleib ruhig." Wir waren nun fertig mit der OP. "Du hast ja recht, entschuldige. Ich will mich ja auch nicht mehr streiten.", gab ich zu.

Wir sagten einer Schwester, dass man den Patienten zurück auf Station bringen konnte und verließen zusammen den OP.

Wir beschlossen uns zum Reden irgendwo hinzusetzen, wo wir einigermaßen ungestört waren. Während Martin uns in der Cafeteria zwei Kaffee holen ging, wartete ich im Foyer. Ein paar Minuten später kam er zurück, setze sich neben mich und gab mir einen Kaffeebecher. "Danke.", sagte ich und trank gleich einen großen Schluck. "Ich frage mich ja, was du eigentlich hier machst. Du solltest zu Hause sein und dich ordentlich ausschlafen.", meinte Martin. "Ich könnte Daheim auch nicht einfach schlafen, da wäre Kira noch da die mich wach halten würde. Das mit dem Feiern gehen war echt ne blöde Idee." Martin nickt. "War es. Vor allem weil du so mies gelaunt warst, da kann ich mir nicht vorstellen das es Spaß gemacht hat.", antwortete Martin. "Es hat Spaß gemacht, bis.."

Ich biss mir auf die Unterlippe. "Bis was?", fragte Martin misstrauisch. "Nichts.", sagte ich, aber das brachte nichts mehr. "Gem, du sagst mir jetzt auf der Stelle was da los war!", forderte Martin mich auf. "Da.. war ein Mann in der Disco und der hat mich.." Erneut brach ich ab. "Was hat der dich?", verlangte er zu wissen. "Angefasst.. unsittlich angefasst.", brachte ich schließlich heraus.

"Bitte was?!" Martin war entsetzt. "Ja, aber dank Sarah und einem anderen Gast ist nichts weiter passiert. Wir waren bei der Polizei und haben ihn angezeigt.", versuchte ich die Sache herunterzuspielen, obwohl es mir bei diesen Erinnerungen eiskalt den Rücken hinunter lief. "Und das nur, weil Sarah dich dazu überreden musste feiern zu gehen!", murmelte Martin sauer. "Nein, Sarah hat keine Schuld! Sie war wenigstens für mich da, nachdem wir uns so gestritten haben.", stellte ich gleich klar. "Es war trotzdem eine unüberlegte Aktion. Und dann wirfst du mich noch raus!", warf er mir vor. "Aber nicht ohne Grund!", entgegnete ich. "Weißt du eigentlich wie gedemütigt ich mich gefühlt habe, als dieser Distelmeier mir gestern diese Dinge über dich und deine Familie erzählt hat?! Und ich weiß genau, dass er nicht der einzige ist der von unserer Beziehung nichts hält! Das ist so ein enormer Druck.. Ich lebe eigentlich ständig mit der Angst, dass.. dass sie Recht haben könnten und.."

Die BergdoktorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt