Den Nachmittag über verbrachte ich mit Zeitung lesen, da ich noch weiter nach Wohnungen schauen wollte. Ich schrieb mir gerade eine weitere Nummer heraus, als ich eine SMS bekam. 'Ich weiß nicht was genau du gemacht hast, aber es hat anscheinend funktioniert. Andrea möchte sich gleich mit mir auf einen Kaffee treffen und übrigens ist mit Hans auch soweit alles geklärt. Er redet zwar nur das Nötigste mit mir, aber ich darf wenigstens wieder zu Hause schlafen. Dir noch einen schönen Abend und Danke für deine Hilfe!'
Zufrieden legte ich das Handy wieder weg und widmete mich weiter meiner Suche. Um eine Wohnung finanzieren zu können, brauchte ich erstmal einen Job. Deshalb blätterte ich um und sofort fiel mir wieder diese Anzeige vom Krankenhaus in Hall auf, sie suchten noch immer Bewerber für eine Stelle als Assistenzarzt/-ärztin in der Chirurgie. Ich überlegte hin und her, bis ich schließlich beschloss es mit einer Bewerbung zu versuchen. Schaden konnte es jedenfalls nicht und irgendwann würde ich trotzdem meine eigene Praxis eröffnen, nur eben nicht jetzt.
Nur musste ich dafür eine Bewerbung schreiben und da mir hier die Mittel dazu fehlten, nahm ich erneut mein Smartphone zur Hand. 'Das sind gute Nachrichten, kannst mich ja auf dem laufenden halten. Und eine kleine Frage hätte ich.. Dürfte ich mal einen Computer in der Praxis benutzen?' Warum genau ich den brauchte verriet ich nicht, aber normalerweise müssten jetzt nicht mehr so viele Patienten da sein und Roman hätte bestimmt nichts dagegen, wenn ich kurz vorbei kam. Auch Martin hatte nichts dagegen, dass ich einen PC benutzen wollte und deshalb fuhr ich nochmal weg.
Wie vermutet kümmerte sich Roman um die Patienten und währenddessen schrieb ich ungestört meine Bewerbung für die Klinik und druckte sie aus. Eine geeignete Mappe fand ich in einer der Schubladen von Frau Schneider, die glücklicherweise schon Feierabend hatte und deshalb war ihr Computer frei gewesen. Die Bewerbung gab ich noch am gleichen Tag ab und nun musste ich abwarten, ob ich eine Rückmeldung bekam. Aber mein Vorhaben würde ich weiterhin für mich behalten, zumindest solange alles noch nicht sicher war.
Zurück beim Gasthof sah ich schon Martins Mercedes auf dem Parkplatz stehen und da Susanne meinte er wäre schon nach oben gegangen, tat ich das Gleiche. Er wartete vor meinem Zimmer und irgendwie merkte ich schon, dass etwas nicht stimmte. Sein Gespräch mit Andrea musste er mittlerweile hinter sich gebracht haben und wahrscheinlich war er deshalb auch her gekommen.
"Wartest du schon lange?", fragte ich und suchte in meiner Tasche nach dem Zimmerschlüssel. "Seit ein paar Minuten erst.", antwortete Martin und nachdem ich die Tür geöffnet hatte, betraten wir beide den Raum und er schloss sie sofort wieder. Ich stellte meine Tasche ab und währenddessen setzte sich Martin aufs Bett, ich spürte regelrecht wie er mich beobachtete und drehte mich um. "Was ist los?", wollte ich nun wissen. "Wir müssen reden, Gem.", offenbarte Martin mir und das bedeutete in den meisten Fällen nichts Gutes. "Okay." Ich setzte mich zu ihm und hatte irgendwie das Gefühl er wollte eine Gewisse Distanz zwischen uns bewahren.
"Erstmal wollte ich mich nochmal dafür bedanken, dass du mit Andrea geredet hast. Anscheinend hat es was gebracht, wir haben uns ja vorhin getroffen und über alles ganz ruhig geredet." Ich nickte nur und Martin fuhr fort. "Jedenfalls wird sie vorerst doch hier bleiben, die Kanzlei gibt ihr noch vier Wochen Zeit sich zu entscheiden." Darüber freute er sich, denn er lächelte, aber sein Lächeln erstarb gleich wieder. "Aber das ist doch toll.", meinte ich, jedoch war es nicht wirklich aufrichtig gemeint. Denn ich befürchtete, dass er nicht nur gekommen war um mir dies mitzuteilen.
"Ja, in gewisser Weise schon und vielleicht geht sie auch gar nicht nach Kiel. Aber um das durchzusetzen, darf ich mir keine Fehler mehr leisten. Und das bedeutet auch, dass das gestern zwischen uns ein einmaliger Ausrutscher bleiben wird." Ihm fiel es sichtlich schwer mir das zu sagen, auch wenn seine Wortwahl nicht gerade herausragend gewesen war. Denn das er die Nacht mit mir als 'Ausrutscher' bezeichnete verletzte mich schon ein wenig, zumal ich mir jetzt wie eine billige Affäre vor kam. Nur brachte ich jetzt erstmal keinen Ton heraus und das war vielleicht besser so.
"Würdest du bitte etwas sagen?", fragte Martin mich, nachdem einige Augenblicke lang Schweigen geherrscht hatte. "Ansonsten komme ich mir erst recht wie das letzte Arschloch vor.", fügte er noch hinzu und beinahe wäre mir etwas wie 'Das bist du ja auch!' heraus gerutscht. Aber so eine Bemerkung wollte ich mir verkneifen, egal wie sehr ich mich zusammenreißen musste. "Was soll ich denn großartig dazu sagen? Wenn du das so empfindest, muss ich das akzeptieren und für mich war es übrigens auch nicht mehr als ein One-Night-Stand." Für diese Lüge hätte ich mich selbst ohrfeigen können, nur wollte ich ihm jetzt keine Szene machen.
"Wirklich?" Martin glaubte mir das noch nicht ganz. "Ja, für mich hatte es keinerlei Bedeutung.", erwiderte ich und klang ziemlich glaubwürdig dabei. "Na dann." Erneut legten wir eine peinlich berührte Pause ein. "Wir sind also nur Freunde.", sagte Martin letztendlich. "Nur Freunde.", bestätigte ich und zwang mich zu einem Lächeln, woraufhin er mich in den Arm nahm. "Das ist schön.", meinte er und ich versuchte den Klos in meinem Hals hinunter zu schlucken.
"Weist du schon, wie es mit dir und Andrea weitergehen soll, falls sie bleibt?" Eigentlich war ich der Meinung gewesen, sie sollte nur bleiben des Kindes wegen. Aber nun war ich mir sicher, dass Martin mehr im Sinn hatte und bereute insgeheim mit ihr gesprochen zu haben. "Konkret habe ich da keine Pläne, wir werden sehen was sich ergibt. Aber ich würde es gut finden wenn wir uns gemeinsam um unser Kind kümmern könnten, sofern sie das möchte.", erklärte er mir. "Ich denke das möchte sie, ansonsten hätte sie die Schwangerschaft verheimlichen können." Martin nickte nachdenklich.
"Und wir können froh sein, das ich schon schwanger bin. Andernfalls wäre die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich es jetzt wäre, weil wir haben gestern bei unserem Ausrutscher nicht verhütet.", musste ich mit Schrecken feststellen, Martin dachte jedoch ich würde es lustig meinen. "Daran will ich gar nicht denken!" Er lachte und stand auf. "Ich fahre mal nach Hause.", teilte er mir mit und nachdem wir uns verabschiedet hatten ging er. Ich legte mich ins Bett und weinte mich schließlich in den Schlaf.
