Aber irgendwann war ich wohl doch einfach eingeschlafen, da ich am Morgen erwachte und die Nachttischlampe noch brannte. Außerdem lag mein Buch neben dem Bett auf dem Boden. Es war kurz nach sechs und wie erwartet lag Martin nicht neben mir. Er war auch nicht hier gewesen, seine Seite des Bettes war unberührt.
"Hab ich's doch gewusst!", murmelte ich und stand auf. Ich zog den Rollo hoch und öffnete das Fenster, um ein wenig frische Luft herein zu lassen. Dann schaute ich nach meiner Tochter und ging dann duschen. Martin war wirklich nicht nach Hause gekommen, ansonsten hätte ich ihn ja in der Wohnung irgendwo getroffen. Es war eben, wie ich es prophezeit hatte.
Frisch geduscht trank ich dann in Ruhe einen Kaffee und weckte dann Kira um sie zu versorgen. So vergingen zwei Stunden und auf einmal kam Martin nach Hause. "Guten Morgen.", sagte er total müde und setzte sich an den Tisch. "Es wird sicherlich nicht allzu lange dauern.", zitierte ich seinen Satz von gestern Abend. "Da hab ich mich total geirrt.", antwortete Martin und gähnte. "Wir mussten operieren und somit bin ich bis jetzt wach. Und jetzt bin ich nur her gekommen, damit ich mich kurz frisch machen und dann gleich in die Praxis daher kann.", erklärte er mir.
"Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich so in die Praxis fahren lasse.", antwortete ich bestimmt. "Ich kann Roman nicht schon wieder einspannen.", entgegnete er. Ich stand auf und holte für ihn eine Tasse.
"Ich übernehme für dich.", sagte ich und schenkte ihm einen Kaffee ein, den ich ihm hinstellte. "Das musst du nicht, ich schaff das.", wollte er mir weiß machen. "Ich bin deine Partnerin, Martin. Und du schläfst mir hier fast schon am Tisch ein, das kann ich nicht verantworten. Ich fahre mit Kira in die Praxis und übernehme deine Patienten und du legst dich hin. Und wenn ich Kahnweiler das nächste Mal erwische, dann kann er was erleben!"
Ob ich diese Drohung wirklich wahr machen würde oder nicht würde ich impulsiv entscheiden. Martin wollte zwar protestieren, aber gegen meine Argumente hatte er irgendwann nichts mehr gegen zu setzen. Und so fuhr ich mit Kira in die Praxis.
Fräulein Schneider und Roman waren schon da und natürlich erstaunt mich zu sehen. Aber ich erklärte ihnen die Situation und so würde ich also heute die Praxis alleine übernehmen. Roman war aber im Notfall ja auch da, sollte ich wie immer bei manchen Dingen Fragen haben. Man konnte eben nur lernen, wenn man nach fragte und dafür brauchte man Kollegen denen das nichts aus machte. Fräulein Schneider brachte mir die Akten die ich heute brauchen würde und außerdem einen frischen Kaffee, eine halbe Stunde später kam schon der erste Patient. Roman passte währenddessen wieder auf Kira auf, die Beiden verstanden sich mittlerweile super.
Heute waren einige Patienten eingeplant, auch mussten viele kurzfristig eingeschoben werden da sie dringend einen Termin brauchten. Aber erstaunlicherweise kam ich mit diesen Pensum sehr gut zurecht und es kam keinerlei Hektik auf. Eine Mittagspause gab es für mich heute nicht und deshalb war ich für jeden kurzen Leerlauf dankbar. Ich saß nun am Computer und erkundigte mich über medizinische Belange, als es klopfte.
"Herein.", rief ich ohne aufzublicken. "Frau Doktor, da ist jemand vom Klinikum Hall für sie am Telefon.", teilte Fräulein Schneider mir mit. "Doch nicht etwa Dr. Kahnweiler, oder?", fragte ich und spürte gleich ein wenig Wut aufkommen. "Nein, eine gewisse Frau Dr. Richter.", antwortete die Sprechstundenhilfe. 'Warum ruft Sarah hier in der Praxis an?', fragte ich mich. "Danke, Nicole. Stellen sie sie doch bitte durch." Die Frau nickte und ging nach draußen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte ich Sarah am Telefon. "Wieso rufst du hier in der Praxis an, woher weißt du überhaupt.."
Sie ließ mich meine Fragen nicht beenden. "Martin hat mir gesagt, dass du in der Praxis bist. Hab ihn ausversehen aufgeweckt, als ich bei euch Daheim angerufen hab. Das ist ja auch egal jetzt, ich muss dir was erzählen!" Sie klang ganz aufgeregt. "Ok, leg los.", sagte ich. "Aber bitte nicht zu lange, mein nächster Patient kommt gleich.", warnte ich sie im Vornherein, denn so viel Zeit hatte ich demnach nicht zum privaten Telefonieren.