Ich legte das Bild vor mich hin und greife nach meiner Tasse. Der Kaffee ist inzwischen ein wenig abgekühlt und hatte die perfekte Temperatur zum Trinken. Wenn Sarah aber nicht bald kam, würde sie ihren Kaffee komplett kalt trinken können. Und dann sollte sie sich bloß nicht aufregen, denn immerhin waren wir hier verabredet und es war ausgemacht das sie gleich nachdem sie ihren Patienten auf Station gebracht hatte in die Cafeteria kam.
Nur wahrscheinlich war wieder irgendwas dazwischen gekommen und ich bezweifelte langsam, dass wir heute überhaupt noch dazu kommen würden. Ich blickte mich im Saal um, beinahe jeder Tisch war von Krankenhauspersonal oder Patienten und deren Besuchern besetzt. Plötzlich trat der Chirurg von heute Morgen an meinen Tisch, der mit dem ich hatte operieren dürfen.
"Guten Tag, Frau Kollegin. Kleine Mittagspause?", fragte er mich. Ich nickte. "Ja, ich durfte gerade noch bei einer OP assistieren und brauche jetzt dringend eine kleine Auszeit. Und Sie?" Er antwortete, dass auch er nun Mittagspause machen würde. "Wollen Sie sich nicht mit zu uns setzen? Sie sitzen hier so alleine herum." Das Angebot überraschte mich und wäre Sarah jetzt nicht aufgetaucht, hätte ich wirklich zugesagt.
"Meine Freundin und ich haben jetzt etwas zu besprechen, ansonsten hätte ich mich wirklich gerne zu Ihnen gesetzt." Ich wusste, dass er gemeinsam mit den Oberärzten und anderen Chirurgen am Tisch saß. "Das Angebot steht jederzeit.", erwiderte er und ging davon. Ich hatte gesehen, dass Sarah einen Umschlag in der Hand hielt und auf mich zu kam. Das waren bestimmt die Blutergebnisse. "Sorry, hat wieder etwas länger gedauert und außerdem hab ich noch deine Ergebnisse abgeholt." Sarah setzte sich. "Okay.. mach du sie auf.", bat ich sie und sie nickte.
Langsam öffnete sie den Umschlag und holte die Dokumente heraus, die sie zu lesen begann. "Da hat Martin wohl einen Volltreffer gelandet, Glückwunsch Gem.", sagte sie grinsend und ich spürte wie mit die Gesichtszüge entglitten. "Der is positiv?", fragte ich ungläubig und sie brach in Gelächter aus. Irgendetwas konnte an ihrer Mitteilung also nicht ganz stimmen, es wirkte eher als würde sie sich über mich lustig machen.
Also beugte ich mich kurzerhand über den Tisch, um ihr das Schriftstück weg zu nehmen. Sarah lachte nur noch lauter, was zwangsläufig die Aufmerksamkeit einiger Personen auf uns lenkte. Das war mir jedoch gerade herzlich egal.
Schnell überflog ich die Worte und Daten, meine Vermutung war richtig. Sarah hatte mich veräppelt, es lag keine Schwangerschaft bei mir vor. Und auch wenn ich mir vorher gesagt hatte, dass Martin und ich das irgendwie schaffen würden, war ich nun noch ein wenig erleichtert nicht schon ein weiteres Kind zu erwarten. Obwohl ich andererseits auch ein kleines bisschen enttäuscht war. Ich wusste selbst nicht was mit mir los war. Ich hatte unbedingt noch mit einem gemeinsamen Baby warten wollen und jetzt war ein winziger Teil von mir enttäuscht über das negative Testergebnis.
Jedoch musste ich nun erstmal Sarah zusammen stauchen. "Geht's eigentlich noch?!", fragte ich sie mit wütendem Unterton. "Was denn?", fragte sie unschuldig und lachte weiter. "Ok, ok, nicht witzig!", ermahnte sie sich selbst, nachdem sie merkte das ich es zunächst nicht zum lachen fand. Sarah schaffte es immerhin zwei Sekunden, bevor sie wieder zu lachen begann. "Du hättest dein Gesicht sehen sollen, Gem!"
Sie amüsierte sich offenbar prächtig. "So richtig entsetzt, entschuldige ich konnte einfach nicht anders!" Ich stellte mir nun selbst vor, wie ich geguckt haben musste und musste ebenfalls anfangen zu grinsen. "Du bist blöd!", sagte ich und nahm die Serviette. Diese knüllte ich zusammen und warf das entstandene Bällchen nach ihr. Dieses landete aber nur wenige Zentimeter vor mir auf der Tischplatte und Sarah hatte erneut einen Grund zu lachen.
"Als nächstes fliegt die Tasse!", drohte ich ihr an, musste allerdings nun einfach mit lachen. "Wäre doch viel zu schade um den Kaffee.", gab Sarah mir zu bedenken und griff nach ihrer eigenen Tasse. Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, verzog sie angewidert das Gesicht. "Pfui, der ist ja schon wieder viel zu kalt!", beschwerte sie sich. "Kleine Sünden bestraft der Herrgott gleich.", meinte ich zufrieden und leerte meine eigene Tasse.
