Umgezogen und fertig für die nicht eingeplanten Schicht stand ich nun im Foyer. Sarah ließ auf sich warten und ich beobachtete die Leute, die hier herum liefen. Insgeheim hielt ich auch Ausschau nach Martin damit ich, sobald ich ihn sah, die Flucht ergreifen konnte.
"Sorry, hat etwas gedauert." Plötzlich stand Sarah einfach da und ich erschrak. "Sag mal spinnst du?!", fragte ich sie. "Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt!" Aber das war bei ihr ja nichts Neues. "Wo hast du deine Anfänger gelassen?", wollte ich wissen, da es mich wunderte das sie allein war. "Auf die Stationen verteilt und da sollen die jetzt Anfängerarbeit verrichten bis zum Feierabend. Ey, die regen mich was auf!", ließ Sarah sich nun aus. "Ich will in den OP, wann dürfen wir endlich in den OP, bla bla bla.", ahmte sie ihre Schützlinge. "Boah, die machen mich noch wahnsinnig! Wir waren doch auch nicht so!" Ich zuckte mit den Schultern. "Das können uns nur unsere Anleiter von damals sagen. Mit Operationen war's bei mit eh nicht so tragisch. Aber ja, viele führen sich in ihrem ersten Jahr auf wie Kleinkinder die sich um ein Spielzeug streiten."
Sarah lachte über diesen Vergleich. "Wenn ich dran denke das ich eigentlich auch unter denen wäre.. Puh, ne Danke. Wenn die wirklich alle so schlimm sind, bin ich lieber weiterhin Allgemeinmedizinerin und bin froh auf eine weitere Weiterbildung verzichtet zu haben.", meinte ich. "Achso, stimmt ja. Du wolltest ja erst umschulen. Wäre eigentlich ja cool gewesen, du unter dem ganzen Haufen.", antwortete Sarah grinsend. "Genau und du meine 'Chefin', das wäre was geworden. Vielleicht hätten wir uns so nie so richtig kennengelernt.", gab ich ihr zu bedenken. "Stimmt auch wieder. Aber hast du eigentlich noch vor in die Chirurgie zu wechseln oder ist das endgültig abgehackt?", fragte Sarah interessiert. "Ich glaube nicht, dass ich mit Kind die fünfjährige Ausbildung packe. Seien wir mal realistisch. Ich bilde mich wie geplant in meinem Fachgebiet weiter und.."
Die Stimme eines Mannes unterbrach uns. "Meine verehrte Kollegin, wie gut das ich sie hier treffe." Damit meinte er Sarah und ich wusste, dass sie diesen Arzt genauso wenig leiden konnte wie ich. "Der hat mir grade noch gefehlt!", murmelte Sarah genervt und wir drehten uns um. "Herr Dr. Lembke.", begrüßte sie ihn mit gespielter Begeisterung. "Frau Dr. Richter.", entgegnete er und schaute dann zu mir. "Und ihren Namen vergesse ich immer, ähm.."
Von Anfang an stand ich mit diesem Chirurgen auf Kriegsfuß. Er hielt von Allgemeinmedizinern wie mir nicht viel und machte daraus keinen Hehl. Zudem war ich noch eine Frau, was für ihn zusätzlich ein Dorn im Auge war. Frauen in der Medizin waren für ihn nicht zu gebrauchen. "Morrow.", erinnerte ich ihn dann. "Ahja, die Frau Dr. Morrow." Man erkannte an seinem Blick, wie wenig er mich leiden konnte und das er sich für etwas besseres hielt. Glücklicherweise hielt ich von solchen Menschen nicht viel und es ging mir sonst wo vorbei.
"Wie auch immer, ich habe nach ihnen gesucht.", wandte er sich wieder an meine Freundin. "Dr. Kahnweiler verlangt sie im OP zu sehen, umgehend." Da er OP-Kleidung trug kam er wohl von dort. "Ich komme sofort.", antwortete Sarah. "Am besten kommen sie gleich mit, nicht das man sie noch aufhält." Dieses ekelhafte Grinsen im Gesicht des Arztes konnte ich nicht ausstehen, vor allem da es offensichtlich war das er Sarah am liebsten angesprungen hätte. Solche Typen ekelten mich einfach nur an und Sarah ging es vermutlich genauso.
"Ich sagte ich komme sofort, sie können gerne schon vorausgehen.", stellte sie klar. "Wie sie wollen. Ach, übrigens.." Der Arzt wandte sich nochmals um. "Ihr Freund, der Dr. Gruber, ist auch bei Dr. Kahnweiler im OP. Wundert mich das er trotzdem Dr. Richter wollte und nicht sie." Ich ließ das einfach an mit abprallen, was blieb mir auch anderes übrig.
"So ein Idiot!", sagte Sarah sofort, als unser Kollege außer Sichtweite war. "Einer der größten Idioten, die hier herum laufen. Aber du solltest Martin und Alexander nicht warten lassen.", meinte ich dann. "Ich geh auch gleich. Und solange der Martin im OP steht, kannst du ihn wenigstens nicht über den Weg laufen. Bis später."