Kapitel 60

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Warm eingepackt verfrachtete ich sie eine dreiviertel Stunde später ins Auto und stieg dann selbst ein. Es schneite leicht, aber wenigstens war um diese Uhrzeit kaum etwas auf den Straßen los. Alle waren bereits auf der Arbeit und so kam ich relativ schnell bei der Praxis an. Kaum hatte ich diese betreten, fiel mir sofort die fremde Frau auf, die an Frau Schneiders Schreibtisch saß. Roman unterhielt sich gerade mit ihr und als sie mich sah, stand sie sofort auf.
"Sie sind dann wohl die Frau Doktor!" Sie war jung, hatte braunes Haar und trug einen unserer weißen Kittel. Ich vermutete zwar das sie demnach hier arbeiten musste, aber ich hatte sie noch nie zuvor gesehen. "Kommt drauf an welche Frau Doktor sie meinen.", antwortete ich etwas überrumpelt. "Die Frau Doktor Gruber natürlich, die Frau vom Herrn Doktor Gruber. Das sind sie doch, oder nicht?"
Ich blickte an ihr vorbei zu Roman, der sichtlich peinlich berührt war. "Nein. Mir gehört zwar ein Teil der Praxis, aber mein Name ist nicht Gruber."
Nun mischte sich Roman in das Gespräch mit ein. "Und das hab ich ihr auch erklärt, aber irgendwie scheint das wohl untergegangen zu sein. Fräulein Schneider, das ist Frau Dr. Gemma Morrow.", stellte er die Sache richtig. "Oh.. da hab ich wohl was verwechselt.", meinte die junge Frau und kicherte. "Anscheinend. Aber wer sind sie, wenn ich fragen darf?"
Was ich davon gerade halten sollte war mir mehr als schleierhaft. "Klar, sollte mich vielleicht auch mal vorstellen. Nicole Schneider, ich bin ihre neue Sprechstundenhilfe. Meine Tante hat mir den Job besorgt." Ihre Tante war dann wohl Monika Schneider, unsere eigentliche Sprechstundenhilfe. "Ihre Tante Monika Schneider.", schlussfolgerte ich und sie nickte. "Moment.. ich komm gerade nicht so ganz mit. Wo ist denn unsere Frau Schneider dann abgeblieben?"
Ich war selten verwirrt, aber in diesem Augenblick war ich es mal total. "Auf Kur.", antwortete Nicole, als wäre es selbstverständlich. "Ich dachte eigentlich Martin hätte dir alles erzählt.", wandte nun Roman ein und genau jetzt kam Martin aus dem Behandlungsraum. Er blieb stehen, da wir ihn alle sofort anschauten. "Nein, ich weiß von nichts.", sagte ich wenig begeistert. "Ich hab gewusst, ich hab irgendwas vergessen!", murmelte Martin. "Wir zwei sollten mal reden.", sagte ich bestimmt und ging in das Behandlungszimmer. "Rein hier!"
Martin folgte der Anweisung ohne Protest. Da ich noch vollkommen bepackt war, stellte ich den Maxi-Cosi erstmal auf der Liege ab und legte meine Tasche daneben. Dann zog ich erstmal meine Jacke aus und meinen Kittel an, der am Garderobenständer hing. "Was soll das?", fragte ich Martin und ging wieder zu Kira, um sie aus ihrer Trage zu befreien. "Das mit Fräulein Schneider? Nun ja.. ich hätte dir das schon gesagt.", antwortete Martin. "Und wann? Martin, ich hab dir am Anfang die Sachen mitgeteilt die wichtig für mich sind. Ansonsten hätte ich dieser Zusammenarbeit niemals zugestimmt.", erinnerte ich ihn an unsere Abmachungen. "Und da hab ich dir klar gemacht, dass ich über alle Veränderungen vorher Bescheid wissen möchte." Was hier nicht berücksichtigt wurde, denn ansonsten hätte mich diese Frau nicht so überrascht.
"Ich wurde selbst vor vollendete Tatsachen gestellt. Vorgestern stand sie plötzlich da und meinte sie würde ab jetzt den Job ihrer Tante übernehmen, weil sie auf Kur gegangen ist und auch danach wahrscheinlich nicht mehr wieder kommt.", erklärte er mir. "So kann das aber nicht laufen!", stellte ich klar. "Weist du überhaupt, ob sie eine Ausbildung hat? Oder weißt du eigentlich irgendwas über sie? Da muss man sich doch informieren, bevor man einfach jemanden einstellt!", wetterte ich weiter, aber bloß nicht zu laut. Schließlich konnten die zwei vor der Tür problemlos mithören, sobald man nur etwas lauter sprach. "Ich werde mich noch schlau machen. Und ich bin auch skeptisch, sehr sogar. Aber Roman denkt sie kann das und bevor wir ewig nach einer neuen Sprechstundenhilfe suchen, haben wir beschlossen ihr eine Chance zu geben."
Ich konnte mir ein spöttisches Lachen nicht verkneifen. "Richtig. Ihr habt das beschlossen, du und Roman. Deshalb werde ich mich da auch vollkommen raus halten und euch euer Ding machen lassen. Sollte es Probleme mit ihr geben, werde ich mich nicht darum kümmern." Wenn sie das über meinen Kopf hinweg entscheiden konnten, konnten sie ruhig die Verantwortung übernehmen.
"Jetzt sei bitte nicht sauer.", sagte Martin. "Ich bin doch nicht sauer, wie kommst du bloß darauf?" Mehr Ironie konnte man wohl kaum in einen Satz packen als ich jetzt gerade. "Es ist doch richtig toll, wenn etwas einfach so ohne einen entschieden wird, obwohl am Anfang gesagt wurde das man alles miteinander abspricht." Er sollte merken, dass ich das nicht mit mir machen ließ. Das wir nun so etwas wie eine Beziehung führten, war bei geschäftlichen Belangen vorerst nebensächlich. "Ich hätte das doch noch mit dir abgesprochen. Aber wir waren schließlich mit wichtigerem beschäftigt.", versuchte Martin mich nun zu beschwichtigen. "Mag ja sein, aber.." Er fiel mir einfach ins Wort. "Es gibt kein 'aber', Gem. Diesmal ausnahmsweise nicht, verstehst du?"
Inzwischen stand er vor mir und ich versuchte standhaft zu bleiben, was mir aber kaum gelang. Ich drehte den Kopf zur Seite, denn ansonsten hätte ich ihn womöglich geküsst und das wollte ich jetzt nicht. Jedoch interessierte ihn das herzlich wenig, denn er legte einfach seine Hand an meine Wange und zwang mich so wieder aufzublicken.
"Es hat was niedliches, wenn du eifersüchtig bist.", stellte er belustigt fest. "Und behaupte jetzt bitte nicht, dass es nur daran liegt das ich es nicht früher mit dir besprochen habe."
Nun da er diese Möglichkeit aufzeigte merkte ich, dass da etwas wahres dran war. An Frau Schneider war er nie interessiert gewesen, aber bei ihrer Nichte konnte das schon anders aussehen. Schließlich war sie jung und wirkte auf mich wie der reinste Männermagnet.
"Du hattest schon so viele Frauen vor mir, Martin. Warum sollte sich daran jetzt etwas ändern?" Martin lächelte verständnisvoll, er schien mich zu verstehen. "Vorher war keine wie du, da liegt der große Unterschied." Er beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Also keine Angst, es gibt keinerlei Konkurrenz. Ich hab jetzt so lange gewartet, dich geb ich nicht mehr her."
Und schon war die Wut wieder verflogen. "Ich dich auch nicht.", antwortete ich und berührte seine Stirn mit meiner.
Gerade als wir uns dann küssen wollten, klopfte es an der Tür und schnell entfernten wir uns voneinander bevor sie geöffnet wurde. "Der nächste Patient ist da.", teilte Roman uns mit. "In Ordnung, du kannst ihn rein schicken.", antwortete Martin und ich verstand, dass er diesen Patienten selbst übernehmen würde. "Wir reden später.", flüsterte er mir zu, als ich an ihm vorbei gehen wollte. An seinem Unterton erkannte ich, dass er mehr als nur reden im Sinn hatte und ich musste grinsen. "Können wir gerne machen." Da nun der Patient herein kam, verließ ich mit Kira den Raum und gesellte mich zu den beiden anderen. Ich würde Nicole, oder Fräulein Schneider wie Martin und Roman sie nannten, mal die Möglichkeit geben mir zu zeigen ob sie wirklich in diese Praxis passte. Überstimmt war ich so oder so, egal ob wir es ausführlich besprochen hatten oder nicht.
"Und Gemma, wie geht's dir nach deinem mörderischen Migräneanfall?", erkundigte sich Roman. "Wieder viel besser, bin froh das es vorbei ist.", flunkerte ich. "Glaub ich dir, das ist doch bestimmt die reinste Folter. Man kann nur im Bett liegen und nichts machen. Wie hast du das mit Kira geregelt?" Nun musste ich mir blitzschnell etwas einfallen lassen.
"Eine Nachbarin war so nett und hat mich ein wenig unterstützt. Aber im Bett liegen und sich ausruhen ist mit einem Baby schlichtweg unmöglich, egal was man hat." Roman nickte. "Du hast es gesundheitlich wirklich nicht einfach. Und dann kommt die Migräne ausgerechnet dann dazwischen, wenn man eigentlich Pläne hatte."
Wieder so eine Anspielung, die unmissverständlich war. "Mhh, sehr bedauerlich.", erwiderte ich geistesabwesend, da ich mich lieber auf meine Tochter konzentrierte. "Magst auch 'nen Kaffee?", wollte Roman dann wissen und ich nickte. "Wenn du mich schon so fragst, gerne." Mich würde interessieren wie viel Roman bereits ahnte, aber ihn direkt darauf anzusprechen käme ja ziemlich blöd.
Der Tag zog sich dann auch noch ewig hin und mir fiel es wie erwartet schwer Martin nur als einen Kollegen zu behandeln. Ihm ging es genauso und wir nutzen jede ungestörte Sekunde aus, die wir kriegen konnten. In der kleinen Praxis, in dem reger Patientenverkehr herrschte und dauerhaft noch zwei weitere Personen anwesend waren, waren solche Momente jedoch schwierig zu bekommen.
Und drei Wochen später hatte sich an unserer Situation noch nichts geändert. Martin und ich waren glücklich miteinander, sogar sehr, nur zeigten wir es der Öffentlichkeit nicht. Er ließ sich alle möglichen Geschichten einfallen, nur um mal eine Nacht bei mir und Kira verbringen zu können. Einerseits sprach nichts dagegen, nur hasste ich den Gedanken das er seine Familie wegen mit hinterging. Aber da Hans mich trotz meiner resignierten Art regelmäßig nach einem erneuten Treffen fragte, schien er sich offenbar auch jetzt noch für mich zu interessieren.
Anfangs hatte ich geglaubt es wäre nur eine Schwärmerei, aber weit gefehlt, denn ansonsten hätte er bestimmt schon längst aufgegeben. Dennoch musste ich mich normal verhalten und Martin sich ebenso, wenn wir nicht auffliegen wollten.
Deshalb saß ich gerade auch bei den Grubers in der Küche, da Lisbeth mich zum Essen eingeladen hatte. Hans versuchte ununterbrochen mit mir ein Gespräch anzufangen, besser gesagt versuchte er mit mir zu flirten. Immer wieder schielte ich unauffällig hinüber zu Martin, der neben mir saß und merkte das ihm das überhaupt nicht passte. Es machte auf mich den Anschein, dass er am liebsten aufspringen und Hans über den Tisch ziehen wollte. Wenn das passieren würde, wäre unsere doch durchaus gut gespielte Tarnung dahin.
"Arbeitest du jetzt eigentlich schon wieder im Krankenhaus?", fragte Lisbeth mich. "Ja, seit letzter Woche. Sie mussten mich etwas früher zurück holen, weil es viele Ausfälle zu kompensieren gibt. Eigentlich waren ja zwei Tage die Woche ausgemacht, aber vorerst bin ich den Vormittag über in der Klinik und wechsle dann so gegen Mittag in die Praxis.", erzählte ich ihr. "Das ist bestimmt anstrengend.", wandte Hans ein. "Ziemlich, aber es ist auszuhalten." Sobald sich das im Klinikum wieder normalisiert hatte, würde ich auch nur die geplanten zwei Tage dort arbeiten.
"Und wo ist Kira in der Zeit?", erkundigte sich Lisbeth weiter. "Im Krankenhaus gibt es eine Kinderbetreuung, dort hat man mir schon einen Platz zugesagt gehabt." Wie auf Kommando musste ich nun erstmal nach meiner Tochter sehen, die friedlich in ihrem Maxi-Cosi, der neben mir auf einem separaten Stuhl stand schlief.
"Kinderbetreuung? Also ich finde das sie noch ein bisschen zu klein dafür ist.", meinte Hans. "Ich war vorher auch skeptisch, aber es gibt sogar ein Kind das noch jünger ist. Man kann mich außerdem jederzeit im Haus erreichen, falls sie gestillt werden muss oder sie anderweitig etwas braucht." Bis jetzt war ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.
"Finde es trotzdem nicht wirklich vorteilhaft." Hans blieb bei seiner Meinung und nun reichte es Martin. "Gemma würde ihre Tochter wohl kaum in fremde Hände geben, wenn sie sich nicht sicher wäre das dort alles passt!", ging er seinen Bruder lautstark an. "Ich räume mal den Tisch ab. Lilli, du hilfst mir bitte.", entfloh Lisbeth sofort der Situation und stand auf, um die ersten Töpfe abzuräumen. Lilli half ihr wie befohlen und auch ich wäre aufgestanden, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte das sich die zwei Männer jeden Augenblick an die Gurgel gehen konnten.
"Was hast du denn jetzt für ein Problem?", entgegnete Hans genauso aufgebracht. "Ich hab kein Problem, nur deine ach so schlauen Kommentare kotzen mich an! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man besser.."
In diesem Moment wurden sie von Kira unterbrochen, die herzzerreißend zu Schreien anfing. "Das haben die Herren ja toll hin bekommen, Bravo bellissima!" Die zwei wagten nun erstmal nicht mehr den Mund zu öffnen und auch Lilli und Lisbeth waren wie erstarrt. Ich nahm Kira sofort an mich und versuchte sie zu beruhigen, doch sie plärrte weiter.
"Hast ja ganz toll hinkriegt, Martin!", blaffte Hans, der sichtlich verunsichert war und bevor Martin noch etwas antworten könnte stürmte sein Bruder hinaus. Lisbeth seufzte und folgte ihrem Sohn. "Ich geh dann mal hoch.", sagte Lilli schnell und verschwand ebenfalls.
"Musste das sein?" Nun da wir alleine waren, konnte ich Martin zur Rede stellen. "Er hat's drauf angelegt, schon die ganze Zeit über!", verteidigte er sich. Ich antwortete nicht und kümmerte mich lieber um Kira, die allmählich wieder runter kam. "Gem, ich..", setzte Martin an, konnte aber nicht aussprechen. "Wir müssen los!" Hans stand plötzlich wieder in der Küche und warf sich gerade seine Jacke von der Bergrettung über. Sie mussten also einen Einsatz haben.
Aber da ich mich nicht angesprochen fühlte, blieb ich sitzen. Einmal war ich bis jetzt dabei gewesen und das war nur bei Kletterübungen,  da man mich bis jetzt noch nicht gebraucht hatte. "Gemma, wir haben's eilig!", meinte Hans dann aber. "Wie jetzt?", fragten Martin und ich im Chor. "Einer von uns ist krank, du kommst also mit!"
Daraufhin rannte er nach draußen und ich sprang sofort von meinem Stuhl auf. Kira drückte ich einfach Lisbeth in die Arme, die gerade herein kam. "Pass bitte auf sie auf!", bat ich sie schnell und ließ sie einfach total perplex stehen. "Wie? Kommt Gemma etwa mit?", hörte ich sie Martin fragen. "Schaut so aus.", erwiderte er und klang genauso angespannt wie seine Mutter. "Hab ein Auge auf sie, ja? Kommt mir bloß heile wieder." Lisbeth machte sich große Sorgen. "Versprochen, Mama.", sagte Martin und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Draußen war Hans schon im Auto und zum Aufbruch bereit. "Du hast ja überhaupt keine Einsatzkleidung dabei!", fiel Martin plötzlich auf, aber da lief ich schon auf meinen Wagen zu. Aus dem Kofferraum holte ich schnell die Jacke, die man mir mittlerweile ausgehändigt hatte. "Allzeit bereit!" Martin lachte und wir stiegen ebenfalls ins Auto ein, Hans trat sofort aufs Gaspedal. "Eine Familie wurde bei einer Wanderung von einem Unwetter überrascht.", erzählte Hans uns.
Unser erstes Ziel war der Stützpunkt der Bergrettung und von dort aus ging es in Windeseile hinauf in die Berge. Zu dritt in ein Auto gepfercht fuhren Hans, Martin und ich voraus.
"Ich möchte, dass du dich etwas im Hintergrund hälst. Das ist schließlich dein erster, richtiger Einsatz.", sagte Martin leise, sodass Hans uns nicht verstehen konnte, der gerade mit seinen Kollegen über Funk sprach. Ich nickte nur und er nahm unauffällig meine Hand, um sie kurz aufmunternd zu drücken. Ich lächelte und hätte ihm gerne einen Kuss gegeben, aber unter diesen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit.
Und als Hans auf einmal wieder mit uns zu reden anfing, ließen wir uns sofort los. "So ein Sauwetter! Wenn der Regen den Boden noch mehr aufweicht, müssen wir zu Fuß hoch.", offenbarte er uns. "Und wenn du weiterhin so fährst muss ich reihern!", entfuhr es Martin genervt. "Entschuldige, dass die Wege hier so holprig sind! Wenn's dir nicht passt, dann steig halt aus!"
Die beiden Brüder gerieten erneut in eine lautstarke Diskussion und jetzt reichte es mir auch mal. "Wenn ihr zwei jetzt nicht aufhört zu streiten, wisst ihr was ich dann mache? Ich steig aus, dann könnt ihr euch weiterhin nach Lust und Laune anschreien! Dafür musst du nicht mal anhalten, wäre nicht das erste Mal das ich aus einem fahrenden Wagen springe!"
Augenblicklich wurde es still. "Geht doch.", sagte ich zufrieden und schaute wieder zum Fenster hinaus. Endlich herrschte Ruhe, wobei ich glaubte das diese nicht lange anhalten würde. Doch dann würde ich sie wieder zurecht weißen, da sie sich wirklich aufführten wie Kleinkinder.
Die Sicht wurde inzwischen nicht mehr von Bäumen versperrt und ich hielt Ausschau nach der Familie, nach der wir suchten. Auf einem Hügel entdeckte ich schließlich einen Unterstand und konnte trotz der schlechten  Sicht durch den starken Regen drei Personen ausmachen, die sich darunter vor dem Unwetter ein wenig in Sicherheit gebracht hatten.
"Da oben sind sie!", teilte ich meinen Mitfahrern sofort mit. "Du hast recht.", stimmte Hans mir zu und hielt wenige Meter weiter an. Wir stiegen aus, Martin und Hans rannten mit einem Kollegen hinauf zu der kleinen Familie. Ich blieb erstmal mit zwei anderen zurück, denn alle mussten wir nicht dort hinauf um sie zu holen. Der Regen hatte mich innerhalb von Sekunden durchnässt und durch den Wind wurde die Kapuze immer wieder von meinem Kopf geweht.
"Kommen sie schnell, rein ins Auto!", kommandierte Hans die zwei Erwachsenen. Martin trug einen Jungen auf dem Arm, der ziemlich aufgelöst aussah. "Mein Rucksack!", rief er und die Mutter reagierte sofort. "Ich hol ihn!", meinte sie und rannte wieder Richtung Unterstand. "Nein, bleiben sie hier!", befahl Martin ihr. Dann ließ er den Jungen runter und folgte der Frau, da sie nicht hörte.
"Martin, komm zurück!", riefen Hans und ich gleichzeitig.
Genau in diesem Augenblick schlug ein Blitz ein und die Frau, aber auch Martin, fielen zu Boden.
Wir anderen gingen reflexartig in Deckung.

Die BergdoktorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt