Ich merkte wie jemand mir über den Arm strich. "Gem, aufwachen." Es war Martin, der da sprach. Aber ich fühlte mich noch so müde, dass ich die Augen nicht aufmachen wollte.
"Aufwachen, du hast Besuch. Schau mal, wer hier ist." Plötzlich vernahm ich noch etwas anderes, ein leises Wimmern. Dieses Wimmern war mir nur zu gut bekannt. Auch merkte ich das sich etwas neben mir bewegte, jemand mit seiner kleinen Hand meinen Arm berührte. Nun musste ich einfach die Augen öffnen um zu sehen, wer es war, ob es wirklich meine Kleine war die da bei mir saß.
"Kira.", brachte ich schwach hervor und schaute meiner Tochter an, die neben mir im Bett saß und mich ansah. "Ihr habt sie her gebracht, Danke!" Martin lächelte leicht. "Gern.", sagte er nur und ich wandte mich wieder meiner Tochter zu.
"Hallo, Kleines.", flüsterte ich mit Tränen in den Augen. Kira saß da, mit ihrem Schnuller im Mund und ich nahm ihre winzige Hand. "Du wirst es gut haben.", flüsterte ich. "Ich weiß, dass dein Papa auf dich aufpassen wird.. ich weiß es!" Es tat gut, Martin als den Vater von ihr zu bezeichnen. So musste ich nicht an Stefan denken, an ihren biologischen Vater. Aber ihr Papa war für mich nun mal Martin, deshalb sollte er sich in Zukunft auch um sie kümmern, wenn ich es nicht mehr konnte.
"Gem, hör auf so einen Blödsinn zu reden.", sagte Martin gleich. "Ich werde mich nicht um sie kümmern müssen, weil du das tun wirst! Wir tun das zusammen, verstanden?! Und das werden wir auch bei ihren Geschwistern tun, wir werden sie zusammen aufwachsen sehen und werden irgendwann unseren Enkelkindern beim Spielen im Garten zu sehen! Wir werden zusammen alt werden, hörst du? Du wirst mich jetzt nicht alleine lassen, du wirst uns jetzt nicht alleine lassen!"
Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme, aber gleichzeitig auch wie mich meine Kräfte langsam endgültig verließen.
"Ich wollte.. sie noch einmal sehen und das.. hab ich geschafft. Und du musst loslassen.", sagte ich ruhig, aber dennoch liefen mir Tränen über die Wangen. "Ich schaff es nicht.. länger dagegen anzukämpfen.. ich schaff es nicht!" Was ich da sagte konnte ich selbst kaum glauben, aber es war das was in mir vor ging.
"Doch, du schaffst das!", antwortete Martin aufgelöst. "Du wirst es schaffen, versuch es, ich bitte dich!" Er nahm meine Hand und drückte sie. "Ich hab's.. versucht.", flüsterte ich. "Aber ich kann nicht mehr!", schluchzte ich.
"Du musst mir versprechen, dass.. dass du auf sie aufpasst, Martin! Sei ihr ein guter Papa, versprich es!" Ich wollte es unbedingt hören. "Versprich es!" Aber er schüttelte heftig den Kopf. "Nein, weil ich dich nicht gehen lasse! Nicht so!", stellte er unter Tränen klar. "Ich brauche dich, die Kleine braucht dich, ohne dich schaffe ich es nicht weiterzumachen und das will ich auch nicht!" Die Andeutungen waren mehr als nur klar formuliert.
"Du hast es früher auch ohne mich.. geschafft. Und du hast noch so viel zu geben, du wirst eine neue Frau finden, mit der du eine Familie gründen und glücklich werden kannst. Du wirst Kira ein guter Vater sein.. so wie du es für Lilli bist, du hast mir bewiesen das du es kannst!"
Wir sahen uns in die Augen. "Nein, nein, nein!" Martin sprang von seinem Stuhl auf und schleuderte ihn in eine Ecke des Zimmers. "Martin, bitte!" Ich wollte nicht das die Nerven mit ihm durch gingen. "Lass uns nicht so.. auseinander gehen.", bat ich ihn. "Komm her." Ich streckte die Hand nach ihm aus, wenigstens so viel Kraft hatte ich noch. Kurz zögerte er, aber dann kam er wieder zu mir und ergriff sie.
"Versprich mir das um was ich dich gebeten habe.. Bitte!", flehte ich ihn an. "Versprich es!" Dann endlich nickte er. "Okay, ich verspreche es! Ich verspreche es dir!"
Ich nahm nochmal all meine Kraft zusammen und legte ihm die Hand in den Nacken um ihn für einen Kuss an mich zu ziehen. Als wir uns voneinander lösten legte ich ihm die Hand an die Wange und strich mit dem Daumen sanft seine Tränen weg. "Nicht.. weinen.", flüsterte ich und lächelte schwach. "Werde glücklich, aber .. vergiss.. mich nicht." Wir schauten uns abermals in die Augen.
"Du bist das Beste... was mir passieren konnte, Doktor Martin Gruber.", gestand ich ihm.
Ich.. liebe.. dich!", brachte ich noch mühevoll hervor. Das Piepen des EKGs wurde stetig langsamer. "Es tut mir..so.. leid!"
Das waren meine letzten Worte, ehe das Bild vor meinen Augen verschwamm und die Dunkelheit mich komplett einhüllte.