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"Müssen wir wirklich schon zurück?", frage ich müde. "Ja.", antwortet Levi und zieht mich an beiden Händen hoch, so dass ich stehe.
Die Sonne ist schon fast komplett untergegangen und der ganze Himmel ist rot und orange am leuchten.
Eigentlich gebe ich Levi recht damit, dass wir zurück müssen, schließlich beginnt die Expedition morgen früh und es ist wirklich kalt hier.

"Na gut, du hast ja recht.", murmele ich und falte die Decke zusammen. "Wie war das?", fragt Levi mit hochgezogenen Augenbrauen und sieht mich ungläubig an, auf Grund dessen, was ich gesagt habe. "Pff, das hast du schon verstanden.", sage ich und gucke etwas grimmig. Ich mag es wirklich nicht, wenn man mich neckt und er nutzt es einfach aus. Auch, wenn ich ihm nicht oft Recht gebe und eine Zustimmung von mir gebe, die in diesem Fall eine Ausnahme war, ist es etwas ganz neues für Leute und schockt sie, wenn ich ihnen ohne weiteres zustimme. Wirklich nervig.

Es ist schon wirklich dämmrig, weshalb man nur grobe Umrisse erkennen kann. "Tch, ich hätte eine Leuchte mitbringen sollen.", murmelt der Schwarzhaarige und räumt die restlichen Sachen in den Korb. Oben drauf lege ich dann die Decke.
"Hast du Angst im Dunkeln?", fragt er dann noch und nimmt meine Hand in seine. Seine Stimme klingt besorgt, so als ob er sich wegen einer Lampe Vorwürfe machen würde.

Ich und Angst im Dunkeln? Wie das?

Ich hatte schon im frühen Alter Schlafprobleme und bin dementsprechend ziemlich oft, ziemlich lange aufgeblieben, weil ich nicht schlafen konnte.
Ich weiß bis heute nicht, woran das liegt. Wahrscheinlich hat es mit Mamas Tod zu tun.
Eigentlich hängen alle meine negativen Eigenschaften, mit ihrem Tod zusammen. Es hat mich wirklich gekränkt.

Ich war dann immer wach und wenn ich dann mal eingeschlafen bin, habe ich häufig Albträume bekommen. Es waren Traüme, die sich unglaublich real angefühlt haben und mich wirklich mitgenommen haben. Meistens stand ich am Ende immer allein da. Vielleicht ist das ja auch eine, meiner wenigen Ängste.
Verlassen zu werden. Auch, wenn ich oft uninteressiert oder gelangweilt wirke, habe ich schon viele Menschen in mein Herz eingeschlossen. Ich kann einfach keine große Zuneigung zeigen.

Naja, eigentlich wollte ich nur damit sagen, dass ich an die Dunkelheit gewöhnt bin und sie keineswegs fürchte. Die Nacht beruhigt mich. Es ist still und das entspannt mich.

"Nein.", sage ich fast schon grinsend und gehe voraus, um aus der Höhle zu klettern. "Hast du Angst im Dunkeln?", frage ich und sehe über die Schulter zu dem Mann.
"Ich weiß nicht genau.", sagt er ruhig und guckt etwas verwirrt über seine eigene Aussage.
Er sieht mir wieder in die Augen und nimmt den Korb in die Hand, um danach hinter mir her zu gehen.

Er weiß es also nicht genau...
Seine ganze Kindheit und Jugend besteht aus nichts anderem als das Leben ohne jegliches Tageslicht. Er hat mir mal anvertraut, dass er sich nach so vielen Jahren im Untergrund, erst an das helle Sonnenlicht gewöhnen musste, als er an die Oberfläche kam.
Es ist da nur selbstverständlich, wenn man sich teils vor Dunkelheit fürchtet, weil man fast nur schlechte Erinnerungen damit verbinden kann.

Wenn ich aber so darüber nachdenke, ist es im Untergrund eigentlich am sichersten vor Titanen. Aber Sicherheit vor Titanen bringt nichts, wenn man Hunger fürchten muss.

Wir gehen zu unseren Pferden und setzen uns drauf. Levi befestigt den Korb mit den Sachen hinter seinem Sattel. Wir haben den Kuchen zur Hälfte gegessen und den Saft fast komplett ausgetrunken und ich muss schon sagen: Es war wirklich verdammt lecker. Ich hab wirklich nicht erwartet, dass Levi kochen kann. Aber es ist vorteilhaft, denn ich... kann nicht kochen. Jedenfalls habe ich es nie gelernt.

"Können wir los?", frage ich den Schwarzhaarigen, der über die Schulter zu mir sieht. Er beantwortet diese Frage mit einem Nicken.

Der Mond kommt langsam zum Vorschein und die Sonne verschwindet irgendwo hinter den Mauern. Ich würde so gern wissen, was sich hinter dem Ganzen verbirgt, ob es eventuell noch andere Menschen, außerhalb unseres Territoriums geben könnte. Uns mag zwar beigebracht werden, dass wir die einzigen Überlebenden sind, doch das glaube ich nicht. Genauso wie mein Vater. Es hat sogar das Leben meines Großvaters gekostet. Diese Bastarde von Millitärpolizisten wissen mehr als wir und wollen verhindern,  dass die Wahreit ans Licht kommt.

Egal welchen Fortschritt wir in der Aufklärungslegion vollbringen, behalten wir erstmals für uns oder geben es höchstens an Kommandant Pixis weiter. Sogar, wenn das verboten ist. Würden wir ihnen jede Entdeckung berichten, dann würden uns die Rechte daran entzogen werden und Zackley nimmt an, dass die Millitär Polizei sich darum kümmert. Am Arsch tun sie das. Die wissen ja nicht einmal, wie ein 15 Meter Titan aussieht und lachen uns aus, wenn wir von einer Expedition mit großer Reduzierung unserer Leute wiederkommen.

Deshalb wollten sie uns Eren auch schon so viele Male wegnehmen. Sie wissen einfach viel mehr als wir und haben Angst, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Das Selbe gilt für die Mauerpastore und das Königshaus.

"Woran denkst du?", fragt Levi, als wir über ein Feld mit hohem Gras reiten. Gedankenverloren schüttele ich meinen Kopf und sehe in seine Richtung. "Glaubst du, dass jemand in den Mauern die ganze Wahrheit über die Welt weiß?", frage ich komplett ernst gemeint.

"Da bin ich mir sicher. Du weißt doch, ich sollte das Dokument mit Informationen von Erwin stehlen und ihn anschließend umbringen. Die Regierung sieht deinen Vater als mögliche Gefahr, die die Wahrheit ans Licht bringen könnnte.", stimmt er mir komplett zu.

Es ist wirklich zum kotzen.

Es ist nach einer gewissen Zeit nun komplett dunkel geworden. Die einzigen Lichtquellen, die uns den Weg erhellen, sind der große Vollmond und die Sterne, die heute besonders klar sind.

Nach weiterer Zeit, kommen wir schließlich Zuhause an. Am Ende muss ich sagen, dass mir schon etwas kalt geworden ist, aber es spielt keine Rolle, denn wir sind ja jetzt da.

Wir führen die Pferde zum Stall und ich nehme den Sattel herunter, wobei Levi mir hilft. Er findet, dass der Sattel zu viel Gewicht hat und es mir schaden könnte. Das der Sattel schwer ist, will ich auch gar nicht abstreiten.

Levi lässt sein Pferd gesattelt, damit er es morgen nicht mehr tun muss. Es sind ja nur noch ein paar Stunden, bis zur Expedition.
Denn wie fast immer, reiten sie schon im Morgengrauen los.

Es werden nicht alle Soldaten im Aufklärungstrupp mitkommen. Es soll eine ähnliche Operation, wie beim letzten Mal werden, allerdings will mein Vater mit tieferen Zahlen die Tode einiger Menschen verschonen.

Man weiß nie, welche Überraschungen die Welt für uns übrig hat. So kann es sein, dass ein Titanenwandler -wie Annie Leonhardt- uns überfällt und uns versucht auszulöschen.

Die Verluste des letzten Mals, sind unverzeihlich.

Levi und ich gehen leise zu seinem Zimmer. Auf den Fluren hängen in zwei Meter Abständen brennende Fackeln an der Wand, so dass der Weg beleuchtet wird.
Angekommen, gehe ich als erstes in das Badezimmer, um mich bettfertig zu machen.

Im Schlafzimmer zurück, sehe ich Levi, der sich gerade in seine Schlafklamotten begeben hat und an mir vorbei ins Bad.
In der Zwischenzeit ziehe ich mir mein Nachthemd an und lege mich unter die große Decke auf dem Bett.
Nach kurzer Zeit, kommt dann auch Levi zurück und legt sich zu mir. Der angenehme Geruch von Seife steigt dabei in meine Nase.
Seinen Arm legt er, wie immer, um meinen Körper.

"Sorg dafür, dass du heil zurückkehrst.", sage ich ernst und drehe mich unter seinem Arm in die Richtung seines Gesichts, auch wenn ich weiß, dass er stark wie niemand anderes ist.
Er seufzt.
"Natürlich. Ich lasse dich doch kein uneheliches Kind zur Welt bringen.", sagt er und legt seine flache Hand an meinen Bauch.
Das... kam unerwartet.

"Du willst mich heiraten?", frage ich grinsend und überrascht und sehe ihm in die Augen.
"Ja, und jetzt schlaf.", sagt er und dreht sich in die andere Richtung, was ich ihm nach ein paar Sekunden gleichtue, dabei bekommen meine Wangen einen Hauch eines Rotschimmers.

Er will ja doch heiraten... Augenblick... war das gerade ein indirekter Antrag?!
Nein, vielleicht sollten wir einfach eine Ehe führen, weil es viele Vorteile dabei gibt...
Das hat er bestimmt gemeint, oder-

Ich seufze leise und schüttele meinen Kopf.
Ich sollte mir darüber keine Gedanken machen. Ich werde seine Gedanken darüber, sicherlich nach der Expedition erfahren...

Ich schließe meine Augen nun und sinke in das Kissen. Meine Hand lege ich auf meine untere Bauchhälfte.
Er wird bestimmt ein guter Vater.

Mit dem Gedanken schlafe ich ein.

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt