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Lias p.o.v.

Das Geräusch der sich entreißenden Haken versetzt mich in einem kurzen Herzstillstand, bis sie sich ein weiteres Mal, nur ein Stück höher in der Mauer einhaken. Durch das weiterhin surrende Drahtseil, bin ich mir sicher, dass wir ein weiteres mal wieder rangezogen werden.

Ich bekomme ein Gefühl von Schwerelosigkeit, wenn es dann nochmal nach oben geht. Ich spüre es stumpf aufprallen, wenn Levi mit den Füßen am Gestein aufkommt und hoch läuft. Die Drähte ziehen uns immer hoch. Es ist eine unglaubliche Erfahrung, wobei sie nur wenige Sekunden anhält. Meine Augen sind wieder geschlossen.
Ich stehe so unter Adrenalin, dass ich gar nicht bemerke, dass wir nicht mehr in der Luft sind.

"Du kannst jetzt wieder runtergehen.", gibt mir Levi Bescheid. Ich bekomme einen kalten Windzug mit und öffne meine Augen wieder. Wir sind tatsächlich auf der Mauer. "Du bist doch verrückt...", murmele ich und steige vorsichtig von seinem Rücken. Levi dreht sich mit dem Gesicht zu mir und grinst mich an. "Nun, das sagtest du bereits.", gibt er von sich. Er nimmt sich eine Hand von mir und führt mich in die Mitte. Von hier aus erkennt man die klein scheinenden Häuser, die teils komplett zerstört wurden. Ebenso sehe ich die rot leuchtende Sonne genau vor uns untergehen. Die gelblichen Strahlen, kitzeln in meinem Gesicht. Es ist ein atemberaubender Anblick.

"Levi...", hauche ich und bin im Fang meiner Aussicht. "Was machen wir hier?", vollende ich die Frage. Ich verspüre einen leichten Druck an meiner Hand, und dass Levis zweite Hand dazugekommen ist. Ich drehe mich wieder zu ihm und muss nach unten schauen um festzustellen, dass er vor mir kniet und mich ansieht.
Meine rechte Hand liegt immer noch sanft in seinen Händen. Levi...?

Ich ziehe meine Augenbrauen etwas zusammen.
"Lia, ich..." Die Sonnenstrahlen des warmen Sonnenuntergangs scheinen auf sein Gesicht und lassen seine markanten Gesichtszüge und seine bläulich-grauen Augen noch viel dominanter erscheinen. Mir wird wieder klar, warum ich diesen Mann eigentlich so sehr liebe.

"Wir haben es eigentlich schon beschlossen, es hat sich jedoch nicht richtig angefühlt."
Mir wird bewusst, was er vor hat, weswegen die Verwirrung meinem Gesicht entflieht und sich ein kaum zu sehendes Lächeln auf meinen Lippen bildet. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen.
"Fangen wir mal so an... Ich habe diesen Ort aus einem ganz bestimmten Grund ausgewählt. Und ich bin ja eigentlich kein Mann der großen Worte, aber für dich finde ich immer die Richtigen. Der Sonnenuntergang steht für dich. Du bist meine Sonne. Vor dir, hätte ich niemals gedacht, dass ich irgendwann wieder lieben kann. Ich erinnere mich genau daran, dass es mich geärgert hat, dass du es warst, die Licht in mein Leben gebracht hat. Und wobei du meine Untergeordnete- und Erwins Tochter warst, gingst du mir nicht aus dem Kopf. Du machst mich immer noch verrückt. Wenn ich hier diese Aussicht sehen kann, erfasst mich das gleiche Gefühl an Freiheit, als das, wenn ich dich ansehe. Ich gebe selbst zu, dass es mit uns wirklich schnell geht. Der eigentliche Grund warum ich dich jetzt heiraten will, ist wegen dem Kind, das wir erwarten. Ich weiß aber, dass ich dich auch so gefragt hätte, nur nicht heute. Es besteht kein Zweifel daran, dass du die Richtige bist und ich möchte mein ganzes Leben lang mit dir verbringen. Scheiße... du machst mich verdammt glücklich. Und auch wenn wir es schon geplant haben, will ich dich nochmal richtig fragen."

Er nimmt eine Hand von meiner und greift in seine Jacke hinein. Als er die Hand wieder herauszieht, kommt eine kleine Schatulle zum Vorschein, die er mit der anderen Hand öffnet. Er streckt sie etwas hoch und sieht mir weiterhin standhaft in die Augen. In dem Kästchen steckt ein Ring mit einem blauen Edelstein. Er ist wunderschön...
Ich gucke vom Ring in Levis Augen und muss meine Tränen zurückhalten. Vielleicht laufen mir auch schon welche über die Wangen.
Ich schluchze einmal auf und halte mir die Hand vor den Mund.

"Willst du mich heiraten?", fragt Levi, woraufhin eine kleine Stille entsteht, in der man nur den Wind pfeifen hören kann.
"Natürlich will ich das!", sage ich laut, bemerke nun aber die heißen Tränen, die meine Wange herunterlaufen. Levi sieht mich lächelnd an und sieht ebenfalls erleichtert aus, obwohl meine Antwort doch schon feststand. Er nimmt den Ring, klappt das Kästchen wieder zu und steckt es zurück in seine Jacke.

Dass ich eigentlich nicht so gut stehen kann, bemerke ich durch diesen Akt gar nicht.
Mein Verlobter nimmt sich meine Rechte Hand und schiebt den Ring auf meinen Ringfinger.
Er lässt meine Hand nicht los und stellt sich wieder vor mich. Wir sehen uns für einen kurzen Moment schweigend in die Augen, bis wir beide unsere Lippen aufeinander legen und sie synchron zueinander bewegen. Ich verschränke meine Arme hinter seinem Nacken, wobei er mich an der Hüfte näher zieht.

Schwer atmend lösen wir den Kuss und sehen uns lächelnd an. Daraufhin schließt er seine Arme nun komplett und meinen Körper und zieht mich in eine Umarmung. Ich spüre seinen heißen Atem in meinem Nacken, mein Kopf ist auf seiner Schulter positioniert. Levi gibt acht, dass er mich nicht zu fest hält. "Ich frag mich immer wieder, wie ich dich verdient habe.", gestehe ich und Blicke auf meine Hand mit dem Ring, die ich in mein Blickfeld gebracht habe.

"Tch."
"Was willst du sagen mit tch ?", frage ich, da ich weiß, dass er was an meiner Aussage rumzumeckern hat. Wir lösen uns und stehen uns wieder normal gegenüber.
"Es ist nur... ich bin so-"
"Was bist du?", frage ich etwas neckend und nehme sein Gesicht in beide Hände, woraufhin er weitersprechen will. Ich unterbreche ihn.
"Du bist kalt, arrogant, gefühllos, hast ein großes Maul, du bist klein-"
"Oi! Das letzte hätte ich nie erwähnt!", unterbricht er mich, woraufhin ich mir wirklich einen Lacher unterdrücken muss.
"Levi, du bist nicht arrogant oder gefühllos. Du hast ein verdammt großes Herz.", gestehe ich ihm die Wahrheit und lege meine rechte Hand auf sein Herz.

Er seufzt und sieht kurz im den Himmel, nur um mir dann wieder in die Augen blicken zu können.
"Manchmal frage ich mich, womit ich dich verdient habe."
"Tja, das wüsste ich auch gern.", sage ich ironisch schulterzuckend und bemerke, dass er es ernst nimmt. "Ey, das war ein Spaß!", lache ich und haue ihm leicht gegen den Kopf.

Sein Blick wandelt sich in ein Grinsen um.
"Du sadistische Kuh... Weißt du eigentlich wie sehr ich dich liebe?", fragt er und sieht mir förmlich in die Seele mit seinen Augen.
"Hmm...", sage ich und lege meine Arme wieder um seinen Hals, weil seine Hände auch wieder an meiner Hüfte Platz gefunden haben.
"Mindestens genauso sehr, wie ich dich."

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt