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Lias p.o.v.

Scheiße, was ist denn plötzlich los?

Ich habe die anderen fortgeschickt. Nichtmals, weil sie sich geprügelt haben und auch nicht weil Jean so etwas beschissenes gesagt hat. Mich stört es nicht.
Der Grund, warum sie gehen sollten war, dass ich nicht offenbaren möchte, dass ich Schmerzen bekommen habe. Vorhin auf der Toilette habe ich unglaubliche Schmerzen in meinem Bauch verspürt. Vielleicht sollte ich wirklich nur aufstehen, wenn es brenzlig wird.

Schmerzen aushalten kann ich, aber meine Gesichtsausdrücke verraten mich trotzdem. Leute wie Connie hätten es vielleicht nicht bemerkt, aber Armin, Mikasa oder Christa zum Beispiel, würden sofort erkennen, dass etwas nicht stimmt.
Ich will einfach keine weiteren Sorgen um mich.
Schwäche... will ich ebenfalls nicht schon wieder zeigen.

Ich seufze und setze mich stöhnend auf mein Bett.
Hanji hat gesagt, dass wenn ich Schmerzen haben sollte, viel Wasser oder Tee trinken- und mich hinlegen soll. So entspannen sich dann viele angespannte Muskeln.

Ich nehme mit einer etwas zittrigen Hand mein Glas Wasser vom Nachttisch und trinke ein paar Schlücke davon, nur um es danach wieder abzustellen. Mir wird warm, weshalb ich langsam meine Jacke ausziehe, so dass ich lediglich mein Kleid trage.

Ja. Kleid. Ich wurde wortwörtlich dazu gezwungen. Dazu kommt, dass es nicht meins sondern Hanjis ist, wobei ich sie noch nie in einem Kleid gesehen habe. Sie meinte dass es bequemer für mich wäre und im Nachhinein stimmt dies sogar. Na schön, es ist nicht mal ein richtiges Kleid, sondern ein normales weißes Nachtkleid.

Ich lege mich langsam wieder hin und ziehe die Decke hoch, auch wenn es warm ist. Ich kann nicht ohne Decke in meinem Bett schlafen.
Ich schließe meine Augen und schmiege mich in das Kopfkissen ein. Es ist ein Moment der Entspannung, der nicht lange anhält, da ich durch ein Klopfen an der Tür gestört werde.

Pff,  ich dachte ich soll mich entspannen? Wie geht das, wenn ich keine Ruhe bekomme?

"Komm rein.", sage ich lediglich und seufze, ohne zu wissen wer vor der Tür steht. Der Zugang öffnet sich und ich erkenne schwarze Haare. Schwarze Haare, die immer wie frisch geschnitten aussehen. Levis Haare.

"Hab ich dich geweckt?", fragt er mich und stellt sich neben mein Bett. "Nein.", entgegne ich ihm zögernd nach einer kurzen Verwirrung. "Musst du nicht die Kadetten trainieren?", frage ich zusätzlich. "Soll ich wieder gehen?", fragt Levi und zieht die Augenbrauen hoch.

Ich schüttele meinen Kopf. "Nein... ich habe mich nur gewundert, warum du hier bist."
"Lia, es ist Sonntag. Eigentlich wollte ich nur gucken, ob die frechen Gören dich stressen.", antwortet er mir. Ich nicke.

"Es ist also wirklich schon Sonntag..."
Er nickt. "Levi, tu mir einen Gefallen. Nenn meine Freunde bitte nicht Gören, sie sind schließlich keine Kleinkinder mehr.", bitte ich ihn.
"Tch... wenn es sein muss."
Ich lächle.

"Wo sind denn deine Freunde hin? Hast du sie etwa rausgeworfen?", fragt er ironisch nach.
"Das habe ich tatsächlich in gewisser Weise.", antworte ich. Levi sieht überrascht aus und setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett. Er schlägt ein Bein über das Andere.

"Ich habe einfach meine Ruhe gebraucht.",  sage ich. Das muss ja wohl reichen.
"Du hast Schmerzen."
Ich will nunmal keine Schw-
"Bitte was?"
"Denkst du etwa, dass ich an deinem angestrengten Gesichtsausdruck nicht erkenne, dass etwas nicht stimmt? ", fragt er nach und zieht beide Augenbrauen hoch.

"Pff... na schön. Aber es ist ja wohl normal mit gebrochenen Rippen, dass man Schmerzen hat.", rechtfertige ich mich. "Irgendwie muss ich ja zum Klo kommen..."

"Wo genau hast du Schmerzen?", fragt er schon wieder etwas. Ich seufze leicht und schiebe die Decke von mir. Ich nehme meine Hand lege die Fingerspitzen auf die Stelle, die gerade am meisten schmerzt. Meine untere Bauchregion.
Levis Gesichtsausdruck wird ernst.

"Ich hole Hanji.", sagt er knapp und steht sofort auf um zu gehen. "Hey, warte! Sie war doch erst vor zwei Stunden hier!", rufe ich in gewisser Weise. "Es ist normal Schmerzen zu haben."

"Nein... nicht da!", widerspricht er mir. "Ich will dich nicht trauern sehen, wenn unser Kind stirbt. Ich will auch nicht trauern, weil es es nicht geschafft hat, nichtmals eine Chance auf Leben gehabt zu haben."

"Was soll denn Hanji jetzt bitte ausrichten?!", frage ich ihn energisch. "Genau...nichts.", sage ich zusätzlich, nachdem er mir keine Antwort geben könnte. "Sie könnte lediglich meine Schmerzen lindern. Mein Heilungsprozess hängt ganz allein von meinem Körper ab. Ich will dieses Würmchen auch nicht verlieren, obwohl ich etwas hätte tun können, genauso wie bei diesem beschissenen Titanenangriff, wo ich mich lieber bekotze anstatt meine Freunde zu retten, ich-"

"Woher weißt du, dass du dich bekotzt hast?", fragt Levi monoton. Ich spüre den Druck in mir, weil ich mich so aufgeregt habe.
"Wie meinst d-", ich muss anhalten. "Levi...Ich... ich kann mich wieder erinnern...", flüstere ich.

Erinnerungen kommen aus dem nichts in meinem Kopf geschossen. Der Moment als der kolossale Titan mit dem Kopf über der Mauer ragte und er das Mauertor zerstörte. Ich erinnere mich an eine Frau, die ihren Mann unter einem Fels zertrümmert zurücklassen musste. Ich kann mich auch an Anna und Phil erinnern. Ich weiß, dass ich das Kommando übernehmen musste und brechend auf dem Boden kniete, weil ich gesehen habe, wie meine Kameradin auseinandergerissen wurde. Der Moment, als Armin mich vor meinem Tod rettete, weil ich feige bin.
Ich bin blutend und schwer verletzt, allein der Expedition, geleitet von meinem Vater, nachgeritten, um Verstärkung zu holen und habe dabei Armin das Kommando übertragen. Sie waren jedoch schon auf dem Rückweg, weil sie selbst kuriose Veränderungen festgestellten.
Mein Vater, der mich seelisch runtergezogen und verletzt hat. Ich weiß jetzt auch wieder, dass Hanji und Levi zu mir hielten und mir helfen.
Wir kamen dann zurück nach Rose und befolgten Armins Plan. 
Ich muss wohl mit meinem Kopf gegen etwas gestoßen sein, der mich bewusstlos werden ließ.

Ich schließe meine Augen kurz und atme durch.
Es ist echt viel auf einmal verdammt...

"Levi...", setze ich an.
"..."
"Warum bin ich noch am Leben?", frage ich ernstgemeint.

"Nun, Kirstein hat dich gefunden und zum Versorgungstrupp gegeben.", antwortet er mir und ich habe das Gefühl, dass er merkt, dass es mir gerade schwer fällt. Das fühle ich durch seine sanfte Stimmenlage.
"Jean also, ja? Pfft, und ich bin so kalt zu ihm, obwohl ich ihm mein Leben verdanke."

"Auch wenn ich ihn nicht leiden kann, bin ich ihm doch sehr dankbar. Ich wäre nicht rechtzeitig für dich dagewesen.", sagt Levi und sieht etwas leicht zur Seite. Ich kann die ganze Situation gerade nicht begreifen. Mein Kopf wird schwer, weswegen ich mich aus meiner steifen Lage befreie und mich an die Wand lehne. Mein Bauch tut immer noch weh.

"Levi. Bitte mach dir keine Vorwürfe für etwas, was allein ich verantworten kann.", sage ich schuldbewusst und schließe kurz meine Augen, nur um danach den Augenkontakt zu Levi aufzusuchen.

"Ich...Ich will einfach nicht auch noch dich verlieren.", gibt er zu und sieht mich mit einem leeren Blick an.

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt