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"Hallo Paps. Wie geht's? Du siehst ziemlich scheiße aus.", begrüße ich den Kommandanten, als ich das Krankenzimmer betrete.
"Danke für das Kompliment.", schmunzelt er. "Mir geht es soweit aber ganz gut."
Ich setze mich auf die Kante des Bettes.
"Ich bin froh, dass du hier bist. Und das nicht nur, weil ich den Laden noch nicht selbst schmeißen will.", gebe ich ehrlich zu.
"Es ist mir eine Ehre.", sagt er gespielt und streckt seinen linken Arm aus, um mir seine Hand auf die Wange zu legen. Er lässt los und nimmt den Anhänger meiner Kette zwischen die Finger.
"Weißt du Lia... Ich denke oft an sie. Ich hoffe, eines Tages, dass du auch deine große Liebe findest.", sagt er leise, lächelnd.
Vielleicht habe ich das ja schon... Ich würde es dir wirklich gern sagen, aber ich denke nicht, dass es gut wäre.
"Komm, alter Herr. Wollen wir nicht sentimental werden.", sage ich und lege meine Hand auf seine, um sie danach auf die Matratze zu legen.
"Übrigens. Ich weiß nicht, ob du in der Lage bist zu laufen, schließlich hast du ja nur einen Arm weniger, aber gleich beginnt die Trauerfeier für die Gefallenen. Wurdest du schon informiert?"

Er schließt seine Augen und atmet aus, denn schließlich verletzt es ihn auch. Er hat immer das Gefühl, dass er der Teufel ist, weil er schon so viele Menschen in den Tod geschickt hat. Paps gibt es nicht zu, aber ich weiß es einfach.
"Ja, ich weiß und ich denke, dass ich in der Lage dazu bin, zu laufen. Wir haben wirklich schwere Verluste und was wäre ich denn für ein Anführer, der nichtmals um seine verlorenen Leute trauert?", gibt er schließlich von sich.
"Ich weiß, ich weiß. Trotzdem werden alle Leichen mitgenommen und ehrenvoll begraben. Zum Beispiel sind fast alle älteren Mitglieder aus Levis Einheit von diesem scheiß Titan umgebracht worden. Eine unehrenhafte Bestattung wäre wirklich das Letzte.", sage ich und forme meine Augen zu Schlitzen, als ich an den weiblichen Titanen denke.
"Es ist wirklich grausam. Wir müssen unbedingt herausfinden, wer hinter dem Ganzen steckt. Irgendjemand oder Irgendetwas will verhindern, dass wir nach Shiganshina kommen, um herauszufinden, was sich in Jägers Keller befindet. Wenn wir entdecken, wer dieser Jemand oder dieses Etwas ist, dann wissen wir auch, wer unser Feind ist.", sagt er dann.
Du bist wirklich schnell vom Begriff. Ich würde auch töten, um zu wissen, was in diesem Keller ist.

"Komm Paps, ich helfe dir, dich fertig zu machen. Ich kann das viel besser als diese Frauen da.", sage ich leise und ziehe den Vorhang um das Bett zu.
"Hey! Ich habe nur meinen Arm verloren, ich komme schon zurecht.", gibt er selbstüberzeugt von sich. Klar, du hast nur deinen rechten Arm verloren und alles ist okay. Und ich bin übrigens die Königin.
"Keine Wiederrede.", sage ich und nehme die Klamotten für ihn, die auf dem Nachttisch liegen, weshalb er dann schließlich aufgibt.

...

"Hallo Lia, hast du schon das Essen probiert, was es hier gibt? Es wurde ein Wildschwein gefangen!", begrüßt mich Sasha, als ich in die Richtung der Mädchen gehe. Wildschwein also. Diese Feier ist auch wirklich nur zum Essen da.
"Nein danke, ich habe wirklich keinen Anlass Wildschwein zu essen.", antworte ich ihr, weswegen ich einen empörten Blick von ihr zurück bekomme.
"Lia. Eigentlich ist es mir egal, aber wo hast du dich denn letzte Nacht rumgetrieben? Spaß mit Jean gehabt?", fragt Ymir mich provozierend.
Oh man, ich hasse dich wirklich.
"Ich hab draußen geschlafen.", erfinde ich schnell die Lüge.
"Natürlich, hab ich vergessen. Die Prinzessin hat ja sonst immer ein eigenes Zimmer gehabt.", gibt sie zurück und lacht ein wenig.
Ich hasse dich wirklich, wirklich.
"Ymir...", beruhigt sie Christa.
"Schon gut Christa. Ich weiß ja nicht, wie es bei dir zu Hause ist Ymir, aber oft ist es so, dass man ein eigenes Zimmer hat, weißt du? Und der Aufklärungstrupp ist wundersamer Weise mein Zuhause.", erkläre ich ihr provozierend zurück.
Sie sieht mich nun bockig an, weil sie genau weiß, dass sie verloren hat.
Ich winke und setze mich neben Levi, als ich ihm beim Feuer sehe, das an die Verstorbenen erinnern soll.
"Und, wie geht es Erwin?", fragt er ruhig, ohne mich anzusehen. Wahrscheinlich denkt er viel nach.
"Ihm geht es gut. Er müsste hier irgendwo sein.", gebe ich ihm als Antwort, woraufhin der Schwarzhaarige sofort hellhörig wird.
"Was?! Ist er nicht klar im Kopf? Er ist schwer verletzt!", sagt er hektisch und steht schnell auf.
Ich finde es immernoch lustig, dass er sich so sehr um meinen Vater sorgt, dabei weiß ich gar nicht, wie die Beiden sich kennengelernt haben.
"Levi. Beruhig dich. Er hat ja nicht einmal Fieber. Du willst einem Kommandanten wirklich verbieten, von seinen Leuten Abschied zu nehmen?", frage ich ihn ernst mit sanfter Stimme.
"Ist ja gut.", sagt er genervt und setzt sich bockig hin. Sein Ernst?

"Schön, dass du dich so um mich sorgst, Levi.", ertönt eine Stimme, von Jemandem, der hinter uns steht. Es ist mein Vater, ganz klar.
"Tch.", kommt nur von Levi, ohne dass er daran denkt, sich umzudrehen.
Den Blonden lässt das schmunzeln.
"Sagt mal. Hab ich irgendwas verpasst oder seit wann versteht ihr euch so blendend?", fragt er.

Ich beiße mir leicht auf die Lippen. Es fällt mir immernoch und es wird mir nie leicht fallen, meinen Vater anzulügen. Auch wenn ich weiß, dass der Tag irgendwann kommen wird, wo alles rauskommt.
Feste Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergeordneten ist in dieser Welt, soweit ich weiß, nicht erwünscht.
"Ich weiß nicht. Wäre es dir lieber, wenn wir uns hassen?", frage ich schließlich sarkastisch und verdrehe meine Augen, woraufhin Papa leicht lächelt.
Die Frage war ernst gemeint.
"Erwiiiiin!", ruft Hanji und kommt auf uns zugerannt. Oh nein...bitte nicht.

"Hanji, schön dich zu sehen.", lächelt mein Vater die Braunhaarige an. "Vierauge. Wieso kannst du nichtmal jetzt leise sein?", fragt Levi sie mit ernster Miene. "Irgendjemand muss ja Freude im Leben sehen, oder? Nicht wahr, Lia?", fragt die Brillenträgerin dann an mich gewandt.
"So lange nicht ich die Jenige bin, passt das schon.", gebe ich schulterzuckend von mir.

"Jedenfalls. Erwin, zeig mir mal bitte deinen Arm. Ist noch ein Stück dran? Ist er angeschwollen? Hast du Gleichgewichtsprobleme?", überhäuft sie den Commander mit Fragen.
Ich sehe sein angestrengtes Gesicht. Er weiß einfach, dass er sie jetzt nicht abschütteln kann. Dafür kennen wir sie alle zu gut.
"Tja, also ich bin super müde. Ich glaube, ich gehe schlafen.", sagt Levi und steht auf.
"Ja... Geht mir genauso.", stimme ich ihm zu und stehe ebenfalls auf. Zusammen gehen wir dann schnell weg.
"Also das mit den Ausreden müssen wir nochmal üben.", lache ich. "Keiner von uns kann gut schlafen, Levi."

"Dann ist das halt so.", gibt er von sich.
"Fast jeder ist noch unten. Wollen wir zu mir gehen?"
Ich seufze leicht.
"Ich würde unglaublich gern, aber Ymir hat mich vorhin schon gefragt, wo ich letzte Nacht war, weshalb ich lieber in unserem Zimmer schlafen sollte.", gebe ich als Antwort. "Komischerweise, bin ich tatsächlich wirklich erschöpft."

"Du hast Recht, es ist auffällig.", sagt er und küsst mich auf die Stirn. "Gute Nacht, ich liebe dich."
"Ich dich auch.", gebe ich lächelnd zurück und gehe in mein Zimmer. Es ist wirklich verblüffend. Ich habe das Gedühl, dass ich jetzt eine Menge an Schlaf gebrauchen könnte.
Ich gehe also nach hinten ins Zimmer und lege mich auf mein Bett, nachdem ich meine Klamotten gegen ein Nachthemd eingetauscht habe und falle in einen angenehmen Schlaf.

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt