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"Paps, was meinst du? Warum sollte Levi auch aussetzen!?", frage ich schockiert. "Ich bin mir dessen bewusst. Ich muss auf sie aufpassen.", antwortet Levi meinem Vater kurz nach mir, wobei er mich fast ignoriert.
"Levi... Was sagst du da? Ich kann selbst auf mich achten und sterben wirst du auch nicht so leicht. Papa, was soll die Frage??"
"Ihr müsst jetzt Verantwortung tragen.", antwortet Paps stumpf. "Ihr braucht Levi.", argumentiere ich.
"Hört auf, ich mache was du sagst, Erwin.", mischt sich mein Freund ein. "Hast du auch einen eigenen Willen?!", frage ich ihn harsch.
"Tch, was ist das für eine Frage?!", fragt er genauso harsch zurück. "Levi, du verstehst nicht. Paps, was willst du damit bezwe-"
"Hör auf!", befehlt er und steht ganz plötzlich auf.
Sofort entsteht Stille. "Er soll doch nur für euch da sein! Levi soll das für euch sein, was ich für dich und deine Mutter nie sein konnte!", schreit er schon fast und setzt sich verzweifelt wieder hin.

"Papa... sag so etwas nicht.", flüstere ich langsam und erschrocken. In Levis Gesicht sieht man buchstäblich eine Reaktion, denn auch seine Augen haben sich geweitet.
"Ich war nie eine Stütze. Die Arbeit war an erster Stelle, deine Mutter hat sich allein um dich gekümmert. Ich hatte keine richtige Bindung zu dir und dann... dann ist sie gestorben und ich war nicht für dich da, obwohl ich dein Vater bin.", sagt der Blonde außer Rand und Band und sieht auf seine Hand, die geballt auf dem Schreibtisch liegt.
"Das stimmt so nicht!", werfe ich einen Einspruch ein. "Natürlich war Arbeit für dich wichtig, aber warum tatest du das denn? Um zu wissen was hinter den Mauern ist, um die Wahrheit herauszufinden, Großvater zu rächen und vor allen Dingen... um uns zu beschützen und uns zu versorgen!" Ich versuche ihn leicht lächelnd etwas aufzumuntern, obwohl er es nicht sieht und lege dabei meine Flache Hand auf mein Herz.

"Pah, weißt du eigentlich, woran genau deine Mutter gestorben ist? An einer Vergiftung. Und ich hätte es wissen müssen! Verdammt! Es ist meine Schuld!"
Vergiftung? Warum Vergiftung?! Sie hatte doch eine unheilbare Krankheit! Was-
"Was meinst du?! Warum Vergiftung und was hast du damit zutun?!", frage ich mit erhobener Lautstärke und bemerke Levi, der murmelnd aus dem Raum verschwindet. Ich glaube er sagt etwas wie: "Da will ich mich nicht einmischen." oder so. Eigentlich ist es mir egal, ob er bleibt oder nicht, aber gerade ist das eine Sache zwischen mir und meinem Vater.
"Hast du dich denn nie gefragt, warum alles so plötzlich war?!", fragt er aufgebracht und starrt mich wieder an. "Nein, als kleines Kind denkt man nicht an so etwas!", antworte ich und gestikuliere mit meinen Händen.
"Ich will es dir eklären.", sagt er wieder beruhigt und macht die Stimmung etwas lockerer. Abwartend sehe ich ihn also an, weshalb er schwer ausatmet. Was kann es sein?! Komm schon, erzähl. Wurde ich schon wieder angelogen?!
Ich versuche einfach Ruhe zu bewahren, was mir ziemlich schwer fällt in diesem Augenblick.

"Nun gut. Damals habe ich, auch als Abteilungsleiter keine großen Erfolge in Expeditionen erziehlt, genauso wenig, wie jeder bisherige Kommandant der Aufklärungslegion."
Interessiert setze ich mich auf den Stuhl, auf dem Eren vorhin saß, ohne den Blickkontakt zu seinen blauen Augen zu unterbrechen.
"Genauso wenig, war ich also beliebt. Doch eines Tages kreutzten sich die Wege eines Mannes und mir im Bezirk Shiganshina. Nikolas Huber war sein Name... Er war so nett und lud mich zu einen Drink ein und sagte mir, dass er hinter dem Aufklärungstrupp stünde und uns wirklich bewundere. Er spielte mir vor, ein loyaler Bursche zu sein, der an die Flügel der Freiheit glaubt." Er legt eine kurze Pause ein.
Was hat das mit Mama zu tun?
"Weißt du, Nikolas und ich trafen uns gelegentlich und ich vertraute ihm wirklich. Eines Tages trafen wir uns wieder und als Abschiedsgeschenk gab er mir zwei Flaschen Wein, die seine Frau gemacht haben soll. Ich nahm diese Geschenke wirklich freudig an und wollte sie an besonderen Anlässen mit Freunden teilen. Ich erinnere mich... Du warst damals schon am schlafen, als deine Mutter zu mir kam und ich nur einen bequemen Abend mit ihr verbringen wollte. Ich öffnete eine Flasche also und schenkte uns etwas Wein ein. Alles schien so normal. Und als ich dann kurz für neue Kerzen losging und ich wiederkam... fand ich sie dort auf dem Boden liegen. Sie hatte den Wein probiert. Den vergifteten Wein, den ich von meinem eigentlichen Freund bekam. Drei Tage später ist sie dann... von uns gegangen. Hätte ich diese Flüssigkeit also mit mehr Leuten geteilt, dann...", er bricht den Blickontakt ab und schlägt auf den Tisch. "Verdammt, ich hätte so gern den Grund von Nikolas erfahren, warum er das getan hat!"
Schockiert blicke ich starr geradeaus. So war das also...ich-... Leichte Tränen sammeln sich in meinen Augenwinkeln. "Wieso fragst du ihn nicht?", frage ich dann, auch mit dem Kopf nach unten und einen schmerzerfülltem Gesichtsausdruck.
"Tja... die ersten Jahre war ich zu feige... Ich wollte ihn vor 3 Jahren aufsuchen, doch er ist wohl bei dem Einbruch der Mauer um Shiganshina ums Leben gekommen."
"Dieser Bastard...", flüstere ich leise und balle meine Hände zu Fäusten. Wenigstens bekam er, was er verdient hat.
"Es tut mir leid. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich kann nur von Glück sprechen, weil ich den Alkohol nicht probierte. Sonst wäre ich vermutlich nicht hier.", sagt der Große seufzend und schüttelt seinen Kopf. Man merkt ihm wirklich den Schmerz an, den er versucht hat über Jahre zu verstecken. Dabei denkt er noch, dass ihn die Schuld trifft.
"Das ist so lächerlich...", murmele ich vor mich hin. "Das ist alles so lächerlich!", lache ich aus Zorn und gucke an die Decke. "Lia, es tut mir wirklich le-"
"Hör auf!", unterbreche ich den Kommandanten.
"Hör verdammt nochmal auf, dich zu entschuldigen. Dich trifft keine Schuld. Du hättest niemals ahnen können, dass dein Freund dich hintergehen würde. Pff, dieser Wein hätte so viele unserer Kameraden umbringen können... Man kann niemandem sein gesamtes Vertrauen schenken, auch nicht unseren engsten Bekannten."
Mein Vater sieht mich gerührt an. Ich atme aus, gehe um den Tisch herum und nehme ihn in den Arm, was er erwiedert. "Du hast wirklich das Herz von ihr.", schmunzelt er in die Umarmung rein.
Ich muss an alte Momente denken, in denen ich kaltherzig gegenüber anderen waren.
"Nicht so wirklich.", sage ich lachend und löse mich aus seinem Arm.
"Bist du denn garnicht sauer auf mich?", fragt er verwundert. Schnell schüttele ich meinen Kopf. "Nein, ich bin dankbar für deine Ehrlichkeit. Bitte mach dir keine Vorwürfe, dich trifft keine Schuld.", antworte ich und begebe mich zur Tür.
Ohne ein weiteres Wort verlasse ich das Büro und mache mich auf den Weg in Levis Zimmer.

"Was für eine Ehre.", begrüßt mich der Schwarzhaarige, wobei er seine Gürtelschnalle löst. "Ich dachte schon, du hättest Erwin auch noch seinen anderen Arm abgerissen."
"Sehr amüsant.", sage ich und stelle meine Stiefel in die Ecke des Raumes.
Nachdem ich mich umgezogen habe, lege ich mich also schon mal ins Bett, mit dem Gesicht zur Wand. Es ist wirklich schon spät, mitten in der Nacht. Die Matratze senkt sich, als Levi sich zu mir legt und seine Arme um meinen Körper legt.
"Tut mir leid, dass ich vorhin so abweisend war. Ich darf nicht immer nur an mich denken.", gibt er von sich und küsst mich auf die Schulter, sowie er es immer gut. "Schon in Ordnung.", verzeihe ich ihm. "Ich denke, ich hab das mit meinem Vater in gewisser Weise geklärt. Du wirst mit auf die Expedition kommen. Immerhin liegt die Erfolgsrate um 70 Prozent höher, wenn du dabei bist. Noch dazu, bist du in gewisser Weise gezwungen, Acht auf Eren zu geben."
"Tch, dann muss ich wohl dabei sein. Ich weiß nicht, worüber ihr noch geredet habt und ich will es auch gar nicht wissen, trotzdem versprich mir bitte, dass du auf dich aufpasst, auch wenn du Stark bist.", sagt er leise. Eine Kerze auf dem Regal hinterlässt flackernde Schatten an der Wand.
Seufzend lächle ich. "Versprochen."

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt