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Levis p.o.v

"Geht es dir jetzt besser?", frage ich Lia und helfe ihr dabei, ihr ihre Bluse zuzuknöpfen, als sie sich aufsetzt. "Ja.", gibt sie als Antwort. "Die Verbände stützen mich ein wenig. Aber...wir müssen jetzt wirklich los."

Sie hat Recht. Wir müssen los. Ich liebe Lia und bin deshalb an ihrer Seite geblieben. Ich weiß nicht was ich von Erwin im Moment halten soll. Es fällt mir unglaublich schwer, dass er seine eigene Tochter nicht unterstützt, wobei sie seiner eigenen Sinnesart nachgehen will. Ich verstehe es einfach nicht, dabei ist sie sein eigenes Fleisch und Blut.
Eventuell ist es in gewisser Weise ein Beschützerinstinkt und doch muss er nicht in dieser Weise ausgeprägt sein.

Ich habe geschworen für die Menschheit zu kämpfen und vernachlässige diesen Schwur auch nicht. Für Lia zählt das selbe, selbst wenn sie so schwer verwundet ist, wie in diesem Augenblick.
Ich mache mir auch Sorgen und der Gedanke macht mich verrückt, weil ich nicht weiß, wie es verdammt noch mal um mein Kind steht.
Und trotzdem bin ich auf Lias Seite.
Es ist für sie selbst verdammt schwer und Erwin, mein eigentlich bester und hoch angesehener Freund setzt sich durch und bedenkt vielleicht gar nicht, was sein Vorgehen in anderen auslöst.
Irgendetwas muss allerdings dahinter stecken, schließlich ist er der schlauste und raffinierteste Mann, den ich kenne.

Tch.

"Warte, ich helfe dir aufzustehen.", biete ich meine Hilfe an und ziehe sie an den Armen auf die Füße. Hanji packt bereits wieder alles ein.
Ich helfe ihr noch auf das Pferd zu steigen und setze mich selbst auf meines.

Ich frage mich, wie sie dem Ganzen standhält. Ein zierlicher Körper, der sowohl physischen-, als auch psychischen Ballast tragen muss. Ein normaler Mensch wäre schön längst umgekippt. Ihr Wille muss unglaubliche Stärke besitzen.

"Los geht's, Leute.", sagt Hanji und wirft einen Blick über ihre Schulter auf uns, um sicher zu gehen, dass wir bereit sind. Lia nickt und ich zeige einfach keine Reaktion. Ich bin gesund, von mir braucht man keine Bestätigung.

Ich gehe mir kurz noch mit einer Hand durch die Haare und werfe einen Blick auf meine Verlobte. Wir sind schon umgeben von Häusern. Von kaputten Häusern. Häuser die mal glücklichen Familien gehörten.

Mit beklemmter Stille reiten wir weiter und erreichen auch schnell das Tor, schließlich waren es keine zweihundert Meter mehr bis zu der Mauer.
Ich würde nicht sagen, dass man noch ein Tor erkennen kann, da es von einem riesigen Fuß zertreten- und vergrößert wurde.

"Sind alle Titanen bereits eingedrungen?! Das ist unmöglich!", staunt Lia und kratzt sich mit zusammengepressten Lippen den Kopf.
"Tch, es dringen niemals alle Titanen ein. Es wunderte mich deshalb auch, warum uns keiner begegnete.", entgegne ich ihr.

"Es ist beinahe so als würde es sie in unendlicher Anzahl geben.", fügt Hanji noch zu meiner Aussage hinzu. Von der Verletzten geht ein ernster Blick in die Richtung des Lochs.

"Armin wird höchstwahrscheinlich in der Nähe des Ehrmich Tores sein. Ich habe keine Ahnung was der richtige Kommandant macht, aber ich muss Armin trotzdem unterstützen.", gibt sie in einem
seriösen Tonfall von sich.

Sie hasst Erwin wohl auf weiteres, tch um ehrlich zu sein ist das kein Wunder. Ich hege auch einen ungeheuren Groll auf ihn.
Wie kann er es wagen zu behaupten, dass sie Selbstmord mit sich und unserem Kind begeht?

Wir bewegen uns weiterhin mit unserem Pferd durch die gigantische Öffnung. Vor uns erstreckt sich ein riesiges Blutfeld, welches aus Menschenblut entstanden ist. Wenn wir nichts unternehmen, wird schon bald der ganze Ring von Titanen befallen sein.

"Am besten nehmen wir einen abgelegenen Weg, der um den Zentralpunkt herumführt.", gibt Lia von sich und atmet etwas erschöpft aus.
"Ja, das sollten wir wohl. Wenn Armin sich dort befindet, wo du gesagt hast, dann gehen wir am besten-"

"Titan!", unterbricht Lia Hanji. Ein geschätzt fünf Meter hoher, hässlicher Titan mit riesigen Augen erstreckt sich hinter Hanji und will nach ihr greifen. Durch Lias Zwischenruf könnte sie noch rechtzeitig ausweichen.
"Tch, wit müssen achtsamer sein. Hier könnten überall Titanen lauern verdammt!", gebe ich mit knirschenden Zähnen von mir.

"Woohooo, das war brenzlich!", kommt von der Brillenträgerin. Unglaublich. Ich erledige das.

Ich reite ein Stück weiter vor um dem rennenden Titanen entgegenzukommen. Kurz bevor mich selbst gegriffen hätte, stelle ich mich auf mein laufendes Pferd, setze meine Hände an die Schaltung des Manöver Apparates und hake mich an seiner dreckigen Schulter ein.

Durch zusammengepresste Zähne kommt ein abwertendes Zischen von mir, wobei ich die Griffe der Klingen fest in meiner Hand halte und mich wie eine Spirale mit ihnen über den behaarten Nacken drehe und das Stück Fleisch herausschneiden, was sofort anfängt zu dampfen, genauso wie der Rest des Körpers.
Ein Kinderspiel.
Sei froh, Scheusal, ich hab dich von deiner elenden Hässlichkeit befreit.

Ich springe von dem fallenden Körper und sehe das rote Blut an meiner Kleidung verdunsten.
Ich springe wieder auf mein Pferd und warte direkt auf Hanjis Kommando, und welche Richtung es gehen soll. Sie hat früher hier in der Nähe gelebt und kennt sich hier deshalb am besten von uns dreien aus.

"Auf zwei Uhr, liegt eine gebogene Gasse, die uns direkt zum Tor führen wird!", gibt sie von sich und begibt sich schon in die Richtung des Weges.
"Na dann, los!", sagt Lia und reitet Hanji, genauso wie ich, hinterher.

"Passt auf, dass ihr nicht auf Leichenteile tretet."
Danke Vierauge, das weiß ich selbst... zu gut.
Ich schüttele meinen Kopf ein wenig. Ich bin mit den Gedanken in die Vergangenheit abgedriftet, als ich einen abgetrennten Kopf einer Frau auf dem Boden liegen sehe.

Auch wenn Ich es schon so unzählige Male versucht habe, kann ich meine Erinnerungen nicht verwerfen. Es geht einfach nicht. Trotzdem prägen sie mich und machen mich zu dem Menschen, der ich jetzt bin.

Ich weiß tatsächlich selbst nicht, ob das jetzt positiv oder negativ ist.

reflection / Levi x ocWo Geschichten leben. Entdecke jetzt