Levis p.o.v.
Wir laufen schweigend durch den Flur.
Und etwas geht mir nicht aus dem Kopf. Ich konnte Reue in Erwins Augen entdecken.
Er kann hunderte seiner Soldaten ohne Reue in den Tod schicken, aber seine Tochter ist eine riesige Ausnahme. Nicht dass ich es gut fände, nein. Ich finde es eher... interessant.Mit einem misstrauischen Blick laufe ich vor Erwin. Ich merke seinen ernsten Gesichtsausdruck in meinem Rücken. Naja... wohl eher über mir.
Trotz meiner Größe lege ich meinen Stolz nicht ab.
Auch wenn man es niemals denken könnte, Erwin ist mir kräftemäßig unterlegen und das weiß er auch selbst.Ich gehe weiter, bis ich schließlich an Lias Zimmer ankomme und anklopfe. Neben Erwins Atem, höre ich ein dumpfes "Herein." von hinter der Tür ertönen. Ich spüre Nervosität von meinem Nebenmann ausgehen, die mir die Haare im Nacken stehen lässt.
Ich öffne die Holztür und lasse Erwin an mir vorbei. Er geht langsam in die Richtung von Lias Bett, dessen Fußende gegenüber von der Tür platziert ist. "...Kleine...", fängt Erwin an und begutachtet Lias ernsten Gesichtsausdruck.
Er ist vielleicht auch geschockt über ihren Zustand. Niemand hat ihm gesagt, was ihr fehlt und jetzt liegt sie da, ihr schwacher Körper mit blasser Haut."Setzt euch.", sagt sie kühl, woraufhin ich mich auf den Stuhl ihres Schreibtisches setze, der keine zwei Meter vom Bett entfernt ist. Der Kommandant setzt sich auf den Stuhl, auf dem ich vorhin saß, direkt neben dem Bett seiner Tochter.
"Nun, du wolltest reden.", sagt Erwin, nun mit einer festeren Stimme, nachdem er sich geräuspert hat und setzt eine Miene auf.
Der Stuhl quietscht, weil er sich gerader hinsetzt, um eine aufrechte Position zu erlangen.
Ich habe meine Beine übereinander geschlagen und halte mich mit gefalteten Händen an meinem oberen Knie fest."Ja, so ist es.", antwortet ihm Lia und versucht neutral zu bleiben. Sie kann die Lage nicht wirklich einordnen. "Falls du es mitbekommen haben solltest, ich habe jegliche Erinnerungen an den Mauerbruch verloren, allerdings habe ich zwei, beinahe identische Versionen davon gehört, wie du in dieser Situation gehandelt hast."
Erwin nickt verständlich.
"Kurz gesagt, ich will wissen, warum du in dieser Situation so eine Scheiße durchgezogen hast.", redet sie weiter. Man merkt, dass sie keine Lust hat anständig zu sprechen und verändert ihre Tonlage wieder in die Gewohnte.
Der Blonde räuspert sich. "Ich... vorab möchte ich anmerken, dass dies keine Rechtfertigung für das Geschehene ist.", sagt er und wartet bis er ein Nicken zurückbekommt.
"Ich war an diesem Tag nicht ich selbst. Ich habe etwas getan, was ich mir nie verzeihen werde. Vor allen Dingen tut es mir leid, dass ich dich mit meinen Worten verletzt habe."
Man bemerkt sehr wohl die Bedenken bei seiner Wortwahl, bevor er die Wörter ausspricht."Hatte das einen Grund?", fragt Lia interessiert und sieht in Erwins Augen. Sie ist sich selbst glaube ich gar nicht bewusst, dass sie neugierig ist. Ihr Vater sieht sie schmerzlich an.
"Natürlich. Es... waren deine Verletzungen die mich so verrückt gemacht haben. Egoistischer Weise, wollte ich meine Emotionen unterdrücken und habe nicht richtig gehandelt. Ich war so geschädigt, weil ich dich und dein- euer Kind nicht verlieren wollte. Ich hab die ganze Mission vernächlässigt und nichts für die Menschheit beigetragen. Ich habe sogar Jägers Kräfte nicht nutzen wollen. Alle hatten Glück, dass wenigstens er oder Arlert voller Verstand waren. Ohne sie... wären vielleicht noch mehr Leute ums Leben gekommen. Dann hätte ich nicht nur deine Mutter, sondern vielleicht auch dich, durch meine Dummheit verloren. Du bist mein eigenes Fleisch und Blut, ich hätte es mir nicht verzeihen können, wärst du nicht mehr am Leben, dafür würde ich sogar meine eigene Ideologie vernachlässigen.", Erwin sieht in Selbstmitleid nach unten auf seinen Schoß. Er bemitleidet sich selbst für seine Taten.
Ich muss ehrlich zugeben, dass mich die gesamte Situation einen feuchten Dreck interessieren würde, würde es sich hierbei nicht um Lia handeln. Sie ist... natürlich etwas Besonderes für mich. Ich muss aber auch sagen, dass es mir scheiß egal ist wenn Erwin einen anderen Soldaten anschnauzt oder beleidigt, schließlich tue ich das auch. Was mich nur so sehr stört ist, dass er nicht wiederzuerkennen ist.
Weder jetzt, noch vor zwei Tagen war er er selbst.
Ich habe ihn noch nie Reue verspüren sehen, geschweige denn den Kopf so hängen lassen.
Es muss ein unglaubliches Band zwischen Vater und Kind geben, gerade dann, wenn die Mutter fehlt. Ich frage mich, ob ich auch so etwas zwischen mir und meinem Kind verspüren werde."Ich bin ein schrecklicher Vater... deine Mutter hätte wahrscheinlich nie so einen Fehler gemacht...", redet Erwin sich schlecht.
Vielleicht hat er damit recht, vielleicht auch nicht. Ich habe seine Frau nie kennengelernt."Jedem passiert doch mal ein Fehler, oder?", fragt die Verletzte und sieht sanft drein. Mit ihren richtigen Erinnerungen, die sie fertig machen würden, würde sie jetzt nicht so reden, da bin ich mir sicher. Es tut mir sogar leid und ich würde gerne helfen, doch ich kann nicht.
Das ist eine Sache von Tochter zu Vater. Auch wenn ich Erwin am liebsten in die Fresse geschlagen hätte, bin nicht ich es, der am Ende vergeben muss."Du verzeihst mir also?", fragt er und blickt Lia hoffnungsvoll an. "Ich möchte nicht überstürtzt handeln, schließlich kann ich nicht genau nachempfinden, was passiert ist... Du bist aber das einzige was mir von meiner Familie übrig ist. Ich... verzeihe dir. Soweit es geht."
Er hat gesagt du bringst dich und unser Kind unnötig um, obwohl du dich für die Menschheit opfern wolltest.
"Danke, ich... ich werde es irgendwie wieder gut machen.", sagt er und lächelt sanft und ganz leicht triumphierend.
Man kann Geschehenes eigentlich nicht wieder gut machen. Was passiert ist, sollte einem in der Mehrheit niemals mehr aus dem Gedächtnis gehen. Es ist immer das selbe Prinzip. Tote Kameraden werden auch nicht vergessen, nur weil wir einen Fortschritt gemacht haben. Alles andere wäre komplett unmenschlich."Sag, wie geht es dir überhaupt. Hanji sagte ja, dass man dich nicht besuchen durfte.", gibt er nach einer kurzen Stille von sich und ich kann stetige Verwirrung in Lias Gesicht erkennen.
Sie sieht zu mir, woraufhin ich abwinke, was bedeuten soll, dass es jetzt nicht von Bedeutung ist. Vierauge ist wirklich eine Sache für sich."Bis auf Kopfschmerzen und Druck auf den Rippen, geht es mir relativ gut, jedenfalls meiner Situation entsprechend. Wichtig ist, dass es meinem Bauch nicht schlecht geht. Wie durch ein Wunder ist nichts passiert.", erklärt sie ihre Lage und sieht etwas niedergschlagen nach unten.
"...Darf ich?", fragt Erwin plötzlich und streckt seine Hand etwas aus. Seine Tochter begreift ziemlich schnell und nimmt seine Hand und legt sie auf ihren Bauch. Ich finde das...
Tch, meine Meinung ist immernoch abkömmlich.Ich sehe in Lias Gesicht, wie sie auf die Hände auf dem Bauch guckt und Tränen in den Augen bekommt. "Ich wünschte, sie wäre auch hier.", flüstert sie leise und versucht keine Laute beim Weinen zu machen. Ein kleiner Schluchzer entwischt ihr allerdings und bekommt die Aufmerksamkeit ihres Vaters.
Er sieht ebenfalls verletzt aus. "Sie ist immer bei dir.", versucht er zu lächeln und streichelt ihre Wange entlang. Die Rede ist von Edith Smith. Die verstorbene Frau von Erwin und Mutter von Lia.
Ich vermisse meine Mutter ebenfalls, auch wenn ich nur noch vage Erinnerungen an sie habe.
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reflection / Levi x oc
FanfictionLia Smith ist die Tochter des angesehenen Kommandanten Erwin Smith. Sie hatte es oft nicht leicht in ihrem Leben und machte sich keine Gedanken um Gefühle. Dies ändert sich jedoch, als sie Levi, den stärksten Mann der Menschheit, kennenlernt, der...