Kapitel 69: Bilder im Kopf

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„Tu sowas nie wieder", meinte meine Freundin barsch, „Das ist dumm. Das weißt du auch genau. Ich verstehe, dass du endlich wieder was tun wirst, aber so wirst du dir mehr schaden als helfen. Und ich...", ihre Stimme wurde etwas leiser und sanfter, „ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe Angst davor, dass das gerade nur eine Hochphase ist und morgen alles wieder bergab geht. Niemand ist so schnell drüber hinweg, gefoltert worden zu sein. Da kannst du probieren dir selbst und uns anderen was vorzuspielen, das ändert aber nichts an den Tatsachen. Und du hattest doch extra einen Trainingsplan mit Dr. Cho erstellt, damit du eben nicht über deine Grenzen kommst, sondern dich ihnen langsam nährst. Damit du nicht zusammenbrichst und einen Rückfall erleidest. Verdammt, ich will doch nicht, dass dir was passiert. Dann guck bitte, dass du deine Grenzen nicht überschreitest, wenn schon nicht für dich, dann wenigstens für mich." Ihre Hand berührte sanft meine Wange und hob meinen Blick, den ich während ihrer Tirade gesenkt hatte. „Für mich", wiederholte sie, „Versprich es mir." Ich nickte langsam. „Versprochen", flüsterte ich und biss mir leicht auf die Lippe. „Es tut mir leid", begann ich dann, „Ja, du hast Recht. Ich weiß selbst wie dumm das ist, ich hatte nur.... Ich fühle mich nur so unsportlich, wie ich nach einem Kilometer schon an meiner Grenze bin und meine Muskeln, meine Kondition und alles total am Arsch ist." Ich blinzelte und versuchte erfolgreich die Tränen der Verzweiflung zurückzuhalten. „Das verstehe ich, aber du musst trotzdem alles wieder langsam aufbauen, sonst bringt es gar nichts", erwiderte meine Freundin verständnisvoll. Ich nickte leicht und lehnte meinen Kopf in ihre Handfläche. Sie seufzte leise, drückte mir einen Kuss auf den Scheitel und umarmte mich eine Zeitlang einfach nur.

Irgendwann hatten wir uns voneinander gelöst und Nat ging ihre Sportroutine durch, während ich an meinem Messerwerffähigkeiten arbeitete. Dagegen hatte die Spionin nichts einzuwenden, da sie einsah, dass, wenn ich nur auf Zielscheiben werfe, es eine körperliche Aktivität war, die mich nicht an meine Grenzen bringen würde. Allerdings ließ da schnell meine Lust und Konzentration nach, weshalb ich schonmal beschloss, hochzugehen. Ich warf meiner Freundin zum Abschied noch eine Kusshand zu, da ich sie nicht ablenken wollte und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich ging ins Bad und ließ alle Klamotten auf den Boden fallen, bevor ich mich unter die Dusche stellte.

Das warme Wasser prasselte von oben auf mich herab und spülte den Schweiß von meinem Körper. Viel zu schnell kam mir das Wasser nicht mehr wirklich warm vor und ich drehte es noch etwas wärmer auf. Erschöpft ließ ich den Kopf sinken und betrachtete, wie das Wasser Richtung Abfluss floss. Sie hatte so Recht, mit allem, was sie gesagt hatte. Ich hatte probiert mir selbst vorzumachen, dass es mir schon wieder gut ging, dabei stimmt das nicht. Abgesehen von den Alpträumen, die einen Jahre später noch heimsuchen können, wie ich aus meiner ersten Foltererfahrung weiß, kamen die Bilder auch tagsüber hoch. Wie etwa in dem Krankenraum, der mich etwas zu sehr an meinen Raum bei Letizia erinnerte. Oder bei Letizia selbst. Oder manchmal einfach aus dem nichts, keine Ahnung, woran das liegt. Das ich körperlich noch nicht wieder die Alte war, war mir und den anderen wohl bewusst, aber das wird wieder, schließlich werde ich ja noch nicht einmal Narben zurückbehalten, wobei es, bis es soweit ist, durchaus noch länger dauern kann, vor allem bei dem Schriftzug auf meinem Rücken. Aber psychisch bin ich auch noch nicht annährend die Alte, auch wenn ich mir Mühe gebe, so zu tun, als ob. Eben ganz nach dem Motto: „Fake it till you make it." Ich war schon immer gut darin, mir selbst etwas vorzuspielen, bis es mich dann wie aus dem Nichts alles auf einmal überrennt und ich eine Zeitlang für nichts mehr zu gebrauchen bin. Ich fühle mich so schwach. So schwach, wie ich nicht sein darf, schon gar nicht bei meinem Beruf. Ich spürte, wie ich anfing zu weinen, aber die Tränen wurden vom Wasser mitgerissen, sobald sie meine Augen verlassen hatten. Ich drehte das Wasser noch etwas wärmer, denn schon wieder kam es mir kalt vor. Wie kann man nur so schwach sein. Ständig auf der Hut vor den eigenen Gefühlen, Gedanken und Bilder im Kopf, nur um dann doch von ihnen überrannt zu werden.

Da ich etwas lost war und am Freitag ein Kapitel hochgeladen hatte, gab es am Samstag mal keins xD
Diese Woche wieder normal Montag, Mittwoch und Samstag, wenn ich dran denke. Bin zurzeit in Urlaub, deswegen kann es sein, dass ich etwas durcheinander komme, aber ich gebe mir Mühe😅

Black AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt