Kapitel 70: Und?

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Eine Berührung riss mich aus meine unschönen Gedanken und ich zuckte kurz zusammen. Natasha hatte ihre Hand auf meine Schulter gelegt, nahm sie jetzt aber wieder weg um das Wasser kälter zu stellen, was mir definitiv nicht gefiel. „Du holst dir noch Verbrennungen", sagte sie, dann sah sie mir in die Augen. „Oh, Marie", sagte sie mit besorgter Stimme und umarmte mich unter der Dusche. Mir viel erst jetzt auf, dass sie auch nackt war und vermutlich duschen wollte. Ich lehnte mich gegen sie, damit sie mir die jetzt fehlende Wärme des Wassers geben kann, auch wenn es noch auf die Temperatur eingestellt war, mit der ich normalerweise dusche. „Wenn ich zeige, dass es mir nicht gut geht, macht es die Sache auch nicht besser", flüsterte ich leise mit belegter Stimme gegen ihren Hals, „Ich will doch nur wieder einen normalen Alltag, und den bekomme ich so am besten. Und mir würde es auch nicht schneller besser gehen, wenn ich es zeige, eher andersrum, da ich dann die Sonderbehandlung bekomme." Meine Freundin schwieg eine Weile, ich konnte jedoch an ihren Armen, die mich näher an sie drückten, erkennen, dass sie es gehört hatte.

„Ich wünschte, ich könnte es einfach vergessen", meinte ich noch und merkte, wie sie sich am ganzen Körper anspannte und dann bewusst wieder entspannte. „Du weißt, dass du Wanda einfach fragen kannst... Sie würde dir bestimmt helfen wollen", meinte sie mit vorsichtiger Stimme. Diesmal spannte ich mich etwas an. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wollte ich das? Das ich es komplett vergesse? Irgendwie schon, aber andererseits gehört es zu meiner Vergangenheit, zu meinem Leben. „Ich will nicht einfach ein Teil meines Lebens vergessen, egal wie schmerzhaft es ist", sagte ich leise. Nats Hände, dir mir über den Rücken fuhren, stockten kurz in ihrer Bewegung. „Dein Schmerz macht dich nur stärker", sagte sie mit rauer Stimme und es schien, als hätte sie diesen Satz schon öfters gehört. Ein leichtes Lächeln kam auf meine Lippen: „Dann hast du keine Chance mehr im Kampf gegen mich, wenn ich wieder fit bin." Sie lächelte jetzt auch kurz: „Das werden wir sehen." Ich gab ihr eine kurzen Kuss auf den Mund, bevor ich mich wieder an sie schmiegte. „Danke, für alles", bedankte ich mich. „всегда (Immer)", meinte sie und küsste mich auf meine nassen Haare.

„Was hat Tony eigentlich von dir gewollt? Oder sollte ich sagen, was hat er von euch gewollt, wo ich nicht dabei sein sollte" fragte ich sie und vertrieb mir so alle Gedanken bezüglich meiner Folter. Dachte ich zumindest. „Er wollte wissen, ob ich dich schon gefragt habe, ob du sie befragen willst", antwortete sie, „Ich habe ja gesagt und ihnen alles grob erklärt. Er wollte die Aufnahmen, die immer automatisch gespeichert werden, aber ich habe ihm gesagt, dass er da erst dich fragen soll. Wundert mich, dass er noch nicht bei dir war." „Soll er sie nehmen, wenn es ihm was hilft", meinte ich, verärgert darüber, dass meine Gedanken jetzt schon wieder bei dem unerfreulichem Thema waren. Es klopfte an der Tür. „Meinst du, das ist er?", fragte ich und meine Freundin nickte bestätigend. Ich seufzte leise und ging dann aus der Dusche, wickelte mir ein Handtuch um den Körper und eins um die Haare, bevor ich das Bad verließ.

Schwungvoll, aber darauf bedacht, dass jedes Handtuch an seinem Platz blieb, öffnete ich die Tür und tatsächlich stand Tony davor. „Und?", rief die rothaarige durch die geschlossene Tür. „Jap", rief ich zurück, „Ist er." Dann sah ich Tony an, der zwischen mir und der Badezimmertüre hin und her blickte und dann mit den Augenbrauen wackelte. Ich hob nur meine Augenbrauen als Antwort. „Hat Natasha mit dir schon drüber geredet, über was wir gesprochen hatten?", fragte er. Ich nickte knapp. „Und auch, dass sie meinte, dass ich dich fragen soll", sprach er weiter. Wieder nickte ich. „Und?", fragte er ungeduldig. „Findest du die Frage „Und" nicht auch bescheuert?", fragte ich ihn, ließ ihm aber keine Zeit zum Antworten, „Wenn man sich lange nicht gesehen hat kommt sie oft. Ich denke mir jedes mal: „Was und? Und ist keine Frage"... Und kann so viel als Frage bedeuten, da muss man schon ein bisschen spezifischer werden." Jetzt sah ich ihn wieder an, der mir einen bösen Blick zuwarf, da ich jedoch einfach schwieg, entschied er sich doch, die komplette Frage einfach zu stellen: „Darf ich mir das Videomaterial, wie du Letizia befragst anschauen? Und die anderen auch?" Ich lächelte und nickte ihm zu: „Jap." Er setzte ein „Na endlich Blick" auf und deutete dann auf die Badezimmertür. „Ich hoffe, ich habe nichts unterbrochen", fragte er. Ich schüttelte den Kopf: „Glaube mir, wenn es so wäre, würdest du jetzt noch vor der geschlossenen Tür stehen." Ein Blick huschte über seine Züge, den ich nicht ganz deuten konnte, dann drehte er sich um und ging den Flur runter.

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