Kapitel 7: Angst

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Geschockt blieb ich stehen und sah in die grünen Augen, die den Raum abscannten. Sie weiß, was ich getan habe. Sie weiß, wie grausam ich bin. Sie wird mir niemals mehr vertrauen wie zuvor. Sie wird mich nie wieder anfassen wollen. Sie wird mich nicht mehr lieben. Ich meine, nicht einmal ich komme wirklich mit dieser Seite von mir klar, wie soll sie es dann tun. Ich sah ihr in die Augen, dann ging ich an ihr vorbei in den Flur und schloss die Tür hinter mir. Sie musste die Angst in meinen Augen gesehen haben, denn sie setzte zum Reden an: "Marie, ..." Ich hörte nicht, was sie noch sagte, denn ich hatte zu viel Angst davor.

Ich ging einfach raus und flog auf einen nahegelegenen Baum, wo man mich nicht sofort entdecken würde. Ich zerbrach mir den Kopf über das was passiert ist. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, aber da ich immer noch hinter meinen Mauern versteckt war, konnte ich nicht weinen. Als mein Magen knurrte ging ich lediglich zurück in die Küche, um was zu essen zu holen. Ich aß was und beschloss zu duschen, als ich am Wohnzimmer vorbei kam und aufgehalten wurde. "Marie", sagte Clint, "hast du Infos für uns?" "Auf dem Laptop oben ist alles, was ich bisher habe", erwiderte ich mit kühler, angespannter Stimme. Sie alle saßen da und ich spürte, dass Nat mit mir reden wollte, aber ich hatte immer noch Angst. Ich ging ohne ein weiteres Wort oder einen weiteren Blick nach oben und duschte mich ab.

Als ich aus dem Bad rauskam saß Nat auf unserem Bett und wartete auf mich. Ich blieb stehen, unsicher was ich machen sollte. "Ich habe etwas für dich", sagte sie und streckte mir mein gutes Messer entgegen. Ich machte ein paar Schritte auf sie zu, nahm es und fuhr die Klinge aus. Sie war komplett sauber. "Danke", meinte ich leise und sah ihr kurz in die Augen, bevor ich wieder nach unten, auf das Messer in meiner Hand starrte, da ich nicht wusste, wohin ich sonst schauen sollte. "Hey," hörte ich ihre schöne Stimme. Sie nahm mein Gesicht in die Hand und zwang mich ihr in die Augen zu sehen: "Was bedrückt dich?" Ich starrte sie verwirrt an. Wie konnte sie das nicht wissen, nachdem sie mich SO gesehen hat? "Sogar den anderen ist aufgefallen, dass du seit heute Morgen komplett kalt bist, wo du doch sonst immer was zum Lächeln findest", fuhr die umwerfende Rothaarige fort, die meine Verwirrung wohl falsch gedeutet hat. "Du...", stieß ich hervor, "Du hast gesehen was ich gemacht habe und...", ich stockte kurz und spürte nun doch Tränen in meinen Augen, "und du fasst mich trotzdem noch an. Du...", in meinem Unglauben gingen mir die Worte aus. "Wieso sollte ich nicht?", fragte sie und wischte mir sanft eine Träne weg. "Weil ich ein Monster bin. Weil ich mich jederzeit hinter die ganzen Schichten zurückziehen kann und einfach meine Gefühle ausknipsen kann. Weil ich Menschen foltere, ihnen absichtlich Schmerzen zufügen und", meine Stimme brach.

"Und ich weiß, dass du das nicht aus Spaß machst", setzte meine wunderschöne und erstaunliche Freundin meinen Satz fort, "und dass es irgendjemand machen muss. Ich würde dich niemals für das verurteilen, was du tust um denen die du liebst zu helfen, um sie zu schützen." Sie legte die Arme um mich und zog mich an sich ran. Ich schniefte noch ein paarmal, dann sagte ich langsam: "Ich... Danke." Sie küsste mich kurz auf die Stirn, als ich mich zurückzog. "Es tut mir leid... ich... ich kann zwar meine Gefühle sehr schnell und gut verstecken, aber ich brauch immer eine Weile, bevor ich wieder bereit bin sie hochkommen zu lassen... Ich... Ich habe Angst davor", gestand ich auch mir selbst ein, " Angst vor den Träumen, die immer folgen, Angst vor den Gedanken der anderen, Angst davor verletzt zu werden, wenn ich Gefühle zu lasse." Ich sah ihr in die unendlich grünen Augen und nahm mit einem Mal war, dass ich es soeben in Rekordzeit geschafft habe, meine Gefühllosigkeit abzulegen. "Das ist ok. Ich bin für dich da. Ich würde dich niemals verletzen", sagte Nat und diesmal war ich diejenige, die sich an sie schmiegte. Ich fiel in ihren Armen in einen unruhigen Schlaf.

Ich war an einem Stuhl gefesselt, an DEM Stuhl. Sie hatten mich wieder. Ich sah sein Gesicht und es reichte aus, um mir Angst einzujagen. Ich wusste genau was jetzt kommt. Er nahm sein Messer und Schnitt mir wir jeden Morgen -ich dachte zumindest es sei immer morgens, wenn er das tat- die Nasenflügel durch. Dank meiner Selbstheilungskraft kann er das auch immer wieder tun, ohne dass eine Narbe zurückbleibt. Ich schrie laut auf.

Black AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt