Marie Pov:
Wie immer wurde ich gewaltsam geweckt. Nach meinem kargen Frühstück und einem Badbesuch kam ich wieder in meine Zelle. Mein Stuhl war zu einer Liege umfunktioniert wurden und irgendetwas durchsichtiges lag darauf. Mein Begleiter schubste mich drauf zu und befahlt mir mich hinzulegen. Als ich näherkam, sah ich, dass es Glassplitter waren. Ich blieb stehen. Mein Rücken hatte noch immer sämtliche Schrammen. Ein Knall und ein stechender Schmerz durchfuhren mich. Ich ging in die Knie. „Aufstehen", kam der Befehl sofort. Mit wackeligen Knien stand ich auf. „Hinlegen", wurde der erste Befehl wiederholt. Langsam setzte ich mich und spürte schon, wie mir die Scherben in den Hintern schnitten. Ich nahm meine Beine hoch und legte mich langsam zurück. Da mein Gewicht ziemlich gut verteilt war, kamen tatsächlich keine neuen Schnitte dazu, aber unangenehm war es trotzdem. Doch leider schien dies meinem persönlichen Gorilla auch klar zu sein, denn er fesselte mich sogleich und zog die Fesseln so eng, wie es nur ging. Ich schrie auf, als mein Rücken, meine Arme, meine Beine und einfach alles, was auf die Splitter gedrückt wurde anfing zu bluten. Wenn die so weiter machen, brauch ich noch eine Blutinfusion, um zu überleben. Irgendwann wurde ich ohnmächtig und tauchte die stille Schwärze ein, ohne meine Schreie, ohne den Geruch nach Schweiß und Blut, ohne das helle Leuchten der Deckenlampe.
Ein kalter Schwall Wasser in meinem Gesicht weckte mich mal wieder. Schnell leckte ich mir jeden noch so kleinen kostbaren Tropfen von den Lippen. Ich lag inzwischen wieder auf einer vom Glas befreiten Liege, was ich sehr zu schätzen wusste. Der Gorilla, der mir den Eimer übergeschüttet hatte, ließ noch einmal aus einer Laune heraus die Peitsche über meinen Bauch zucken und hinterließ einen roten brennenden Striemen. Er öffnete die Türe, aber es kamen in dem Moment ein paar andere Wachleute vorüber, was dazu führte, dass er in der Türe etwas warten musste. Ich bekam einen Blick auf rote Haare und eine Frau, die sich gegen die vier Gorillas wehrte. „Hör auf Romanoff, sonst knallts", sagte einer von ihnen. Meine Augen weiteten sich. Natasha? Die Größe kommt hin, die Haare auch. Und sie wehrt sich, etwas, dass würde sie definitiv auch tun. „Nat?", rief ich, aber es kam nur ein leises Flüstern raus. Zu lange hatte ich meine Stimme nichtmehr benutzt. „Nat!", rief ich nochmal, diesmal tatsächlich etwas lauter. Aber die kleine Gruppe war schon längst vorübergezogen und die Türe schloss sich direkt nach meinem Ruf. So lag ich da, wartete auf eine Antwort, welche ich nie hören werde und spürte, wie meine Mauer nun doch ein paar Risse bekam, Risse, die von innen kamen und nicht geflickt werden können, denn meine bloße Unwissenheit um die Liebe meines Lebens rufen sie hervor.
Immer wenn die Türe aufging und ein Gorilla raus oder reinkam hörte ich es. Die Schreie. Das Flehen. Das Schluchzen. Und es klang genau wie sie. Meine Mauer hatte immer mehr Risse bekommen und mein Geist inzwischen eher eine Ruine als eine Festung. Ich leidete mit ihr. Selbst dann, wenn ich schrie, so schrie ich zur Hälfte nur wegen der innerlichen Qualen, die ich hatte seit dem Tag, wo sie Nat hergebracht hatten. Es waren schon etwa fünf Tage seitdem vergangen und jeden Tag wurde es etwas schlimmer. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch Aushalten kann. Diese Frage löste sich aber ziemlich schnell auf. Die Giraffe kam in mein Zimmer und ließ die Türe offenstehen, weshalb ich die Schreie meiner Freundin wahrnehmen konnte. „Jeder Schrei ist Musik in meinen Ohren", zitierte sie Tribute von Panem etwas abgewandelt. Ich sah sie hasserfüllt an. „Ihr wollt doch nur mich", meinte ich dann und sprach das erste Mal seit langem mit ihr, „Dann nehmt mich. Tut mit mir, was ihr wollt, aber lasst sie gehen, lasst sie nicht mehr leiden." „Aber Schätzchen", meinte sie hämisch grinsend, „Wir tun doch schon längst mit dir, was wir wollen. Aber ich tu dir den Gefallen, wir erlösen sie von ihrem Leiden." Sie nickte einem Gorillas zu und er ging. Ich sah sie an, ich glaubte ihr nicht. Wir erlösen sie, erlösen, das sagt man doch normalerweise im Zusammenhang mit...
Ein Knall, laut und durchdringend. Die Schreie hörten abrupt auf. Meine Ohren klingelten, einerseits wegen dem Knall, andererseits wegen der plötzlichen absoluten Stille. „Ah", erleichtert ließ Tüsschen sich in die Lehne sinken, „höchste Zeit, dass der Lärm aufhört." Es kamen schwere Schritte von draußen und zwei Wachmänner erschienen, zwischen ihnen eine Frau mit roten Haaren und -wie ich wusste- grünen Augen, die für immer geschlossen waren. „Nat!", schrie ich auf und warf mich gegen die Fesseln, aber die einzige Folge dessen war, dass diese sich tiefer in mein Fleisch schnitten. Ich spürte die Tränen mein Gesicht runter rinnen. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. „Was sollen wir mit Romanoff machen?", fragte einer der Gorillas. Giraffe zuckte mit den Schultern: „Was ihr wollt. Vergrabt sie, verbrennt sie oder schändet sie. Mir ist es egal, solange keine Beweise übrig bleiben."
Der letzte Stein, der aus meiner Ruine noch eine Mauer gemacht hatte, fiel. Und mit ihm mein Bewusstsein für alles. Innerlich tot, äußerlich ein Wrack. Aber so war es besser. Ohne sie konnte ich nicht mehr leben. Ohne sie wollte ich nicht mehr leben. Ohne sie werde ich nicht mehr leben. Meine Sicht verschwamm. Die Geräusche um mich wurden zu einem kaum wahrnehmbaren Summen. Die Schmerzen in meinem Körper zu einem kaum wahrnehmbaren Brennen. Das Blut in meinem Mund zu einem nichtmehr wahrnehmbarem Geschmack. Die Gefühle in meinem Innerem zu einem Windhauch in einem Orkan. Innerlich tot, äußerlich ein Wrack. Ohne Bewusstsein lag ich einfach nur da. Ab diesem Zeitpunkt hörten sie nie wieder einen einzigen Schrei von mir.

DU LIEST GERADE
Black Angel
FanfictionMarie ist nun seit etwa einem Jahr Teil der Avengers und fast genauso lang auch schon mit Natasha Romanoff zusammen. Sie sind gerade bei Clint angekommen, als sie angegriffen werde. Als sich herrausstellt, dass die Angreifer aufgrund Maries Vergange...