Josuan der Traumseher - Kapitel 1.7

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Josuan verschwand auf sein Zimmer und schmiss sich aufs Bett

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Josuan verschwand auf sein Zimmer und schmiss sich aufs Bett. Er hatte Massua nicht alles gesagt. Für ihn gab es eine besondere Person unter den elf Gefährten: die Stammeskämpferin. Weil er unfähig war, seine Verbundenheit ihr gegenüber zu erklären, hatte er geschwiegen.

Diese Frau sah er in seinem Geiste und wie sie ihn aus ihren tiefgrünen, aber traurigen Augen ansah. In schlichte Sachen gekleidet stand sie da, dennoch strahlte ihr ganzes Wesen Anmut aus. Ihre langen, gekringelten, schwarzen Haare hatte sie zu einem Knoten gebunden, während ihre dunkle Haut sie als einen Nachkommen der Wüstenstämme auswies. Ihre Hautfarbe war heute selbst auf Fagadasien nichts Ungewöhnliches mehr. Aber es hatte andere Zeiten gegeben – Epochen vor den Katas.

Die Frau war ein Familienmitglied der Herrscherfamilie, dass wusste er einfach. Sie konnte jedoch nicht die Thronerbin sein, denn er hatte gehört, dass diese stumm sei. In seinem Traum sprach die blaue Wüstenlöwin eindeutig mit dem Dieb. Dennoch beabsichtigte er, seine Gedanken erst einmal für sich zu behalten, um zu verhindern, dass sie die falschen Schlüsse zogen und die Kata-Fürstin deshalb vergeblich suchten. Die Stammeskämpferin faszinierte ihn. Dies war ein weiterer Grund, warum er niemandem früher von seinen Traumbildern erzählt hatte. Wie hätte er ahnen können, dass der Traum gar keiner war?

Müde schloss Josuan die Augen und fand nach der anstrengenden Reise sogar etwas Schlaf. Zumindest bis er von einem Klopfen geweckt wurde.

Er schreckte hoch, rief aber dennoch so gefasst wie möglich: „Ja, herein!"

Massua trat ein, warf einen missbilligenden Blick auf den und reichte ihm einen Umhang. Ärgerte er sich, dass Josuan geschlafen hatte? „Komm!", befahl sein Bruder und führte ihn auf die nächtlichen, ausgestorbenen Straßen von Fengo.

Ihr Weg schlängelte sich über viele Kanäle und Brücken. Wenn man durch die Wasserstadt lief, bemerkte man gar nicht, dass sie auf dem Wasser schwamm. Nur der intensive Seeluftgeruch erinnerte einen daran. Der See lag meistens gemächlich da, aber wenn es einmal stürmte, fühlte es sich an, als ob einem die Erde unter den Füßen weggezogen wurde. Viele ertrugen dieses Gefühl nicht und verließen die Stadt. Josuan hingegen dachte in solchen Momenten voller Wehmut an die Abende seiner Kindheit im Stadthaus. Seine versammelte Familie hatte in Decken gehüllt im Salon die Stürme abgewartet. Die Älteren hatten Geschichten erzählt, die Kinder hatten andächtig gelauscht und sich aneinander gekuschelt. Da hatte er sich ihnen allen immer am verbundensten gefühlt.

Eine große Allee führte mitten durch Fengo, die beide Seeseiten miteinander verband. Massua und Josuan kreuzten diese Hauptstraße und ließen schnell, einen etwas heruntergekommenen Teil des Stadtzentrums mit engen Gassen und hohen Häusern hinter sich.

Sie liefen, bis sie endlich den Stadtrand erreichten. Der Rand war von einer beachtlichen Holzpalisade umzäunt. Darin konnten sich Verteidiger verstecken und sich gegen herannahende Feinde wehren, die keine Chance hatten, unentdeckt die Stadt zu betreten. Massua führte ihn zu einer Tür und sie betraten die Palisade. Josuan war nie in ihrem Inneren gewesen. Wahrscheinlich bewachten nur wenige Soldaten die Außenmauer. Wer würde Fengo auch angreifen? Seit der Machtübernahme der Katas, die nunmehr acht Generationen das Herrscherreich regierten, war das nicht mehr geschehen. Ein blauer Wüstenlöwe lebte immer lange, denn die Familie verfügte über geheime Zauberkräfte und war schon deshalb ein ernstzunehmender Gegner. Zudem waren die Kataniades die Einzigen, die diese Kräfte benutzen durften.

Massua hatte beim Eintritt in die Palisade eine Fackel entzündet und führte Josuan durch etliche Räume. Zwei Mal kamen sie an Wachposten vorbei, mit denen sein Führer heimlich flüsterte. Jedoch achtete er nicht weiter darauf. Er sah lieber durch die kleinen Schießscharten auf den nächtlichen See. Niemals hatte er das Gewässer so gesehen. Im gefühlt hundertsten Raum schritt Massua auf ein Loch im Boden zu. Josuan erkannte, dass der See nicht weit darunter lag. Er schimmerte im Fackelschein. Die Griffe der Abdeckung waren voller Rost, abgestorbener Algen und Moos von der Feuchtigkeit.

„Vertrau mir jetzt einfach", erklärte Massua abschätzig. Josuan sah mit gerunzelter Stirn seinen Bruder an. Ein bisschen hatte er das Gefühl, dass dieser ihn gar nicht einweihen wollte.

Massua brummte ein paar unverständliche Worte, dann nahm er aus einer kleinen, unscheinbaren Truhe hinter einem alten Fass etwas Pulver und blies es Josuan ins Gesicht. Überrascht hustete dieser und fuchtelte wild um sich.

„Bist du verrückt geworden?", fragte er empört. Massua pustete das Pulverzeug direkt über seinen Kopf und ließ es auf sich niederrieseln. Dann sagte er nur: „Spring ins Wasser."

Ungläubig glotzte er seinen Bruder an und erkundigte sich betont gefasst: „Wie bitte?"

„Spring Josuan!", befahl Massua.

Zuerst verdutzt, resignierte der Angesprochene und sprang ins Wasser. Er erwartete, dass ihm augenblicklich kalt werden und er prustend an die Oberfläche zurückkehren würde. In seinem Kopf sah er sich sogar auftauchen und eine Schimpftirade beginnen, da dämmerte ihm langsam, dass nichts davon geschah.

Als er das Wasser berührt hatte, bildete sich eine Luftblase um ihn. Sie schützte Josuan vor den Wassermassen und er blieb trocken. Im Inneren der Blase war es warm und er konnte durch sie hindurch in die Unterwasserwelt schauen. Aber das schummrige Licht von Massuas Fackel reichte leider nicht weit. Sprachlos betrachtete er dennoch das atemberaubende Schauspiel.

Josuan sah zu Massua, der ihn von oberhalb der Wasseroberfläche beobachtete. Dann sprang er. Als er das Wasser berührte, bildete sich um ihn ebenfalls eine Luftblase. Beide Blasen setzten sich kurz darauf in Bewegung. Der Burgherr konnte die Richtung nur erahnen. Die Unterwasserblasen bewegten sich weg von der Stadt nach Westen, gleichzeitig sanken sie aber immer tiefer in den Fengosee hinab. Er war überwältigt. Noch nie hatte er etwas Vergleichbares erlebt.

Staunend sah er den Fischen zu, die sie überhaupt nicht beachteten und nicht einmal den Luftblasen auswichen. Wenn ein Unterwasserwesen eine Blase berührte, glitt dieses nur an dem durchsichtigen Hindernis vorbei und setzte anschließend seinen Weg unbeirrt fort. Bald schon sahen sie den Grund des Sees, auf dem einige Pflanzen wuchsen. Ein paar kleinere Seebewohner tummelten sich übermütig. Fasziniert betrachtete Josuan seine Umgebung.

Unvermittelt bemerkte er, dass sie direkt auf eine Steinwand zusteuerten. Fels. Geröll. Wasserpflanzen. Soweit das Auge reichte. Die Luftblase bremste nicht und hielt auf die unüberwindbare Wand zu. In Panik rief er Massua zu, dass sie ausweichen mussten. Aber der hörte ihn nicht und schaute in eine andere Richtung. Als er ihn endlich bemerkte, grinste er nur und zuckte mit den Schultern. Josuan sah verdutzt drein, bevor er im selben Moment auf die Felswand traf. Er versuchte, den Aufprall abzufangen, indem er sich abwendete und die Hände schützend vor sich hielt, aber erneut geschah einfach gar nichts.

Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt