„Komm", sagte Fatuna und führte sie zu einem Baum, an dem sie einen Punkt der Rinde eindrückte. Ein kleines Tastenfeld öffnete sich. Sie drückte die erforderliche Kombination und schon schob sich surrend eine Tür im Boden zur Seite. Nassia starrte in die Richtung des Geräusches, erkannte aber nichts.
„Vertraust du mir?", fragte Fatuna. Die Sonneguckerin nickte. „Ich werde alles tun, damit wir pünktlich zurück sind", bekräftigte sie.
Die Gnomlingin legte ihre Hand in die von Nassia und zog sie mit sich. Die blaue Wüstenlöwin folgte ihr bereitwillig, selbst wenn es für sie stockdunkel war. Fatuna schloss die Tür hinter ihnen wieder, um ungebetene Gäste fernzuhalten. Kurz darauf kramte Nassia in ihrer Tasche und holte einen Kristall heraus, der die nächste Umgebung beleuchtete. Fatuna rümpfte ihre Nase, aber was sollte sie dagegen sagen. Die Gnomlingin führte ihre Begleiterin mehrere Gänge entlang, immer wieder hielt sie an und studierte die Schalttafeln, die an allen Kreuzungen hingen. Nassia erkannte nur ein paar blinkende Lichter, die nicht einmal reichten, um die direkte Umgebung zu beleuchten. Die meiste Zeit schwieg sie und ließ sich mühelos durch die Tunnel lotsen.
So marschierten sie eine Weile in straffem Tempo und kamen immer tiefer. Endlich erreichten sie den Rutschenfall, das Ziel der beiden.
„Ab hier musst du jetzt alleine weiter, Nassia", erklärte Fatuna.
„Wie bitte? Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein!", rief die Sonnenguckerin entrüstet und entzog dem Gnomling ihre Hand.
„Es ist nicht so schlimm, wie du denkst", beschwichtigte die Gnomlingin. Die Kata-Fürstin schwieg, sie stand etwas entfernt und starrte sie wütend mit großen Augen an.
„Du musst nur diese Rutsche nach unten nehmen", erklärte Fatuna. In dem Moment japste Nassia und rief erschrocken: „Rutsche!?" Wild fuchtelte die Thronfolgerin mit ihrem Kristall umher und endlich entdeckte sie den Eingang der Rutschenrampe. Fatuna fuhr derweil unbeirrt fort: „Ich habe hier eine Schlangenhaut für dich, die wird dafür sorgen, dass du ohne Probleme hinunterkommst. Unten ist unsere Stadt Modina, dort wird wieder Licht sein und die Gnomlinge, die du triffst werden dich zu Laobabo bringen."
„Du willst tatsächlich, dass ich ohne etwas zu sehen ins Schwarze rutsche. Du musst verrückt sein. Ja, so muss es sein. Die Nachwirkungen von Danus Trank wirken immer noch bei dir. Kannst du mich jetzt bitte zurückbringen?", erwiderte die Sonnenguckerin geschockt.
Fatuna sah verwirrt ihre Begleiterin an und meinte: „Nein, Nassia. Ich kann dich nicht zurückbringen. Erst nachdem du bei den Gnomlingen warst. Du musst meinem Laobabo sagen, dass er dich zum Rutschenfall zurückbringen muss. Aber ich komme erst zurück, wenn du alleine hier bist. Sag ihm bitte nichts von mir, er wird es sich denken, aber er darf es nicht bestimmt wissen. Schaffst du das? Du musst dafür sorgen, dass sie dich zum Ravia bringen."Nassia starrte sie an. „Fatuna, weißt du eigentlich was du da alles von mir verlangst?", fragte sie ungläubig.
„Die Rutsche ist nicht schlimm und alles andere wird sich finden. Es ist nicht schwer", antwortete Fatuna.
Nassia wandte sich ab und schüttelte energisch ihren Kopf. Sie lief aufgeregt hin und her, wie eine unterirdische eingesperrte Tigerkatze, die der Gnomling als Kind, wie ein Haustier gehalten hatte. Irgendwann hatte sie das Tier – ihre Zotti – frei gelassen. Sie hatte das Unglück des Sonnenguckertieres nicht mehr ertragen.
Das gleiche Verhalten hatte Fatuna schon öfter bei der hochwohlgeborenen Sonnenguckerin beobachtet. Wenn Nassia sich aufregte und überlegte, dann benahm sie sich immer so. Es war am besten sie in diesem Zustand nicht zu stören. Deshalb setzte sich Fatuna kurzerhand auf den Boden und wartete.
Die Gnomlingin hatte nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet. So wie sie Nassia inzwischen einschätzte, tat sie immer, was nötig war. Warum stellte sie sich bei der Rutsche jetzt so an? In ein paar tausend Herzschlägen würde es vorbei sein.
Die Sonnenguckerin seufzte und lenkte ein: „Komm, bringen wir es hinter uns." Fatuna sprang sofort auf und nahm den Schlangenanzug zur Hand, den sie Nassia reichte. Er würde ihr beim Runterrutschen helfen, ohne ihn würde sie stecken bleiben. Sie würde schon so Probleme bekommen, weil sie so viel größer und massiger als die Gnomlinge war. Wobei sie Glück hatten, dass sie für einen Sonnengucker ziemlich zierlich war. Keinen der Männer hätte Fatuna nach unten schicken können.
Die Gnomlingin half Nassia in den hautengen Anzug. Sie zogen und schoben, zerrten und rissen. Schließlich hatten sie es geschafft. Sie brachte ihre Freundin zum Eingang der Rutsche und erklärte: „Am Besten du machst dich ganz steif und legst deine Hände über Kreuz auf deine Brust. Das Wasser wird sein übriges tun."
„Wasser?", kreischte Nassia entsetzt und Fatuna zuckte erschrocken zusammen. Was gab es nun schon wieder für ein Problem? Hatte sie das Becken nicht gesehen, als sie mit dem Kristall alles ausgeleuchtet hatte?
„Natürlich! Wie willst du denn sonst hinunterkommen?", fragte Fatuna verblüfft.
Nassia schimpfte, doch sie ließ sich von dem Gnomling zur Rutsche führen. Sie hatte alle ihre Sachen auf einem Haufen gelassen, aber den Leuchtkristall hielt sie fest, als würde ihr Leben davon abhängen. „Ich nehme deinen Kristall, den brauchst du nicht und während der Rutschpartie kannst du ihn nicht festhalten", erklärte Fatuna.
Die Sonnenguckerin hob an etwas zu sagen, reichte ihr aber stumm und störrisch den Kristall. „Also bist du bereit?", erkundigte sich die Gnomlingin leichthin. Nassia sah zu dem Gnomling und zischte: „Natürlich nicht, Fatuna! Darüber sprechen wir noch!" Dann kletterte die Thronerbin in ein kleines Becken vor der Rutsche, das leise gluckernde Geräusche von sich gab.
Die Blaue sah, wie das Wasser Nassias Knöchel umspülte und sie zurückschreckte. Es war nicht kalt. Was für Problem hatte sie nun? Hatte sie Angst vor Wasserrutschen? Aber warum? Nassia tapste durch die Flüssigkeit zum Einstieg in die Rutsche und Fatuna betätigte einen Hebel, der das Wasser die Rinne hinunterlaufen ließ. An der Öffnung tastete die Sonnenguckerin aufmerksam die Gegebenheiten ab. Der Gnomling hätte den Raum erhellen können, aber dann wäre der Thronfolgerin die folgende Schwärze nur dunkler vorgekommen. Nassia setzte sich ins Wasser und fühlte nach den Wänden. Fatuna flüsterte: „Dir kann nichts passieren." Doch das hörte die Kata-Fürstin schon nicht mehr. Sie war losgerutscht.
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Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
FantasyDie Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.