Sie verließen zu zweit die Stadt und nahmen den Weg, der sie den Berg wieder hochführte. Die Sonne brannte auf sie herunter. Der Marsch war anstrengend, deshalb redeten sie kaum. Josuan war froh darüber, so verschob sich das Donnerwetter immer weiter nach hinten und würde sicher nicht so drastisch ausfallen. Er hoffte, dass Fatuna oder Saverani endlich Neuigkeiten von ihren verloren gegangenen Gefährten für sie hatten. Vielleicht würde das Nassia auf andere Gedanken bringen.
Unvermittelt hörten sie einen Ruf. Josuan sah blinzelnd den Berg hinauf, er erkannte kaum etwas bei dem gleißenden Licht. Der Weg vollzog weiter oben eine Biegung und er sah genau in die Sonne. Jemand stürzte ihnen entgegen, nahm er verdutzt wahr. Josuan schirmte seine Augen gegen das Sonnenlicht ab. War das möglich? Sein Vater?
Er lief los und ließ eine verdatterte Nassia hinter sich. Sie verstand nicht, wie man diesen Berg bei der Hitze hinaufrennen konnte. Je näher er demjenigen kam, umso sicherer war er: Es handelte sich um Kanju Tiguadade. Glücklich schlossen Vater und Sohn sich in die Arme.
„Ist es zu fassen", lachte sein Gegenüber, schob ihn euphorisch wiederholt von sich, um ihn anzusehen und im nächsten Moment erneut an sich zu ziehen.
„Ich hätte nie gedacht dich wieder zusehen, Vater", sagte Josuan etwas vorwurfsvoll. Kanju bemerkte ablenkend: „Aber du hast das Rätsel gelöst, wie ich gehört habe."
„Hättest du mir nicht einfach die Wahrheit sagen können – ohne Räsel?", erkundigte sich Josuan und sah ihn wütend an.
„Manchmal, mein Sohn, ist die Sorge größer als der Verstand. Das wirst du hoffentlich auch noch irgendwann verstehen, wenn du selber Familie hast", erwiderte Kanju vage. Josuan sah seinen Vater fassungslos an.
„Mehr hast du nicht dazu zu sagen?", wollte er wissen.
„In dem Moment glaubte ich das Richtige zu tun", erklärte der Ältere doch etwas beschwichtigend.
Nassia kam in Hörweite und Josuan drehte sich zu ihr. „Du hast vielleicht schon von ihr gehört, Vater. Das ist die Thronfolgerin, aber wir nennen sie Nassia. Mit ihr habe ich schon viele Abenteuer bestanden", der Traumseher hatte das Gefühl, irgendetwas nettes über sie sagen zu müssen, doch er erntete nur etwas seltsame Blicke. „Nassia, das ist mein Vater, Kanju", stellte Josuan ihren Gegenüber vor.
Die Stammeskämpferin sah den Mann überrascht an. „Mylord, ich habe schon viel von euch gehört. Es freut mich euch kennenzulernen", erwiderte sie distanziert.
Erst guckte der Neuankömmling etwas verdutzt, er kannte wohl die Gerüchte, dass sie nicht sprach. Aber er überspielte seine Unsicherheit sofort und sagte: „Nicht so förmlich, mein Kind. Ich bin Kanju und es würde mich freuen euch ebenfalls Nassia nennen zu dürfen." Die Thronfolgerin lächelte seinen Vater an und drückte ihm warm die Hand.
„Kommt jetzt, die anderen warten sicher schon. Wie werden alle froh sein", rief Kanju enthusiastisch und trieb sie weiter den Berg hoch.
„Sind denn alle wohlauf?", fragte Nassia. Wo sie einmal angefangen hatte, konnte sie schwer wieder aufhören mit ihren guten Umgangsformen. Josuan grinste still.
DU LIEST GERADE
Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
خيال (فانتازيا)Die Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.