Tonyar war alleine unterwegs, um nach den verschollenen Gefährten zu suchen. Sie hatte ihre Kleidung in einer Spalte bei einem Felsen gelassen und huschte, mal als Maus, mal als Fledermaus, mal als Fuchs oder Wolf über den Schnee. Als Letzteres roch sie alle Nuance ihrer Umgebung und hoffte etwas Ungewöhnliches, zu wittern, um auf die Spur der Vermissten zu kommen. Manchmal kam sie in die Nähe ihrer Gefährten und wandelte ihre Form jedes Mal in ein winziges Lebewesen, damit sie nicht versehentlich für Beute oder gar einen Feind gehalten wurde. Schließlich beobachtete sie Faniso, der etwas vor sich her murmelte und dann aufgeregt in eine Richtung eilte. Sie huschte ihm hinterher: es war nur ein totes Tier, das er fand. Eine Bergziege, wie es schien.
„Die Fläche ist zu groß, Oranos. Bei Lawinen ist es wichtig, die Verschütteten wegen der Kälte und des Luftmangels so schnell wie möglich zu finden. Aber ich weiß nicht wie ich sie finden soll? Sie könnten wirklich überall sein. Vielleicht sind sie gar nicht auf dieser Seite des Berges. Oben haben wir doch gesehen, dass eine kleinere Lawine den anderen Steilhang hinunter ging. Wenn sie nun dort runtergestürzt sind, dann..." Er ließ den Satz unvollendet.
„Du bist der Magier, Faniso. Was soll ich dir schon raten", antwortete der Krieger.
„Es geht bei Magie nicht nur um ein paar Formeln, Oranos. Das weißt du doch. Es geht vor allem um Köpfchen und darum so wenig Energie wie möglich für einen Zauber zu brauchen. Am besten ist gar kein Zauber nötig", erklärte Faniso. Er sah sich verzweifelt um. „Wenn ich doch wenigstens eine Spur hätte."
„Nützt kein Jammern, Ärmel hoch und los geht's. Du weißt, dass wir Nassia und Semio finden werden. Die Chancen stehen gut, dass Josuan bei ihnen ist. Vielleicht solltest du das Mädchen um Hilfe bitten", schlug Oranos praktisch vor. Faniso sah den Krieger zuerst aufgebracht an, beruhigte sich jedoch wieder schnell.
Der Magier schaute nachdenklich und nickte dann: „Du hast ja Recht." Er sah sich um. „Der Schnee muss weg. Aber so viel Kraft hab ich nicht." Er beäugte grübelnd eine Wolke. „Ich kann es wirklich nicht alleine und ich hätte sogar schon eine Idee, wie sie uns helfen könnte."
„Kannst du vielleicht meine Sinne schärfen?", erkundigte sich Tonyar und trat zu den beiden völlig überraschten Männern. Sie hatte sich eine Decke umgewickelt, die sie bei nicht weit entfernten Sachen gefunden hatte. Oranos sprang auf und zückte seine Waffe. Aber als er sie erkannte, grinste er zu Faniso: „Da ist sie ja auch schon! Mal wieder halbnackt, wie man sieht."
„Was soll das heißen? Bin ich etwa das Mädchen?", wollte Tonyar wissen.
Faniso sah sie aufmerksam an. „Tja, meine Liebe. Massua und auch Josuan seit dem Kerker, hatten den starken Verdacht, dass du eine Formwandlerin bist. Aber ich bin entsetzt. Ihr lauscht", kommentierte er.
Tonyar sah ihn hochmütig an. „Ich bin euch gefolgt, weil ihr ganz aufgeregt wart wegen des toten Tiers da vorne. Ich konnte ja nicht ahnen, dass euch ein Ziege so aus dem Häuschen bringt. Was ist nun? Kannst du meine Sinne schärfen?", erkundigte sie sich erneut.
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Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
FantasyDie Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.