Beim Betreten des Schlosses fiel sofort der Kontrast auf, den die weißen Wände, Böden und Decken zum schwarzen Außenbild formten. Windar sprang aufgeregt zur Innenwand, fuhr fasziniert darüber und begeisterte sich überschwänglich: „Seht, Herr. Es ist tatsächlich von innen so schneeweiß, wie man sagt!" Trochian ignorierte ihn einfach. Eine Schar Diener erwartete sie und führte sie in prächtige Gemächer. Dort konnten sie baden, etwas essen und sich von den Strapazen ihrer Reise erholen. Windar blieb die ganze Zeit bei ihm und Trochian gab ungern zu, dass er froh darüber war. Allerdings schien sein Kammerdiener mindestens genauso nervös, wie er zu sein.
Irgendwann erschien ein Lakai, um ihn zur Herrscherin zu geleiten. Der Aufseher kam sich dabei vor wie das sprichwörtliche Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird.
Als er Fanais Saal betrat, verschlug es im gänzlich die Sprache. Sein Gemach war sicher prächtig ausgestattet, aber hier schien jedes Kissen, jede Vase, jedes Bild aufeinander abgestimmt und die Harmonie des Raumes begeisterte ihn. So viel Reichtum hatte er nie zuvor gesehen, wobei nicht alles kostbar war. Doch die einzelnen Objekte harmonierten perfekt miteinander. Die Herrscherin saß auf einem schlichten Holzthron, für ihn war keine Sitzgelegenheit vorgesehen. Der Raum schien ihr offizieller Empfangsraum zu sein. Die freundlich wirkende Frau mit ihren langen braun gewellten Haaren und ihrer zartblassen Haut, stand auf und kam ihm entgegen: „Trochian, mein Freund. Wie geht es euch? Hattet ihr eine angenehme Reise?"
Der Aufseher, überrascht über die vertrauliche Wortwahl, entgegnete ebenso galant: „Mylady Fania. Ich bin entzückt, euch endlich zu begegnen. Wir wurden aufs vorzüglichste empfangen und konnten uns schon erholen. Die Erinnerungen der langen Reise verblassen bereits und ich freue mich zutiefst in Zinoka so herzlich begrüßt zu werden."
Die Herrscherin lächelte. „Mich freut zu hören, dass ihr alles zu eurer Zufriedenheit angetroffen habt. Kann ich sonst noch etwas für euch veranlassen?" Sie sah ihn aus dunklen grünen Augen an. Als er nicht reagierte, fuhr sie fort: „Gleich werdet ihr den Herrscher treffen, der sich sehr über euren Besuch freut. Eure Familie steht in einem tadellosen Ruf und Herrscher Risotatus bedauert zutiefst, dass es nicht häufiger die Möglichkeit gibt, sich gegenseitig zu besuchen." Danach beugte sie sich zu ihm und flüsterte leise: „Ich wünsche, dass ihr bis heute Abend überhaupt niemandem von unserer Abmachung erzählt." Sie lächelte verschmitzt und entfernte sich dann wieder etwas.
Trochian sah sie überrascht an, fasste sich jedoch rasch und erwiderte: „Ebenso wie ich mich freue den Herrscher kennenzulernen und sein Gast sein zu dürfen." Er bemerkte selbst, dass das lahm klang. Aber die letzten Worte der Herrscherin hatten ihn aus dem Konzept gebracht. Es ahnte immer noch niemand von der Mingu-Zeremonie? Risotatus würde sicher außer sich sein vor Zorn.
Bis Fanai ihn entließ, wechselten einige geplänkelte Worte von einem zum anderen. Er war dennoch erleichtert, als er sich endlich verabschieden konnte. Ein neuer Diener führte ihn in den Thronsaal des Herrschers und auch hier überwältigte die unsagbare Anmut und Schönheit der Einrichtung. Überall hingen Spiegel und Kristalle an den Wänden. Aber sein Augenmerk wurde von einem riesigen, verspiegelten Kronleuchter angezogen, der aus dem gewaltigen Gewölbe herunterbaumelte und das Geschehen in tausendfacher Anzahl reflektierte. Der Spiegelsaal war weit über Zinoka hinaus bekannt und Trochian kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
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Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
FantasyDie Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.