Semio der Dieb - Kapitel 3.3

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Nachdenklich kehrte er zurück in seine Unterkunft nachdem er das Treffen mit den Eingeweihten verlassen hatte

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Nachdenklich kehrte er zurück in seine Unterkunft nachdem er das Treffen mit den Eingeweihten verlassen hatte. Er hatte etwa vier Stunden Zeit, um zu packen. Als er seinen Turm betrat, saß Tam am Tisch und knabberte an einem alten Brot. Er freute sich, dass Semio zur Tür hereinkam. „Dich hab ich auch vernachlässigt, oder? Na was sagst du, möchtest du mit auf eine Reise?" Der Tierhüter lachte, aber Tam fand das gar nicht komisch. „Komm wir packen." Langsam akzeptierte er sein Schicksal, seine Heimat zu verlassen. Was blieb ihm alternativ übrig?

Semio packte ein paar Sachen zusammen und trat dann an eines der Fenster. Der Blick war atemberaubend und die Stadt lag friedlich da. Die dunklen Silhouette der vielen Türme stachen deutlich über allem heraus. Darüber spannte sich die Höhlendecke mit dem riesigen, herunterbaumelnden Kristall, der Licht in die Höhle brachte. Semio trat zurück und setzte sich an den Tisch zu Tam. „Ich muss wohl meine restlichen Sachen verschenken. Aber erst essen wir", verkündete er.

Nach dem Mahl machte er sich mit Tam und all seinen Habseligkeiten auf den Weg zu seiner Familie, nur seine gepackte Tasche ließ er zurück. Ziina war seine Tante mütterlicherseits und hatte sich um ihn gekümmert, als seine Eltern vor ein paar Jahren in Minandrien einen Neuanfang gewagt hatten. Sein Vater stammte von dort und hatte schon lange seine Heimat vermisst. Sie waren jedoch erst aufgebrochen, als er nach aktunostrischem Recht volljährig war. Dadurch konnte er selbst entscheiden, wie und wo er sein Leben verbrachte. Nur selten erhielt er einen Brief von ihnen und noch seltener schrieb er zurück. Es fiel ihm schwer, ihre Wahl nachzuvollziehen, und er war darüber nach wie vor wütend.

Er klopfte und seine hübsche Elbenkusine Nadu öffnete. „Oh hallo Semio. Toll, dass du da bist! Magst du mit uns essen?", flötete sie fröhlich.

„Danke, aber ich hab schon gegessen", erwiderte er. Als er aber Nadus enttäuschten Blick bemerkte, beschwichtigte er: „Ich hab etwas für euch. Ein paar kleine Geschenke."

Ziina trat dazu, die seiner Mutter so ähnlich sah, dass es ihn oft erschreckte, wenn er sie traf. Für einen Moment vergegenwärtigte er sich, dass Batea nicht mehr in Zinoka war.

„Aber doch nichts illegal Erstandenes?", fragte sie mit ihren elbisch wachen Zügen. Alle seine Verwandten waren nur Halbelben oder gar keine Elben, deshalb gehörten sie nicht zum geschätzten Kreis der Vollelben in Zinoka. Dann wäre Vieles einfacher gewesen, dachte Semio wehmütig.

Ziina war eine der wenigen, die wusste, dass er für die Eingeweihten arbeitete. Als Diener im Schloss bekam man manchmal mehr mit, wie gut für einen war. Aber sie hätte ihren Neffen niemals verraten.

„Nein, nein", wehrte Semio ab. „Ich würde euch doch nie in Schwierigkeiten bringen, Tante Ziina." Er lachte, um gleich darauf wieder ernst zu werden: „Ich verlasse Zinoka."

Ein kurzes Schweigen und dann folgte ein Aufschrei: „Nein, warum... Nein das kannst du nicht, Semio!" Nadu fiel ihm stürmisch um den Hals und schluchzte unverhohlen.

„Tut mir leid, Kusinchen. Ich... es geht nicht anders", erklärte er irritiert.

„Was sagt denn Nassia dazu?", fragte Theos, Ziinas mittlerer Sohn. Seine kleine Schwester Lasia sah Semio nur mit riesigen Augen an.

Nadu schluchzte in Semios Arm, als er antwortete: „Sie kommt mit."

Ziina seufzte erleichtert: „Na dem großen Wustu sei Dank! Das Mädchen muss wirklich fort von hier, Semio."

Alle sahen die Schlossdienerin erstaunt an. Nadu fand ihre Sprache als Erste wieder: „Mama, das kann doch nicht dein Ernst sein! Sie sollen nicht weggehen."

„Schatz, manchmal sind die Dinge nicht so leicht. Leider geht es in dieser Angelegenheit nicht, um das was du möchtest. Ich finde es auch schade, dass sie weggehen. Aber es ist zu ihrer aller Besten", erklärte Ziina geduldig.

„Nein!", schrie Nadu und rannte aus dem Turm.

Semio sah seine Tante hilflos an. „Schon gut, das wird schon wieder", meinte seine Tante leichthin.

„Ich wollte euch einige meiner Sachen da lassen", erklärte der Tierhüter mürbe. „Und auch Geld."

„Das ist lieb von dir Semio. Danke!", lächelte Ziina.

„Meinen Turm könnt ihr vermieten. Kommt – kommt ihr klar?", fragte er zögerlich.

Überzeugend nickte ihm seine Tante zu. „Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen!" Forschend sah Semio sie an, aber er entdeckte keinerlei Zweifel. Ziinas Gefährte Gosto war Höhlenjäger in den vielen kleinen Höhlen im Untergrund von Zinoka. Dadurch würden sie zumindest genug zu Essen haben.

„Ich... ich muss dann los. Komm Tam", stotterte Semio beklommen. Der Bär saß auf dem Boden und hatte alles mit großen Augen verfolgt. Jetzt verschränkte er die Arme und sah seinen Freund an. Er schüttelte langsam den Kopf.

Der Tierhüter war fassungslos und presste hervor: „Du, du willst hier bleiben?"

Tam nickte.

„Aber, aber wir waren doch immer zusammen", flüsterte der Eingeweihte. Der Bär kroch auf ihn zu und ließ sich hochheben.

„Mein kleiner Freund", hauchte Semio und umarmte ihn. Er hatte nicht die Absicht, sich vor seiner Familie die Blöße zu geben und setzte ihn bald darauf wieder ab. Er wusste, dass er Tam nicht umstimmen würde. Wenn der Steinbär sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab er nicht auf. Das war schon immer so. „Ich werde dich vermissen, Tam. Pass gut auf Nadu auf", stammelte Semio tapfer und wandte sich ab. Der Bär zog ihn aber hinüber zu den Gegenständen, die er Ziina mitgebracht hatte. Neben einigem Krimskrams und einem Leuchtkristall lagen zwei Feuersteine. Der Bär nahm sie und reichte sie Semio.

„Ich soll sie mitnehmen? Gut, das mache ich", sagte der Eingeweihte klaglos. Dann stand er auf, streichelte über Tams Köpfchen und verließ die Wohnung. Er war fassungslos, dass Tam die Reise nicht antreten würde.

Als Semio zurück in seinen Turm kam, setzte er sich an den Tisch. Stille. Er war selten ohne Tam, der ihn auch zur Arbeit begleitet und nur bei den Aufträgen der Eingeweihten nicht anwesend war, weil er das als zu gefährlich fand. Warum änderte sich bloß alles so rasant? „Verdammt!" Wutendbrand schlug er mit der Faust auf den Tisch.

„Ich werde mich kurz fassen", sagte da eine dunkle Stimme. Semio sprang auf. „Wer, wie...?", fragte er verblüfft. Jemand trat aus der Dunkelheit, er trug eine Kapuze und der Tierhüter erkannte nur seine Umrisse.

„Sag Josuan, dass einer der Söhne des Herrschers ein Pescator ist. Fast niemand weiß davon. Er lebt in Sendari und heißt Rano Tagso Emano Weso. Unterschätze ihn und seine Fähigkeiten nicht." Es ergab sich eine Pause. „Noch etwas, vertraue ihm nicht. Er wird vermutlich seine eigenen Interessen verfolgen. Ich wünsche euch allen viel Glück, pass auf deine Freunde auf! Es tut mir leid, dass ich nicht mehr tun kann. Aber wie die Dinge liegen, sind mir die Hände gebunden."

Bevor Semio reagieren oder eine Frage stellte, war der Mann durchs Fenster gehüpft, kletterte umständlich am Turm hinunter und schon war er in den Gassen verschwunden. Kurzerhand schnappte er sein Gepäck und sprang hinterher. Den gleichen Weg hatte er bereits häufig genommen, aber er hatte ihn niemals einen anderen nehmen sehen. Er folgte dem Mann, verlor ihn bald in den Gassen. Wütend und enttäuscht machte er sich auf den Weg in die Untergrundgänge.

Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt