Er folgte der Straße, wie die Kinder gesagt hatten. Nicht weit entfernt hing über einer Tür ein Schild, welches ‚das fliegende Möpschen' als Lokal anpries. Ohne zu zögern, steuerte Dunas direkt darauf zu. Der Wirt, ein großer, breitschultriger Mann, mit Nasikvorfahren, was man an der blau-braunen Haut sehen konnte, war damit beschäftigt zwei Streithähne zu beruhigen. Aber als der Fremde eintrat, verstummten sie, setzten sich wieder an den Tisch und löffelten ihre Suppe stillschweigend weiter. Die Männer waren die einzigen Gäste.
Der Wirt kam auf ihn zu. „Reisender. Was kann ich für dich tun?", fragte er.
„Ich suche Anschluss für meine Weiterreise für die nächste Etappe in den Osten", erklärte Dunas. Er hatte sich überlegt, dass das die unverfänglichste Geschichte war.
„Ach du willst nach Sendari? Schreckliche Stadt, so eintönig. Aber wenn ich's mir recht überlege, dann sind alle Städte außer Giptos hässlich", erwiderte der Wirt. Er hatte ein breites Lächeln aufgelegt. „Soweit ich gehört habe gibt es noch eine andere Gruppe, die in den Osten will. Aber die sind im bunten Frosch untergekommen – geh dorthin."
Dunas versuchte den netten Tonfall und den abrupten Rauswurf, in Einklang zu bringen als der Wirt mit einem freundlichen Blick zischte: „Tja, arme Schlucker sind hier nicht willkommen. Also mach dich lieber bald auf den Weg." Nur seine Worte ließen die Kälte spüren, nicht aber sein Ton und seine Haltung. Er richtete sich auf und lachte wieder laut. „Im bunten Frosch kostet die Nacht übrigens auch weniger als hier." Er drehte sich um und stampfte durch eine Tür davon. Dunas sah ihm verdattert nach, dann marschierte er zur Tür. Die Suppe schlürfenden Gäste sahen ihm mit großen, nichtssagenden Augen hinterher. Scheinbar waren sie solche Szenen gewöhnt.
Draußen fragte er an einem Stoffstand nach dem bunten Frosch und wurde desinteressiert instruiert. Nicht lange danach stand er vor dem gesuchten Lokal und öffneten die Tür. Hier war offensichtlich mehr los. Fast alle Tische waren belegt. Die Leute unterhielten sich lautstark, wild durcheinander. Kaum einer schaute auf, als er eintrat. Der Wirt und seine Bediensteten rannten von einem Gast zum nächsten und nahmen überhaupt nicht wahr, dass er eingetreten war. Dunas lief zu einem freien Tisch und ließ sich erst einmal nieder. Eine Weile beobachtete er das hektische Treiben, bis eine Kellnerin ihn entdeckte und den Wirt zu ihm schickte. Der Mann sah in seine Richtung, nickte ihm zu und kam dann kurz darauf zu seinem Tisch. „Reisender. Verzeih, heute fanden die monatlichen Viertelspiele statt und viele kommen danach noch in die Kneipen und verbringen noch etwas Zeit zusammen, bevor sie wieder an die Arbeit gehen. Ich bin übrigens Krams. Was kann ich für dich tun? Willst du etwas essen?", fragte er freundlich.
„Nein, danke. Ich hab schon gegessen", der Wirt wirkte bei diesen Worten eher erleichtert, denn er hatte offensichtlich genug zu tun. Dunas fuhr fort: „Aber ich habe gehört, dass noch weitere Reisende hier sind, die nach Osten möchten. Oder vielleicht kannst du mir auch sagen, ob sich erst kürzlich eine Gruppe auf den Weg gemacht hat? Ich suche Anschluss, um sicher zum nächsten Ziel zu gelangen", der Wirt sah suchend zu den anderen Tischen und schaute dann wieder zu Dunas, als der einen Traxobs bestellte. Der Schankwirt hielt die Hand auf und der Dragoner kramte erschrocken in seinem Geldbeutel. Kein einziger Talun war mehr darin und er war froh, dass er nur einige wenige überhaupt dort verstaut hatte. Die Kinder waren doch nicht so unschuldig, wie sie gewirkt hatten. Gut, dass er immer misstrauisch blieb und sich nicht leichtsinnig verhielt, dann wäre das jetzt eine wahre Katastrophe. Aber so griff er resignierend in seine innere Jackentasche und ließ seufzend zwei Nans in die Hand des Wirtes fallen. Der Mann schaute kurz in die Richtung von seinen Gästen, dann sagte er für Dunas Geschmack etwas zu laut: „Erst gestern waren ein paar Leute in dem Gasthaus ‚Zum verträumten Örtchen' – ein Freund von mir besitzt es, deshalb habe ich davon gehört. Sie sind weiter gereist. Mehr weiß ich nicht." Ohne auf Dunas zu achten, stolzierte der Wirt an ihm vorbei und kümmerte sich um seine anderen Gäste. Der Dragoner folgte der Gestalt mit seinem Blick und sah eine Gruppe von drei Männern und zwei Frauen, die an dem Tisch saßen, zu dem der Wirt geeilt war. Aber sie achteten nicht auf ihn und tuschelten interessiert mit dem Schankwirt. Dann rannte der Inhaber des Hauses wieder zwischen seinen Gästen umher und unterhielt sich mit ihnen.
Unvermittelt wurde ein Traxobs vor Dunas gestellt, von ihm unbemerkt, musste der Wirt seinen Leuten irgendein Zeichen gemacht haben. Der Dragoner trank und überlegte, dass er mit dem Inhaber des ‚verträumten Örtchens' sprechen sollte. Genervt vermutete er, dass er die Gesuchten knapp verpasst hatte.
Da er an diesem Tag nicht mehr aus Giptos rauskommen würde, konnte er genauso gut weiter nachforschen. Danach würde er sich in die ärmeren Viertel für die Nacht zurückziehen – dort kannte er sich wenigstens aus – und morgen würde er weiterreisen. Außerhalb konnte er mit Magto schneller reisen, so dass sie die Gruppe bald einholen würden. Sie hielten sich sicher abseits von den Wegen auf, aber eine so große Gruppierung sollte leicht aufzuspüren sein. Vielleicht hatte sein Freund sie sogar schon entdeckt.
Als Dunas mit seinem Getränk fertig war, stand er auf und verließ die Herberge. Draußen ließ er sich die Richtung zum ‚verträumten Örtchen' geben und ging
direkt dorthin.
Als er die Schänke betrat, schien auch diese überfüllt. Ein Wirt war weit und breit nicht zu sehen und keiner nahm sich seiner an. Da freie Tische Mangelware waren, trat Dunas aus dem stickigen Raum wieder auf die Straße, um am nächsten Morgen erneut sein Glück zu versuchen.
„Da ist er!", rief in dem Moment jemand. Rasch blickte er sich um und erkannte die Frau mit der Krams, der Wirt, der ihm den Tipp mit dem ‚verträumten Örtchen' gegeben hatte, getuschelt hatte. Wachen kamen auf ihn zugestürmt. Dunas kehrte sofort um und rannte in die entgegengesetzte Richtung, aber es war zu spät. Auch dort standen Soldaten. Sie bauten sich vor ihm auf und er hatte keine andere Wahl, als stehen zu bleiben. Schnell war er umzingelt.
„Was soll das? Was hab ich getan?", fragte er wütend. Ein Nasik trat ihm entgegen und sagte gelassen: „Fesselt und knebelt ihn. Ich will keine Scherereien." Dann drehte der Kerl sich um und schritt davon. Als er an der Frau vorbei kam, nickte er ihr zu und meinte: „Danke, Sustina." Diese senkte ergeben ihren Kopf. Frech grinsend bemerkte sie zu Dunas: „Wir werden schon sehen, ob du unschuldig bist." Ohne eine weitere Erklärung folgte sie dem Nasik.
„Hey, Blaumann, was soll das?", rief er den beiden hinterher. Völlig unvorbereitet traf daraufhin ein Tritt seinen Bauch, der ihn zusammen sacken ließ. Verwirrt sah Dunas zu den Wachleuten, die ihn fesselten, ja sogar knebelten und abführten. Man brachte den Gefangenen zu einem großen Gebäude, wo man ihn in den Keller zerrte. Dort wurde er in eine dunkle Zelle geworfen, nachdem man ihm die Fesseln abgenommen hatte. Den Knebel nahm er sich selber ab und sah sich um. Es gab nur die Holztür und ein vergittertes Fenster, das auf einen verlassenen Platz zeigte. Ansonsten stand eine unbequeme Pritsche in der Ecke und ein stinkender Eimer in der anderen.
Er fragte sich, was man ihm vorwarf? Hatte jemand ihn erkannt oder ein paar Schuppen gesehen? War er unvorsichtig gewesen? Vielleicht beteiligte sich diese Nasikfrau Gabea von heute Mittag an dieser Sache? Dunas fand keine Erklärung. Er wartete stundenlang, doch nichts rührte sich. Er fiel in einen aufreibenden Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte.
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Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
FantasyDie Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.