Ein Hüsteln weckte ihn und als er aufsah, fragte Nassia ausgelassen: „Na, gut geschlafen?"
Verdattert sah er sie an, das hatte es selten zuvor gegeben. Die Thronerbin hatte ihn geweckt – sonst war es meistens umgekehrt. „Du etwa nicht?", erkundigte er sich.
Sie lachte herzhaft. „Doch, doch. Ich hatte bloß das Vergnügen zuerst wachgerüttelt zu werden. Fatuna wartet draußen", erwiderte sie. Bevor sie hinauslief, zögerte sie und berichtete:
„Saverani hat mir erzählt, dass Fatuna immer noch unter dem Einfluss des Schlaftrunkes steht. Über Tage war sie scheinbar kaum ansprechbar und hat halluziniert – sie war wie unter Drogen gesetzt."
Unduldsam fügte sie hinzu: „Das hat Danu wohl nicht vorhergesehen."
„Oder es war ihr einfach egal", vermutete der Fuchs. „Ich hab auch schon bemerkt, dass Fatuna sich komisch verhält."
Nassia nickte. „Die arme Kleine", seufzte sie. „Wir hätten uns einfach besser um sie kümmern sollen!" Da war es wieder. Sie hatte ‚wir' gesagt und ‚er' fühlte sich ganz und gar nicht verantwortlich für Fatuna. Sie konnte gut auf sich selbst aufpassen. Zudem hatte sie sich ihnen angeschlossen und nicht umgekehrt. Aber er brummte nur etwas Unverständliches, da sie in dem Punkt so empfindlich war. Nassia verschwand daraufhin wieder und er spritzte sich Wasser ins Gesicht. Kurz darauf folgte er ihr nach draußen. Er fand seine Reisebegleiterinnen lachend vor. Fasziniert sah er den Gnomling an, sie hatte sich verändert, aber er erachtete die Entwicklung nicht unbedingt zum Nachteil. Gemeinsam verließen sie die Quartiere und Fatuna führte sie durch das undurchschaubare Labyrinth der Bäume. Die Gnomlingdame schien aufgeregt zu sein, sie wirkte sogar übermütig.
„Wir müssen uns beeilen. Gleich ist die Wechselstunde. Das ist immer wieder ein unglaubliches Schauspiel", drängte Fatuna sie vorwärts. Josuan entdeckte, dass die Sonne über dem Berg unterging. Sogar die Vögel schienen unvermittelt leiser zu zwitschern und der dominierende Blumenduft hatte ebenfalls nachgelassen. Es roch inzwischen intensiver nach Wald, Gras und Kräutern.
Der blaue Gnomling führte sie zu einem riesigen Platz an den Felsen. Es schien, dass alle Elben sich hier versammelt hatten: Tagelben und Nachtelben. Sie stellten sich einander gegenüber auf und die dunkelhäutigen unter ihnen hielten Kerzen in den Händen. Sie tanzten jeder einzeln zu einer Melodie, die dem Naturell der unnachgiebigen Elben des Tages zu entsprechen schien: robust und kraftvoll waren die Klänge. Wartend standen die Nachtelben auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Allmählich wechselte der Rhythmus. Die Musik wurde etwas leiser, zarter und langsamer. Die Tagelben suchten sich jeder einen Partner unter ihren Elbenfreunden und tanzten gemeinsam, auch Fatuna wurde aufgefordert mitzutanzen. Dann trat Saverani zu Josuan und ihr Vater Geseron forderte Nassia auf, mit ihm zu tanzen.
Der Traumseher war verblüfft, dass die Elbin ihn führen konnte, aber die Bewegungen kamen ohne sein Zutun aus den Tiefen seines Inneren. Es lag an dieser magischen Musik. Saverani hielt die Kerze gemeinsam mit ihm und ihr Tanz folgte konzentriert dem Fluss der Flamme. Unversehens, es war, als würde er aus einer Art Trance erwachen, bemerkte er, dass die Klänge sich schon wieder verändert hatte. Sie waren erstaunlich zart und fein, jedweder Ansatz von Kraft und Dominanz war verflogen. Die Tagelben zogen sich zurück und ließen die Kerzen bei den Nachtelben, die jetzt ihrerseits – jeder für sich – zu dem Rhythmus tanzten.
DU LIEST GERADE
Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)
Viễn tưởngDie Geschichte beginnt mit einem Traum. Der Traumseher Josuan begibt sich gemeinsam mit magischen Gefährten auf eine Reise, um die Welt zu verändern. Er folgt dem Ruf des Traumpriesters, der ihn in eine ungewisse Zukunft führt.