Severani die Elbin - Kapitel 14.6

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Am Morgen verabschiedeten sich Fredick und Tulos und traten mit den Gefangenen ihren Weg nach Giptos an

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Am Morgen verabschiedeten sich Fredick und Tulos und traten mit den Gefangenen ihren Weg nach Giptos an. Die Anderen schlugen die entgegengesetzte Richtung ein. Josuan versuchte, mit Nassia alleine zu sein, um mit ihr zu reden, aber vergeblich. Sie war wütend und sie richtete es immer so ein, dass jemand bei ihr blieb, bis der Fuchs aufgab und sich Saverani anschloss. Die Prinzessin sah ihn deshalb zwar irritiert an, aber sie sagte nichts. Ihr hatte die Wüstenlöwin schon wieder verziehen, dass sie dafür abgestimmt hatte, Sustina zu foltern, Josuan nicht.

„Kannst du mir ein paar Tipps für den Kampf geben?", eröffnete der Traumseher das Gespräch. Saverani sah ihn überrascht an. Dann sagte sie großzügig: „Ihr Menschen müsst mehr auf euren Gegner achten und euch nicht so sehr auf euch selbst konzentrieren. Du denkst im Kampf nur an dich und welche Technik du als nächstes ausführen willst. Das hat Klaumes gestern einen Vorteil verschafft, er hat deine Schwächen ausgenutzt. Du musst zum Beispiel deine linke Seite stärken und das Schwert mehr wie einen Freund halten, als ein Stück, das du in einen Feind bohren möchtest. Die Schritte kann man, wie beim Tanzen, jemandem beibringen. Die beherrschst du. Aber das Gefühl dafür, musst du dir selber erarbeiten." Sie lächelte ihn dabei nett an, so als ob sie übers Wetter sprechen würde und nicht von seinen Schwächen. Alles andere wäre unhöflich gewesen. Verdattert starrte er sie an, dann räusperte er sich und bat: „Wirst du mit mir üben?"

Ihre Augen strahlten und sie erwiderte: „Aber natürlich. Heute Abend fangen wir an." Das war die Gelegenheit, die beiden einander wieder näher zu bringen. Sogar der Prinzessin würde etwas Kampfunterricht guttun.

Nach dem Abendessen nahm die Elefantin Josuan und Nassia mit. Die Stammeskämpferin hatte nicht groß überredet werden müssen. Im Gegenteil, sie hatte sich ihnen angeschlossen, weil sie immer gern Neues lernte. Etwas abseits, machte Saverani den beiden Übungen vor, die sie schon als Kind gelernt hatte. Stundenlang hatte sie diese wiederholt und damit die präzise Abfolge von Bewegungen erlernt und ihr einmaliges Körpergefühl entwickelt, von dem sie bis heute profitierte. Für Josuan und Nassia hatten diese Bewegungsabfolgen sicher absolut gar nichts mit kämpfen, sondern eher mit Freilandschwimmen zu tun, aber sie beschwerten sich nicht. Erst als sie nach einer Stunde keine neue Übung vorschlug, wurde der Fuchs langsam nervös. Die Elbin lächelte, genau da wollte sie die beiden haben. Sie nahmen gar nicht wahr, dass Saverani ihnen wie nebenbei elbisch beibrachte. Nassia war ein Naturtalent und merkte sich jede Vokabel sofort, Josuan schien da etwas schwerfälliger.

Schließlich erlöste die Elefantin die beiden von ihrem Schicksal und erklärte ohne Vorwarnung, dass sie eine Weile weitermachen sollten, dann könnten sie schlafen. Schon eilte sie davon.

Sowohl Josuan als auch Nassia sahen ihr irritiert hinterher. Aber sie lief nicht weit und versteckte sich hinter einem Baum, um zu hören, ob ihr Plan klappte.

„Was war das denn?", fragte er.

„Ich glaube sie möchte, dass wir uns endlich wieder vertragen", seufzte Nassia schwer.

„Oh, das meinte ich gar nicht – sondern den Unterricht. Das war der seltsamste Unterricht überhaupt. Findest du nicht?", erkundigte er sich.

Nassia sah ihn überrascht an und konterte: „Für Elben ist kämpfen eine Kunst. Und das versucht sie uns näher zu bringen. Ich finde sie macht das großartig. Beim Kämpfen geht es schließlich nicht nur ums töten, nein im Gegenteil. Ums Leben."

„Hat sie dir das heute gesagt?", fragte Josuan lachend.

Erst sah Nassia ihn überheblich an, dann aber fiel sie mit ein. „Natürlich hat sie", gab sie zu. Die zwei lachten endlich wieder einmal befreit. Es war, als ob ein Knoten geplatzt sei. Sie rissen Witze über Kanstils Gesicht, als er bemerkt hatte, dass er Fatuna unterschätzt hatte und als er gelernt hatte, sich Nassia unterzuordnen. Lachend meinte Josuan: „Ich bin stolz auf euch, eure Hoheit. Ihr habt heute gezeigt, was in euch steckt." Die Wüstenlöwin errötete und der Traumseher legte einen drauf: „Beeindruckend, wie ihr die Führung in der Runde übernehmt." Dieses Mal warf Nassia ihm einen strengen Blick zu und Josuan murmelte: „Ok. Du hast recht. Das war übertrieben." Die Prinzessin nickte zufrieden und meinte: „Schon gut, Fuchs. Ich brauche niemanden der mir den Wustu vom Himmel verspricht."

Danach schwiegen sie und Josuan erkundigte sich: „Kannst du mir verzeihen, dass ich anderer Meinung war, was die Magierin und die anderen Häscher angeht?"

Nassia sah zu ihm, sie hatten sich inzwischen ins Moos gesetzt und keiner trainierte mehr Elbenschaukeln, wie sie Saveranis Übungen getauft hatten.

„Ich weiß nicht genau. Es ist einfach falsch. Ich gestehe dir deine Meinung zu, aber es ist trotzdem falsch und ich wurde von allen belächelt. Nicht du", erklärte sie ihre Position. Sie sah ihn mit ihren großen Augen an. „Es ist einfach alles viel zu kompliziert geworden. Ich frage mich, was Semio mit mir macht, wenn er erfährt, dass ich plötzlich mit euch allen spreche? Ich glaube, er reißt mir den Kopf ab."

„Da brauchst du dir keine Sorgen machen", erwiderte Josuan. „Er wird viel zu froh sein, dass du wieder da bist. Er kennt mich ja nicht und ich könnte der schlimmste Schurke überhaupt sein."Schräg sah Nassia in die Ferne. „Na hoffentlich", meinte sie abwesend.

Dann wechselte sie unversehens das Thema: „Meinst du, wir haben jetzt lange genug Saveranis Elbenschaukeln vollführt?"

„Bestimmt. Bist du müde?" Josuan grinste sie frech an und Nassia nickte schmunzelnd.

„Du weißt doch, schlafen kann ich immer", meinte sie gut gelaunt. Mehr hörte die Elefantin nicht, denn sie hatte den Rückweg angetreten. Zufrieden mit dem Ausgang ihrer Verkupplungsarbeit, zog sie sich auf ihr Lager zurück.

Der Rhythmus der nächsten Tage verlief ähnlich. Tagsüber reisten sie und abends übten Nassia und Josuan mit Saverani – selbst wenn sie den Sinn der Übungen nicht sahen. Sie beschwerten sich nicht, denn die gemeinsame Zeit schätzten sie alle.

Ihre Reise führte sie immer weiter süd-östlich. Seit fast einer Woche hatten sie niemandem getroffen, denn sie hatten die Städte und Dörfer gemieden. Irgendwann erhob sich nach einer rotsteinigen Ebene wieder höheres Gelände. Sie überquerten einen Fluss an einer Furt und danach kamen sie in immer fruchtbareres Gebiet. Weitere drei Tage später, in denen sie geradewegs durch die Hügel mit ihren üppigen Pinienwäldern gewandert waren, erreichten sie einen steilen Abhang, der sich direkt vor der Gruppe auftat. Als sie vom Rand hinunter sahen, breitete sich endlich Sendari unter der Reisegruppe aus und sie bewunderten die Ausmaße der Sandstadt. Die Pyramide erhob sich direkt vor ihnen, während drum herum kleine Häuser mit Flachdächern platziert waren. Die Stadt war riesig, sandig und sie wirkte trocken, wobei sie einen gravierenden Kontrast bildete zu den vielen Pinien, die oberhalb der sagenumwobenen Pyramidenstadt wuchsen.

Saverani spürte Verzweiflung bei Josuan, der direkt neben ihr murmelte: „Das ist die Stelle im Traum. Hier wird es geschehen."

Aber die Elbin sah ebenfalls die verschlungenen Hände von den zwei Menschen und sie erkannte die Hoffnung, die in dieser Geste lag.

Traumseher - 1. Teil der Traumtrilogie (1/3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt