𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟚𝟠

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Isabelle stieg mit Çan aus, während Ramona im Kreise fuhr, weil sie hier nicht in zweiter Reihe parken konnten und schon genug Leute vom Ordnungsamt hier herumliefen. Zudem hatte sie keine Lust auf die alleinige Gesellschaft von ihrer Kollegin, die nur damit beschäftigt war ihr zu erzählen was für ein Arschloch Dag doch war.

»Du hättest dir auch frei nehmen können für den Tag.« , meinte Çan, als sie zum Blumenladen gingen.

»Nein. Der Tag ist eh nichts Besonderes.«

»Ich meinte es nur gut. Ramona hatte mir davon erzählt, was du betrunken gemacht hast. Ich glaube, sie ist als gebranntes Kind kein guter Ansprechpartner für dich. Auch wenn es meine Freundin ist, aber ihre Wahrnehmung ist in der Hinsicht echt getrübt.«

»Das weiß ich mittlerweile auch.«

»Du willst aber jetzt nicht über ihn reden?« , fragte er und sprach auch direkt weiter. »Also, ich bin keine Frau, aber wenn du reden willst, habe ich immer ein offenes Ohr übrig.«

»Das ist lieb, aber nein.« , antwortete sie. »Ich will eine Dag-freie Zone. Zumindest für eine Zeit.«

»Okay.« , sagte er und hielt die Türe des Blumenladens für sie auf, als genau jene Zone, die frei bleiben sollte aus dem Laden trat und fast Isabelle anrempelte, als diese zeitgleich rein wollte.

Erschrocken sah sie Dag an, der einen riesigen bunten Blumenstrauß in der Hand hielt.

Er selbst schien ebenso aus der Fassung gebracht zu sein, sie hier anzutreffen, und widmete sich schnell Çan zu, nachdem er ihr trotz allem ein kurzes Lächeln zur Begrüßung schenkte. »Hey Çan. Wie geht's?«

»Gut. Gut. Und ... dir?« Er sah ebenfalls auf den Strauß, auf den Isabelle starrte.

»Ja ... bestens ... Ehm, ich muss jetzt auch wieder los. Keine Zeit.«

»Ja. Mach das. Man sieht sich.«

Dag drehte sich um und sah Isabelle flüchtig an, ehe er eilig seines Weges verschwand.

Sie trat nachdenklich in den Laden ein und schluckte schwer. Er hatte wirklich dieser Carla Blumen für den heutigen Tag geholt.

Auch wenn sie keinen Wert darauf legte, an diesem Tag etwas geschenkt zu bekommen, schmerzte es zutiefst, zu wissen, das er an sie gedacht hatte. Selbst wenn es nur Blumen waren, aber für Carla musste es von Relevanz sein ... wie für ihn. Warum sollte er ihr sonst etwas kaufen, wenn diese Frau keine wichtige Bedeutung in seinem Leben hatte?!

Isabelle wurde übel.

Sie war wichtig für ihn. Diese Erkenntnis ertönte immer wieder in ihrem Kopf, als würde jemand einen Gong schlagen, der sie in Sekundentakt daran erinnerte.

»Ist alles okay?« , fragte Çan, der mitbekam, wie verloren sie vor einer Blume stand, als würde sie diese wahrlich interessieren, während ihr Blick pure Erschütterung vorwies.

Sie reagierte nicht, denn sie war noch immer zu sehr von dem inneren Gong in sich eingenommen. Wie bei einer Hypnose.

Çan legte seine Hand auf Isabelles Schulter. »Hey?! Alles okay?« Behutsam rüttelte er leicht an ihr.

Sie blinzelte mehrmals und sah ihn dann, immer noch mit demselben Blick, an. »Er hat ihr Blumen gekauft.« , sprach sie leise.

»Das weißt du doch gar nicht.« Seine Hand, die sie weiterhin berührte, streichelte leicht ihren Oberarm. »Die haben gestern auch ein Video hochgeladen ... also, er und Vincent ... und da haben die einen Blumenstrauß benötigt.«

»Und du denkst, er steigt jetzt in seinen DeLorean und reist mal schnell nach gestern, um diesen Blumenstrauß für ihr verficktes Video zu benutzen, oder was?«

»Nein, das habe ich damit nicht gemeint. Aber eventuell machen die heute nochmal so ein Video.« , sprach er. »Du weißt nicht, ob ...«

»Die sind für sie.« , sagte sie mit Tränen in den Augen. »Ich spüre das.«

»Hör zu Isabelle, wenn Männer ... anfangs ... vielleicht ... warte doch erst mal ab.« Çan wusste gar nicht, was er sagen sollte, um sie aufzumuntern. Denn eigentlich hatte er genau dasselbe gedacht wie sie.

Sie rannte hinaus, als sie merkte, wie ihr die Luft wegblieb. Sie hatte eine Panikattacke, wie schon seit langem nicht mehr. Isabelle hatte das Gefühl, jemand würde ihr die Luft abschnüren. Am Schaufenster stützte sie sich mit dem Rücken ab und japste nach Sauerstoff, der nicht in ihre Lungen wandern wollte.

Çan, der ihr gefolgt war, lief zurück in den Laden und ließ sich eine Tüte geben, mit der er fix wieder zu Isabelle rannte und ihr diese vor den Mund hielt.

Für einen Moment fühlte sie sich zurückversetzt zu der Zeit, als Çan sie gewürgt hatte, und sie schlug automatisch nach ihm.

»Hey. Hey. Hey. Hey. Ich bin's. Beruhige dich.« , sagte er. »Du musst atmen. Mach' die Augen zu. Konzentriere dich auf meine Stimme.«

Isabelle tat instinktiv, was er verlangte und atmete in die Tüte rein, als sie sich zusätzlich am Schaufenster zu Boden gleiten ließ.

Die Verkäuferin kam hinaus. »Ist alles in Ordnung, oder soll ich den Krankenwagen rufen?«

»Nein. Nein. Alles okay. Wir haben das im Griff. Aber danke der Nachfrage.« , antwortete Çan und hockte sich hin. »Geht's wieder?«

Isabelle nickte mit geschlossenen Augen und atmete weiterhin in die Tüte rein.

Er holte sein Handy raus und rief Katja an, die er bat vorbeizukommen, nachdem er ihr in Kurzfassung mitgeteilt hatte, was geschehen war. Für ihn war es sicher, dass sie nun ihre beste Freundin benötigte.

Auch wenn sie immer wieder betonte, das sie Dag nicht wiedernehmen würde, geschweige denn ihm zu verzeihen, ahnte er, dass es tief in ihrem Inneren anders aussah. Natürlich liebte sie ihn noch.

Er strich über ihren Kopf. »Es kommen auch wieder bessere Zeiten.« , sagte er, weil ihm nichts einfiel. »Katja kommt jetzt und dann machst du frei. Ramona und ich erledigen den Rest.«

Sie nickte, obwohl sie lieber Ablenkung wollte.

Das Dag Sex mit einer anderen hatte, war für sie schon ein Schlag in die Magengrube.

Dass er zusätzlich ein Kind mit dieser Carla bekommen würde, war für Isabelle der Schlag, der sie zu Boden gebracht hatte.

Doch das es anscheinend mehr für ihn war als nur Sex, weil er ihr ein Geschenk machte, war für sie der Knock-out gewesen.

Diese Frau besaß eventuell bereits das, was doch ihr schon von Anbeginn ihrer ersten Begegnung mit Dag gehörte ... und was sie durch ihr eigenes Verschulden wohl verloren hatte.

Sein Herz.

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt