𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟞

101 17 4
                                    

»... und dann hat er wirklich die Dreistigkeit diese Frau auch noch unserer Tochter vorzustellen. Unserer.« Isabelle griff nach dem Schnaps-Likör den Ramona mitgebracht hatte und schüttete zwei kleine Gläschen voll. Sie tranken zeitgleich, eh sie weitersprach. »Wann stellt ein Mann den Kindern eine Frau vor? Genau. Wenn es die Neue ist.«

»Und das auch noch nach so kurzer Zeit. Ich gehe ja mal davon aus, dass er es gar nicht beendet hat.« , sprach Ramona. »Ich nehme an, er dachte, du nimmst ihn wieder und er kann locker flockig mal da und dann wieder zu Hause bumsen.«

»Ich war achtzehn, als wir zusammengekommen sind. Achtzehn. Wir sind nicht erst seit zwei, drei Jahren ein Paar. Nein. Wir haben uns ein gemeinsames Leben aufgebaut und er ... er ... fickt mir nichts dir nichts eine andere.«

»Männer.« , brummte Ramona. »Hast du schon mit deiner besten Freundin darüber gesprochen.«

»Nein.« Isabelle war gestern, nach Nias Erzählung, eigentlich auf den Weg zu Katja gewesen, war dann jedoch alleine im Park und ist daraufhin nicht mal mehr zur Arbeit erschienen. »Sie hat sich schon genug anhören müssen in letzter Zeit. Zudem, ihr Mann ist der beste Freund meines Ma-...« Sie hörte auf zu sprechen. »... meines ... v-v-v-von Dag.« , vollendete sie schließlich ihren Satz. Es fühlte sich so befremdlich an, ihn nicht als ihren Begleiter zu bezeichnen.

Und es schmerzte so sehr, dass sie am liebsten losheulen würde. Stattdessen schüttete sie sich erneut kleine Gläser voll und reichte Ramona ebenso eines.

Sie hatten den ganzen Tag gearbeitet und nachdem auch das letzte Kind weg war und sie die Einrichtung geschlossen hatten, war das Thema des Abends nur Dag und diese junge Frau, die nun einen Namen besaß.

Carla. Dieser Name hatte sich bereits in ihrem Hirn eingebrannt. Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf zerspringt. Isabelle fragte sich nur noch, ob er sie auf dieselbe Art berührte, wie sie es gewöhnt war.

Mittlerweile war es schon viel später, doch sie erlangten kein Ende. Da Ramona selbst die betrogene Ehefrau war, fand Isabelle in ihr irgendwie einen besseren Gesprächspartner als Katja. »Hast du dir auch nur gedacht, wie er die andere ...«

»Ja.« , sagte Ramona, ohne das Isabelle zu Ende gesprochen hatte. »Mein Problem war aber, das ich wusste, wie sie ausschaut. Du hast noch Glück. Man vergleicht sich nämlich dann selber mit dieser anderen Frau und fragt sich, was dem Mann gefehlt hat. Hat sie eine andere Haarfarbe?! Ist sie schlanker?! Ist sie witziger?! Francos Neue ist das genaue Gegenteil von mir. Sie hat blonde kurze Haare. So einen Pixie, weißt du?! Und sie ist total schmal. Das hat mir gezeigt, dass ich im Grunde nie sein Fall war.«

»Sie ist viel jünger als ich ... als er.« , sagte sie. »Aber ich hab kein Gesicht vor mir. Trotzdem frage ich mich, ob er sie genauso berührt, wie er mich immer angefasst hat. Ob er sie beim Sex anschaut, oder ... in welchem Ausmaß er ihr eventuell dabei dieselben Dinge sagt, die er immer zu mir gesagt hat.« Sie machte eine kleine Pause. »Ich frage mich sogar, ob er gerade bei ihr ist.«

»Mit Sicherheit.«

»Meinst du?«

»Klar. Typen sind alle gleich.«

Genau dieser Ansicht war Isabelle nie. Dag war für sie immer anders, als die anderen. Sie dachte an Nicole. Hatte er damals vielleicht schon sein wahres Gesicht gezeigt? Waren vielleicht doch alle gleich? Drogen hin oder her, aber es hatte Dag gefallen, dass er angehimmelt wurde. Eventuell lag ihm nicht viel daran, jedoch hat er einiges zugelassen, was er damals besser hätte sein gelassen.

Erneut schüttete sie sich etwas ein. »Ich hab nicht mehr mit ihm geschlafen.« , gab sie zu. »Nicht, weil ich nicht wollte ... ich konnte nicht.«

»Das ist kein Grund, um fremdzugehen.«

»Findest du? Vielleicht ist es ja doch meine eigene Schuld. Ich hab' ihn im Grunde doch dazu getrieben, sich ...«

»Nein. Nein. Nein.« , lallte Ramona schon deutlich. »Eine Beziehung besteht nicht nur aus Sex. Wenn er mal nicht ran darf, muss er ...«

»Es war schon eine lange Zeit.« , unterbrach Isabelle sie und verteidigte damit irgendwie Dags Verhalten.

»Egal wie lang.« , schrie sie schon fast, so das man merkte, dass sie noch lange nicht über die Untreue ihres Ex-Mannes hinweg war. »Isabelle, es gibt Menschen, die haben einen schweren Unfall und können nie wieder Sex haben. Ist das dann ein Freifahrtschein?«

»Nein, aber ...«

»Nein. Hör auf, dir die Schuld zu geben. Er ist ein Arschloch. Ein riesiges Arschloch.«

Isabelle nahm sich erneut die Flasche, die sie nun aber ansetzte, statt sich etwas einzuschütten. »Er hat mir so extrem wehgetan.« , sagte sie leise und mehr zu sich selbst.

»Dann wird es Zeit, dass du ihm wehtust.«

»Was?«

»Du wirst ihm jetzt sein Herz herausreißen und darauf Tango tanzen. Nein, Flamenco. Da tritt man mehr auf dem Boden herum. Oder?«

Isabelle runzelte die Stirn. »Und dann?«

»Dann nichts. Er soll einfach dieselben Qualen durchleben, wie du.«

Ihre Stirn blieb gerunzelt. »Ja, aber was soll das bringen?«

»Gleichberechtigung. Willst du, dass er ein happy Leben führt, oder soll er sich durchs Leben quälen?«

»Ich hab' ihm eigentlich nie etwas Schlechtes gewünscht.«

»Er dir aber anscheinend schon. Schau mal mit welchen Fragen und Gedanken du dich seitdem quälst und er läuft Spazieren mit seiner Neuen und stellt sie deiner Tochter vor.«

Isabelle dachte nach. Sie musste Ramona Recht geben. Sie weinte fast jede Nacht, während er mit Sicherheit bei dieser Carla war und mit ihr lachte, sie küsste ... und noch vieles mehr, was sie sich nicht ausmalen wollte. »Was soll ich tun?« , fragte sie.

»Du machst ihn eifersüchtig.«

»Das würde ihn doch eh nicht interessieren.«

»Natürlich wird ihn das interessieren. Männer sind Jäger und du bist und bleibst eine Beute, die er erlegt hat. Und da du dich nun befreien konntest und wieder frei über die Wiesen hoppelst, wird es ihn umbringen, wenn ein anderer seine Flinte auf dich zielt und dich anschließend mit nach Hause schleppt.«

»Du meinst ich soll jemanden ... daten?« Isabelle schüttelte den Kopf. »Nein. Das kann ich nicht. Da bin ich gar nicht bereit für, dass ...«

»Nein. Du gaukelst ihm vor, du hättest ein Date.«

»In welcher Hinsicht?«

»Du wirst ihm jetzt in etwa so etwas schreiben wie, das war ein nettes Treffen, lass uns das wiederholen. Benutz' aber unbedingt ein Emoji, der irgendwie aussagt, das es geil war.«

»Und dann?«

»Er wird sich dann mit Sicherheit bei dir melden. Und dann schreibst du, ups hab mich vertan. War gar nicht für dich.«

»Das wird er doch merken.«

»Nein. Du machst direkt danach dein Handy aus. Er wird daran kaputtgehen. Mit Sicherheit. Weil er denken wird, du hattest gerade etwas mit einem anderen und das du dich weiterhin mit ihm triffst.«

»Ich weiß nicht.« Isabelle überlegte, ob dies wirklich ein guter Schachzug sein würde, eh sie ihr Handy rausholte, und darüber nachdachte, was sie schreiben könnte.

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt