𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟙𝟘

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Isabelle steuerte die nächstgelegene Toilette an. Dags Ejakulat lief ein wenig ihre Beine hinunter und sie stellte sich bildlich vor, dass sie wie eine Ente gegangen sein musste, um hierher zu gelangen.

Weinend zog sie drinnen ihren Slip aus und feuerte den in den Müll, ehe sie nach Tüchern griff und sich, in Tränen schwimmend, säuberte. Ihre Mitte pulsierte noch immer.

Was hatte sie getan?

Was hatte sie zugelassen?

Und warum hatte es sich so verdammt gut und richtig angefühlt?

Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Unter ihren Augen war alles schwarz, als wäre sie eine Walküre, die sich bereit machen würde für einen Kampf.

Dass er überhaupt auf die Idee gekommen war, mit ihr zu schlafen, wunderte sie.

War es Absicht gewesen?

Wollte er es wirklich, weil er sie wollte?

Oder ... war es einfach nur sein Ego?

Wollte er ihr zeigen, dass er nur mit dem Finger schnipsen musste, und sie würde sofort ...?

Es klopfte gegen die Türe und sie zuckte erschrocken zusammen. »Besetzt.« , rief sie.

»Ich weiß, du Idiotin. Und jetzt mach auf.« , erklang Katjas Stimme von der anderen Seite. Isabelle betrachtete sich nochmal und öffnete dann die Türe. »Hey, ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht für dich war ... aber du hast richtig entschieden, dass du es ihm sagen musstest.« Katja befeuchtete ein Tuch und rieb ihr damit die zerlaufene Schminke weg.

»Ich ... er ...« , startete sie, doch fand keinen Satz.

Sollte sie Katja erzählen, was paar Sekunden, ehe sie in den Bus gekommen waren, geschehen war?

Aber wie sollte sie ihr das erklären, wenn sie selbst nicht verstand, was genau vorgefallen war?

Natürlich war Isabelle sich im Klaren darüber, was sie getan hatten ... aber ... wie war es dazu gekommen? Es lief alles so automatisch ab, das sie nicht mal Worte benötigt hatten.

»Habt ihr denn normal miteinander reden können?«

»Ja. Nein. Ich mein'...« Natürlich hatten sie im normalen Tonfall über Andis Tod gesprochen, aber das danach ... Sie blickte zur Mülltonne, worin sich ihr Slip befand. »'schabmit'm'schla'n.« , schluchzte sie los.

»Was?« Katja hatte kein Wort verstanden, aber nahm Isabelle direkt tröstend in den Arm. Ihre Freundin jammerte abermals den gesagten Satz, jedoch noch unverständlicher. »Ich versteh' nichts, wenn du weinst Süße. Beruhig' dich erst einmal.«

Leichter gesagt, als getan, denn sie steigerte sich irgendwie von Mal zu Mal mehr rein. Katja bekam sie nicht beruhigt.

Wie von selbst streichelte sie über ihren Kopf, was Isabelle jedoch zu sehr an Dags Berührungen bei seiner Umarmung erinnerte, weshalb sie sich fix von ihr löste. Sie betrachtete sich nochmalig im Spiegel und versuchte, sich zu konzentrieren. Langsam atmete sie ein und aus. Sie schloss die Augen und sah bildlich sein Antlitz, wie er auf ihr lag und sie mit diesem Blick ansah, während er sie ...

Abermals begann sie wie ein Schlosshund zu heulen, doch Katja befeuchtete wie gehabt ein Tuch und wusch ihr damit durch das Gesicht. »Jetzt beruhigst du dich mal. Das ist nicht gut, was du machst.«

Erschrocken über diese Aktion sah Isabelle ihre Freundin mit aufgerissenen Augen an. »Was ...?«

»Andi hat dir gesagt, er will keine Tränen. Ich versteh' dich ja, aber du weißt, dass es für ihn das Beste war. Er hat sich nur noch gequält.«

»Ich weine nicht wegen ihm.« , sagte sie und hatte direkt ein schlechtes Gewissen, da die Sache mit Dag Andis Tod in den Hintergrund geschoben hatte. Das hatte er nicht verdient.

Katjas Miene verdunkelte sich und sie erinnerte sich daran, das sie Dag hatte Fluchen hören, als Isabelle weggerannt war. »Was hat er getan? Hat er irgendeinen dummen Spruch losgelassen, oder was?«

»Nein, er ...« Sie schloss abermals die Augen und versuchte, sich zu sammeln. »Wir haben miteinander geschlafen.«

»Was?« Völlig derangiert starrte Katja sie an. »Ihr habt ... du hast ... was?!« Isabelle nickte nur. »Wann?«

»Kurz bevor ihr reingekommen seid.«

»Ich hab' mir schon gedacht, das irgendwas war. Sein Blick. Da war ... und jetzt?«

»Was, und jetzt? Keine Ahnung.«

»Wieso hast du ...?«

»Ich weiß es nicht Katja. Ich weiß es wirklich nicht.«

»Willst du ... sollen wir um? Willst du mit ihm reden?«

»Was soll ich denn da sagen? Hey Dag, wieso haben wir miteinander geschlafen, obwohl wir getrennt sind? Obwohl wir beide in anderen Beziehungen sind. Und wieso hab ich mich in diesem Scheiß Augenblick endlich nicht mehr zerbrochen gefühlt?!«

»Von wem ging es aus?« , fragte Katja. »Wer hat den ersten Schritt gemacht?«

Isabelle zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Was macht das auch für einen Unterschied?!«

»Süße, wir sind hier. Wir können um und du redest mit ihm.«

»Und dann?«

»Ihr habt miteinander gepimpert. Das kann nicht totgeschwiegen werden.«

»Katja es ändert doch nichts.« , schrie sie nun ungewollt. »Er hat sie. Er hat eine Freundin.«

»Ja, aber anscheinend ...«

»Anscheinend, was?« , unterbrach sie ihre Freundin und versuchte nun selbst, das verschmierte Make-up abzuwaschen. »Es ändert nichts.« , gab sie in dieser Sekunde leise von sich.

»Was willst du tun?«

»Ich ... ich muss erstma' hier weg. Und dann ... ich muss ... ich weiß es nicht, aber ... das hat mich jetzt ...« Sie suchte nach den passenden Worten. »Ich war auf einem guten Weg. Zwar nicht so richtig, aber ... ihm jetzt so nahe gewesen zu sein, das hat mich zurückgeworfen. Ich stehe quasi wieder am Anfang und ... er ... er wird ... er wird zu ihr gehen und ... ich kann das nicht nochmal. Ich schaffe es nicht, mich wieder an ihn zu klammern, um ihn dann zu verlieren.«

Katja hatte vor, ihr eben Unterbrochenes fortzuführen, doch sie beließ es dabei. Sie wollte Isabelle erklären, dass Carla jetzt gerade anwesend war, denn jene hatte sie gesehen, wie sie den Bus zusteuerte, als sie selbst sich von ihm entfernte. Sie hatte die Absicht, ihr damit klarmachen zu wollen, dass dieses Stell-dich-ein mit Dag mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Ausrutscher von ihm gewesen war.

Schließlich hätte Carla ebenso jede Sekunde in den Bus kommen können, als beide noch zugange waren. Dass er seine Beziehung damit in Gefahr gebracht hat, lag auf der Hand und das ihm dies wohl im Grunde egal war, auch.

Wiederum ... ein erigierter Penis kennt kein Gewissen. Zumindest war das die Devise von Katjas Oma Katjuschka gewesen. Den sie ihrer Enkelin oft genug aufs Auge gedrückt hatte.

»Ich gehe zu Vincent. Werde mich verabschieden und dann fahren wir heim. Okay?«

»Nein. Bleib ruhig hier. Ich will nicht, das du wegen mir die Zeit mit ihm ...«

»Hey, es ist okay.« Katja öffnete die Türe.

»Warte.« Isabelle hielt ihre Hand fest. »Sag es keinem. Nicht Vincent und auch nicht Dag. Ich will nicht, dass er weiß, dass ich es dir erzählt habe.«

»Ich werde nichts sagen.« Sie schloss die Türe und ging eiligen Schrittes los.

Katja hatte wirklich nicht vor, darüber zu reden, denn sie wusste, ihre Freundin würde es nicht nochmal durchstehen.

Falls das für Dag nämlich doch nur ein kurzer Trip in die Vergangenheit gewesen war, würde die Erkenntnis Isabelle nicht nur zurückwerfen, denn da war sie jetzt bereits angelangt. Nein, sie würde so tief fallen, das dann niemand mehr in der Lage sein würde, ihr daraus zu helfen.

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt