2 ~ Wie eine Nymphe

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Es war ein festes Band, ein ständiger Fluss von Energien in beide Richtungen. Es pulsierte, wand sich, leuchtete mal heller und mal schwächer. Bewusst griff Gregori in seinem Geist danach – es war die Verbindung zwischen ihm und der Träumerin.

Er saß an seinem Schreibtisch und starrte blicklos auf die weiße Pracht vor dem Fenster. Der Garten war unter dieser Schicht Puderzucker begraben, die vielen Blumen und Blüten schliefen, warteten auf den Frühling.

Etwas – oder besser jemand – klopfte an die imaginäre Tür zu seinen Gedanken. Gregori lächelte kühl und lud den Mann ein.

„Hallo Warren", grüßte er seinen früheren Lehrmeister.

„Hallo mein Junge. Wie geht es dir?" Die Stimme des älteren hallte tief und vertraut durch Gregoris Gehirn.

„Gut, danke. Und selbst?"

Ein missmutiges Schnauben war von dem anderen zu hören. „Naja, den Umständen entsprechend. Mein Träumer ist vor einigen Wochen gestorben."

Gregoris Hände zuckten – eine ungewöhnliche Reaktion für einen Conex, der sich gedanklich unterhielt. Normalerweise waren sie während ihrer stillen Gespräche vollkommen regungslos.

„Was ist geschehen?", fragte er nach einer kurzen Pause.

„Nun, er war schon alt. Sir Adveralsa hatte schon damit gerechnet und mir umgehend Ersatz beschafft."

Gregori verbarg seine Gefühle vor Warren. Er fand es unmenschlich, die Träumer wie Gegenstände zu behandeln.

Unter den Emendi galten sie als Schandflecken. Diese Rasse strebte nach Vollkommenheit und Perfektion – da passten die „fehlerhaften" Träumer nicht hinein. Darum war er der Meinung, dass wenigstens die Menschen die Träumer mit etwas Respekt behandeln sollten.

„Was hast du für mich?", wechselte Gregori das Thema.

„Ich wollte dir deine Aufträge für die nächsten Tage übermitteln."

„Gut." Augenblicklich ergoss sich eine Flut aus Informationen in Gregoris Gehirn. Dank seiner Konditionierung behielt er den Überblick, unterteilte die Anweisungen und legte sie in seinem Gedächtnis ab.

„Du bist immer noch einer meiner besten Schüler Gregori", sagte Warren anerkennend und Gregori fühlte ihn in Gedanken lächeln. Er nahm das Lob wortlos hin.

„Dennoch ist es nicht gut für dich, wenn du dich so isolierst."

„Du schlauer Fuchs. Erst köderst du mich und hältst mir dann eine Standpauke." Gregori schüttelte gedanklich den Kopf.

Warren seufzte, sagte aber nichts weiter dazu. „Ich nehme wieder Kontakt mit dir auf. Wir hören voneinander", verabschiedete sich der Mann und verschwand aus Gregoris Gehirn.

Gregori blinzelte einige Male, seine Augenlider kratzen unangenehm über die trockene Hornhaut. Conex neigten dazu ihren Körper zu vernachlässigen, wenn sie längere Zeit miteinander redeten.

Dich isolierst, geisterte es durch Gregoris Gedanken, als er die wichtigsten seiner Aufgaben von Warren aufschrieb. Sein Lehrmeister hatte ohne Zweifel recht mit seiner Aussage. Gregori verkroch sich regelrecht in seinem Haus, nur wenige bekamen ihn zu Gesicht.

Er stand auf und ging zu dem Bücherregal hinüber, das sich von einem Ende der Wand bis zum anderen zog.

Ich bin nun mal kein geselliger Mensch, rechtfertigte er sich, während er über die Buchrücken strich.

Als Kind einer reichen Witwe war er von den anderen in seinem Alter ausgegrenzt oder schikaniert worden. Irgendwann hatte er sich dann nicht mehr um ihre Anerkennung bemüht, war lieber Zuhause geblieben. Er war fünfzehn, als seine Mutter starb.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt