61 ~ Aris Mutter

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Die Mittagszeit war gerade vorbei, doch die Sonne schien noch immer kerzengerade vom Himmel. Es war ein eindrucksvolles Gebäude, auf das die drei Menschen zugingen. Dichte Efeuranken bedeckten die Fassade und ließen nur erahnen, in welcher Farbe das Haus gestrichen war. Sie waren alle angenehm überrascht gewesen, als gleich der erste Passant ihnen den Weg zu dem Haus der Dulcitens hatte beschreiben können. Nun liefen sie direkt darauf zu und Gregori wurde mulmig zu mute.

Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, zu ihrer Familie zu gehen?

Hier wurde sie verschleppt, du Blödmann, schalt ihn sein Gedächtnis.

Ja, aber das macht die Situation auch nicht angenehmer, konterte Gregori stumm. Eigentlich hatte er sich diesen Moment ein bisschen anders vorgestellt. Er hätte es nicht schlimm gefunden, wie ganz normale Männer zu einem normalen Anlass bei den Eltern seiner... seiner...

Was nun? Zukünftigen? Freundin? Geliebten? Hm?

Sei still!, zischte Gregori dem unerbittlichen Fragesteller in seinem Unterbewusstsein zu und ignorierte alle weiteren Kommentare. Alles wäre besser, als wegen einer Entführung bei diesen Leuten aufzutauchen. Selbst seinem Leibarzt wollte er nicht unter solchen Voraussetzungen begegnen.

„Willst du noch ein bisschen auf der Straße herumlungern, oder sollen wir weitergehen?", fragte Hanna und sah ihn mit schräg geneigtem Kopf an. Erst jetzt bemerkte Gregori, dass er einige Meter vor dem Tor des Hauses stehen geblieben war.

„Tut mir leid", sagte er schnell und schloss zu den beiden auf.

Lorlen lächelte ihn milde an und sagte: „Du schlägst gewaltige Wellen. Sei vorsichtig, hier tragen sie weiter als in unserer Welt."

„Ich kriege es schon unter Kontrolle", antwortete Gregori frostig und betätigte den Türklopfer.

Die wenigen Augenblicke, bis ihnen geöffnet wurde, kamen Gregori wie eine halbe Ewigkeit vor. Er wollte diese ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. Je eher er mehr über die Umstände von Aris Entführung wusste, desto früher konnte er sich auf die Suche nach ihr machen und sie wieder in die Arme schließen.

„Sie wünschen?", fragte ein kleiner blasser Mann und sah zwischen den dreien hin und her.

Gregori räusperte sich und sagte: „Wir würden gern Lady Dulciten sprechen." Seine Nackenhaare richteten sich auf, als er von dem Geist des Emendis kurz gestreift wurde. Gregori unterdrückte ein anerkennendes Lächeln. Er selbst hatte diese Methode auch schon einige Male angewandt, um sich der ungefährlichen Absichten seines Gegenübers zu versichern.

Scheinbar war der Mann zufrieden, denn er nickte und öffnete das Tor für sie. Mit Lorlen und Hanna im Schlepptau folgte Gregori dem Diener über den Hof hin zum Haupthaus. Von Nahem betrachtet sah es ein bisschen aus wie ein Hexenhaus, mit dem vielen Efeu und den Blumen an den unteren Fenstern. Jedoch blieb ihm wenig Zeit, die Fassade weiter zu mustern.

Durch die dunkle Eingangstür wurden sie in einen eleganten Empfangsbereich geführt. „Ich werde die Lady über ihre Anwesenheit informieren, Sir Sileri."

„W..." Doch ehe Gregori das ungläubige Was hatte aussprechen können, war der Emendi verschwunden.

„Das ist ja gruslig", sagte Hanna hinter ihm und rieb sich über die Arme. „Ich bin... beeindruckt. Hier scheint die Anwendung von Magie tatsächlich viel leichter von der Hand zu gehen als bei uns."

Lorlen lächelte kühl. „Er hat uns nur kurz gestreift und hat unsere Namen herausgefunden. Ich will nicht wissen, was die Emendi hier nach einer längeren Betrachtung meines Geistes herausfinden könnten."

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt