67 ~ Anspannung beim Frühstück

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Verunsichert runzelte Ilka die Stirn, als lediglich zwei ihrer drei Gäste den Speiseraum betraten. Verärgerung lag in der Luft wie zähflüssiger Sirup und sie fragte sich, was den beiden Männern die Stimmung derart verdorben hatte.

Ich kann sie ja später fragen, dachte sie und setzte ein freundliches Lächeln auf.

„Guten Morgen Lady Dulciten", begrüßte sie der Mensch, von dem ihre Tochter ihr viel erzählt hatte. Ilka musste ein sehnsüchtiges Seufzen unterdrücken, als sie an ihre eigene Jugend denken musste. Sie erinnerte sich noch lebhaft daran, wie verliebt Zavir und sie gewesen waren.

„Guten Morgen", erwiderte sie und schickte ihrer Köchin eine kurze telepathische Anweisung, das Frühstück für die beiden zu schicken.

„Was ist mit der Lady?" Silas war enttäuscht gewesen, dass er Hanna Filimet nicht getroffen hat, bevor er zur Schule gegangen war.

„Sie fühlt sich nicht wohl", sagte Sir Sileri und warf dabei einen vielsagenden Blick zu seinem Freund hinüber. Ilka fühlte das schwache Vibrieren von telepathischer Energie.

Interessant, dachte sie und widerstand nur schwer der Versuchung, zu lauschen.

„Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?"

Wieder das kurze Aufflackern von angewandter Magie, dann sagte Sir Sileri: „Nein, sie ist nur sehr erschöpft von der Reise."

Ilka nickte und beobachtete, wie das Geschirr in den Raum geschwebt kam. Sie konnte nicht verhindern zu lächeln, als die beiden Menschen überrascht zusammenzuckten und das fliegende Frühstück mit großen Augen bestaunten.

„Was gedenken Sie heute zu tun?"

„Nun", setzte Sir Gratiam an und erwiderte ihren Blick. „Letzte Nacht hat Gregori von Ari geträumt." Es fühlte sich wie ein Schlag in den Magen an und Ilka rang für einige Augenblicke um Luft.

„Wirklich?", fragte sie mit dünner Stimme und fixierte Sir Sileri.

Dieser nickte und schien auf seltsame Art niedergeschlagen zu sein. „Sie befindet sich in einer Zelle, ist aber wohl auf. Sir Gratiam und ich wollen heute durch die Stadt gehen und sehen, ob wir ein Anzeichen dafür finden, welches Gebäude dieses Verlies beherbergen könnte. Sie konnte uns nicht sagen, wo genau sie sich befindet."

„Oh." Ilka sah auf ihre Teetasse hinunter. „Das..."

„Keine Sorge, wir werden gründlich suchen."

„Sicher, daran zweifle ich nicht. Bitte, scheuen Sie sich nicht davor mich zu kontaktieren, falls Sie etwas finden sollten." Beide Männer nickten. „Falls Sie jemanden brauchen, der Sie durch die Straßen führt, sagen Sie Bescheid."

„Vielen Dank, aber wir wollen keine Umstände machen. Wir werden uns sicher zurechtfinden", sagte der Conex Lorlen und lächelte dankbar.

~

„Für diese Lüge sollte ich dich eigentlich teeren und federn", brummte Gregori, als sie das Grundstück der Familie Dulciten verließen. Lorlen ignorierte ihn geflissentlich und machte Gregori noch wütender.

„Du hättest ja die Wahrheit sagen können."

„Wie denn, du Narr? Ich kenne Sie ja nicht einmal selbst, weil du dich beharrlich weigerst zu sagen, was du jetzt schon wieder mit Hanna angestellt hast."

Lorlens hellbraune Augen wirkten hart und kalt, doch er sagte nichts. Gregori schnaubte ungehalten und schlug den Weg zum Markplatz ein, den ihnen Ilka beschrieben hatte. Sie würden im Zentrum der Stadt anfangen und Gregori hoffte, dass er irgendein Zeichen von Ari erspüren konnte. Doch solang sie nicht ihr Ziel erreicht hatten, konnte er Lorlen weiter ausfragen.

Denn Gregori war sich sicher, dass sein Kollege etwas damit zu tun hatte, dass Hanna sich heute Morgen strikt geweigert hatte, ihr Zimmer zu verlassen. Lorlen hatte es mit einem Schulterzucken abgetan, dass sie sich wegen „Frauenbeschwerden" noch etwas ausruhen wollte.

Gregori hingegen glaubte von Hannas fadenscheiniger Ausrede kein Wort. Er hatte sie nicht als weinerliches Frauenzimmer kennen gelernt, die wegen jeder Kleinigkeit das Bett hütete. Und er wurde den Verdacht nicht los, dass Lorlen sie wieder schwer getroffen oder beleidigt hatte.

„Sag es mir einfach, dann hast du deine Ruhe."

„Ich weiß nicht, was du meinst."

„Beleidige mich nicht, indem du mich für so dumm verkaufst", brummte Gregori. „Ilka Dulciten wird es heute Abend wissen, da bin ich mir sicher." Überrascht drehte Lorlen seinen Kopf zu Gregori und hob eine Augenbraue.

„Schau nicht so", sagte Gregori und sie bogen um eine Ecke. „Diese Frau hat sensible Sinne, wobei ich das bei Emendi nicht genau beurteilen kann. Vielleicht haben alle so ein gutes Gespür."

Lorlen schwieg, doch Gregori wusste, dass er angestrengt über seine Worte nachdachte. Sie gingen über eine mit hohen Platanen gesäumte Allee – der Marktplatz konnte nicht mehr weit sein.

„Sie hat deutlich gespürt, dass wir uns vorher unterhalten haben. Das mag nichts heißen, aber ich fresse einen Besen, wenn sie nicht in der Lage gewesen wäre, unser Gespräch abzuhören." Alarmiert versteiften sich Lorlens Schultern und sein Blick huschte unsicher zu Gregori.

„Ich muss zugeben, dieses Gefühl hatte ich auch", sagte der dunkelhaarige Conex schließlich.

„Also", sagte Gregori mit einem gewissen Maß an Befriedigung. „Sie wird ohne Zweifel den Grund von Hanna erfahren – ob sie sie nun direkt fragt oder einfach nur genau mit ihren zusätzlichen Sinnen hinhört."

„Du bist ein mieser kleiner Schnüffler, weißt du das?", fragte Lorlen gereizt und beschleunigte seinen Schritt. Gregori störte das nicht, denn sie waren etwa gleichgroß und er konnte ebenso weit ausschreiten wie der andere Mann.

Den restlichen Weg schwiegen sie und erreichten nach kurzer Zeit den Marktplatz. Es war eine große ebenerdige Fläche, gesäumt von hohen Bäumen und mit einem prachtvollen Springbrunnen in der Mitte.

Gott sei Dank ist heute kein Markt, dachte Gregori erleichtert. Er wollte seine Sinne schweifen lassen, dabei wären der Lärm, das Gedränge und das mentale Wirrwarr ein erhebliches Hindernis. So konnte er sich in den Schatten setzen und sich unter besten Voraussetzungen auf die Suche nach Ari machen.

Schnell hatten beide eine kleine Bank am Fuß eines der Bäume gefunden und ließen sich darauf nieder. Gregori gestatte sich einen Moment die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Er hatte den Winter schon immer gemocht, es war seine liebste Jahreszeit gewesen.

Aber damals war ich auch noch ein schwarzsehender Miesepeter, dachte er und lächelte innerlich. Wenn er jetzt hier den Sommer sah, die Wärme der Sonne auf seiner Haut fühlte und die Düfte der blühenden Blumen... Es erinnerte ihn alles so sehr an die Landschaft aus seinen Träumen, dass er sich vorstellen könnte, den Sommer zu seiner neuen Lieblingsjahreszeit zu machen.

„Gregori?"

„Ja?" Überrascht, das Lorlen wieder mit ihm redete, sah Gregori ihn aus dem Augenwinkel an.

„Du wolltest doch wissen, was meine Ausrede ist."

Interessiert setzte sich Gregori wieder gerade hin. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass er gleich etwas von seinem neuen Freund erfahren würde, was niemand außer Lorlen selbst wusste.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt