„Sie sind wach", sagte Ilka und stellte ihre Teetasse auf den Tisch.
Verwirrt sah Gregori sie an und Ari fragte: „Wer?"
„Hanna und Lorlen."
„Oh", murmelte Gregori. Er wusste nicht, ob er grinsen oder Mitleid mit einem der beiden haben sollte. Er und Ari saßen bereits beim Frühstück, denn sie hatten sie nicht wecken wollen. Es war eher Aris Entschluss gewesen, denn sie hatte Gregori vehement von der Tür des Zimmers weggezogen.
„Lass sie", hatte sie ihn gebeten. „Es wird ihrer Situation nicht helfen, wenn du sie überrumpelst. Dann geht es zwischen ihnen weiter ewig hin und her."
Gregori hatte sich geschlagen gegeben, zumal er auch die Logik hinter Aris Bitte verstanden hatte. Dennoch, sie hatten einen Plan auszuführen und jede Minute, die verstrich, konnte das Aus für ihr Vorhaben bedeuten. Gregori wurde ganz schlecht bei der Vorstellung, dass jemand bereits Eriels Leichnam gefunden und alle Spuren beseitigt haben könnte.
Er fühlte Aris Lächeln in seinem Geist. „Es wird sicher nicht lange dauern, bis sie herunterkommen."
Ilka nickte. Schweigend aßen sie weiter und Gregori ertappte sich dabei, wie er immer wieder mit den Sinnen ins Obergeschoss tastete. Man konnte es nicht wirklich als Lauschen oder Spionieren bezeichnen, aber die feine Art war es auch nicht. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er ohnehin bald das Wichtigste erfahren würde – entweder von Lorlen selbst oder von Ari, die mit Hanna gesprochen hatte.
Tatsächlich öffnete sich wenige Augenblicke später die Tür zum Esszimmer und Hanna trat ein, dicht gefolgt von Lorlen. Gregori musste sich auf die Zunge beißen, um keine Fragen oder Kommentare von sich zu geben. Jedoch konnte er davon ausgehen, dass alles in friedlichen Bahnen verlaufen war, da Lorlens Kopf noch auf seinen Schultern saß und auch Hanna körperlich unversehrt aussah.
Sie haben sich also nicht in Stücke gerissen, dachte er bei sich.
„Guten Morgen", begrüßte Ari die beiden und lächelte übertrieben breit.
Beide murmelten eine weniger enthusiastische Antwort und setzten sich. Gregori entging nicht, dass Ilka und Ari sich einen wissenden Blick zuwarfen.
Wir können nicht ewig hier sitzen und uns mit solchen Kindereien die Zeit vertreiben.
Durch die mahnende Stimme ernüchtert wartete er, bis Lorlen und Hanna mit ihrem Frühstück begonnen hatten, ehe er sie in ihren Plan einweihte.
„Ihr wollt was?", hakte Lorlen nach und ließ langsam das Besteck sinken.
Ari nickte und erklärte: „Wir können nicht einfach hier sitzen und warten, bis sie Eriel finden. Der Rat wird alles vertuschen und sich einen anderen suchen, der den Platz als Erschaffer neuer Träumer einnimmt."
„Wir müssen dem Rat wenigstens Gelegenheit dazu bieten, sich selbst zu stellen. Darum werden wir zu ihnen gehen", fügte Gregori hinzu.
„Ich halte es für gewagt, aber unumgänglich", warf Ilka ein. „Keine Familie sollte so etwas erleben, wenn es verhindert werden kann."
Sie schien um Jahre gealtert, als sie Ari ansah. Gregori fühlte das kurze Aufflackern von telepathischer Energie zwischen Mutter und Tochter.
Hanna räusperte sich leise. „Wie wollt ihr das anstellen? Ich meine, allein im Umkreis von mehreren Meilen sind es sicher tausende, wenn nicht sogar Millionen von Personen, die ihr gleichzeitig ansprechen müsst."
„Es wird nicht leicht, keine Frage", sagte Ari und betrachtete Lorlen eingehend. „Aber wenn ich die nötige Magie liefere, könnten Gregori und Lorlen es zusammen Dank ihrer Erfahrung schaffen."
„Das ist doch verrückt..." Lorlen lächelte freudlos und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Sie werden uns aufknüpfen."
„Das können sie nicht", erwiderte Gregori mit fester Stimme. „Sobald die Wahrheit ans Licht gekommen ist, verschlimmern sie ihre Situation nur noch, wenn sie uns beseitigen. Den Ratsmitgliedern sind nach der Enthüllung ihrer grausamen Methoden praktisch die Hände gebunden."
„Und was dann?", fragte Hanna, sah die anderen jedoch nicht an. „Was passiert mit dem Rat?"
„Seid mir nicht böse, aber das ist Angelegenheit der Emendi, nicht eure", bemerkte Ilka.
Gregori nickte. „Sie hat Recht. Auch wenn wir den Stein ins Rollen gebracht haben, können nicht wir diejenigen sein, die die Macht in dieser Welt neu verteilen."
„Gregori?" Unauffällig sah er neben sich, doch Ari ließ sich nicht anmerken, dass sie ihn gerade mental kontaktiert hatte.
„Ja?"
„Wenn es Sache der Emendi ist, auf welcher Seite stehe ich dann? Zu welcher Welt gehöre ich?"
Gregori wurde das Herz schwer, denn ihre Worte klangen traurig und unsicher. Ungesehen von den anderen ergriff er unter dem Tisch ihre Hand und strich sanft über ihre Finger.
Ein Lächeln begleitete seine Worte, als er antwortete: „Du bist eine freie Frau, du kannst es dir aussuchen." Leise Zweifel wurden in ihm wach. „Wo möchtest du denn sein?"
„Bei dir, egal wo das sein mag."
Wärme und Glück erfüllten Gregoris Gedanken und er ignorierte Lorlens forschenden Blick, der sicherlich bemerkt hatte, dass er sich wieder einmal stumm mit Ari unterhielt. Er musste das dümmliche Grinsen unterdrücken, das sich vehement auf seinem Gesicht breitmachen wollte. Er war sich sicher, dass Ari wusste, dass er nicht hier in dieser Welt bleiben konnte. Sie würde also mit ihm zu den Menschen kommen, in sein Haus ziehen. Es erschien ihm, als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit er sein Zuhause verlassen hatte. So viel war geschehen und noch mehr hatte sich verändert.
Das leise Scharren von Stühlen ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Lorlen hatte sich erhoben und sah ihn an. „Wir sollten keine Zeit verlieren."
Er nickte und ließ Aris Hand los. „Ja, je eher wir diese Sache erledigen, desto besser."
DU LIEST GERADE
Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...