Der Schneesturm setzte ein, genauso wie es die Vision vorhergesagt hatte. Selbst durch die engen Gassen trieben so viele Schneeflocken, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Der Wind pfiff und heulte um die Ecken und trotz der warmen Feuer fröstelten die Menschen in ihren Häusern.
Gedankenverloren stand Hanna am Fenster ihres Zimmers und sah hinaus in das weiße Treiben. Der Sturm hatte erst vor einer Stunde begonnen, doch schon jetzt lag über allem eine dicke Schneeschicht. Und es sollte noch lange nicht aufhören – Hanna wusste es.
Seufzend wand sie sich von der kalten Scheibe ab und stellte sich vor das Kaminfeuer. Sie war froh, dass sie es gestern noch rechtzeitig hierher geschafft hatte. Der Besuch bei dem Meister der Hario hatte länger gedauert als erwartet – und war enttäuschender ausgefallen als erwartet.
Noch immer wollte ihr der alte Mann keinen eigenen Träumer geben. Hanna verzog missbilligend das Gesicht. Dieser bucklige Greis hatte etwas gegen sie und machte ihr mit allen möglichen Mitteln das Leben schwer.
„Deine Fähigkeiten sind noch nicht ausgereift", hatte er ihr gesagt und sie wieder fortgeschickt. Die Reise nach Assero, ein Weg von drei Tagen, vollkommen umsonst.
„Von wegen nicht ausgereift", murmelte Hanna vor sich hin und ging zu dem Wandspiegel neben der Tür. Sie war mittlerweile achtundzwanzig Jahre alt – wie lange sollte sie denn noch warten? Sie wäre schon vor Jahren bereit für einen Träumer gewesen, und wenn es nur ein schwacher gewesen wäre. Sie öffnete die Tür und ging hinaus.
Stattdessen hatte sie sich Magie von dem Träumer ihres Onkels nehmen müssen. Ein mühsames Unterfangen, da nur jeweils ein Magiebegabter und ein Träumer ein Band knüpfen konnten. Zu allem Übel war der alte Träumer ihres Onkels vor wenigen Wochen gestorben und der neue war noch nicht endgültig an Warren gebunden.
So war sie hier gelandet, in Lorlen Gratiams Haus. Bei seinem jungen Träumer durfte sie Magie entwenden, doch sie kam sich vor wie eine Diebin. Wie ein Parasit, der geduldet wurde aber nicht erwünscht war. Um ihren Mund legte sich ein harter Zug.
Sie erreichte die Treppe und sah vor sich die junge Frau mit den dunkelroten Haaren. Hanna blieb auf der oberen Stufe stehen, als sich die Frau umdrehte.
Ein überraschtes Lächeln lag auf ihren Lippen und sie sagte freundlich: „Guten Morgen Lady Filimet."
„Ihnen auch einen guten Morgen", wünschte Hanna und schloss zu ihr auf.
Verstohlen musterte Hanna die andere. Sie schien nett zu sein, wenn auch auf seltsame Art und Weise weltfremd. Hanna konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass mit Ari Dulciten etwas nicht stimmte. Was genau konnte sie jedoch nicht sagen. Doch Hanna mochte sie. Lady Dulciten behandelte sie nicht wie eine Kuriosität.
„Sollen wir weitergehen?", fragte die Rothaarige und deutete auf das Ende der geschwungenen Treppe.
„Ja, gern." Unsicher, weil sie wieder in ihre Gedanken abgesunken war, sah Hanna auf die Stufen und setzte sich in Bewegung.
„Sie hatten Recht mit dem Wetter."
„Ja."
„Es ist einer der Gründe, weswegen Gregori und ich hier sind."
Überrascht zog Hanna eine Augenbraue hoch. „Wirklich?"
Die andere nickte. „Gregoris Haus liegt außerhalb der Stadt und wir wären eingeschneit worden. Lorlen hat uns praktisch dazu genötigt zu ihm zu kommen."
Sie betraten das Esszimmer – es war leer. Scheinbar waren die beiden Herren bereits fertig. „Lorlen und Gregori sind oben und arbeiten."
Hannas Kopf fuhr zu der Lady herum und sie starrte sie an. Diese bemerkte erst jetzt was sie gesagt hatte und lächelte.
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Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...