Die beiden Männer gingen frustriert durch die Straßen von Aliquas. Mit enttäuschten Mienen, trüben Gedanken und hängenden Schultern stapften sie durch die großen und kleinen Gassen zum Haus der Dulcitens zurück. Beide hatten sie ein schlechtes Gewissen, weil sie nichts gefunden hatten – rein gar nichts. Es war, als würde sich Ari überhaupt nicht mehr in dieser Welt befinden.
Aber sie muss hier sein, dachte Gregori und hätte am liebsten geschrien. Nicht nur, dass er das Gefühl hatte, Ilka enttäuscht zu haben, sondern er erstickte beinah an den Sorgen, die er sich um Ari machte. Sie saß noch immer in dieser schrecklichen Zelle und wartete, harrte aus. Gregori wollte gar nicht daran denken, was ihr womöglich während ihrer erfolglosen Suche alles zugestoßen sein mochte.
„Schau nicht so, wir haben unser Bestes gegeben", sagte Lorlen neben ihm.
Gregori nickte, obwohl er ihm am liebsten entgegen geschrien hätte, dass ihr Bestes leider Gottes nicht genug gewesen war. Aber er hielt den Mund, denn es wäre unfair, seine Frustration an seinem Kollegen und Freund auszulassen.
Er wusste, dass auch Lorlen sich fast verausgabt hatte. Hier war ihre Arbeit natürlich einfacher, weil sie nicht erst einen Träumer berühren mussten, um Energie für ihre telepathischen Aufgaben zu erlangen. Schon allein die Luft um sie herum war mit mehr Magie geladen, als sie aufnehmen konnten. Langsam verstand Gregori, warum Menschen über kurz oder lang in der Welt der Emendi verrückt wurden. Die Kraft die einen durchströmte war überwältigend, wenn man erst die Barrieren sinken ließ. Aber sie war genauso gefährlich, denn man verlor sich nur zu leicht in diesem Taumel aus Macht und Stärke.
Gregori seufzte leise. „Ich kann Lady Dulciten wahrscheinlich nicht einmal in die Augen sehen."
„Ach Gregori", sagte Lorlen schlicht und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich würde dir gern etwas sagen, damit du dich besser fühlst, aber mir fällt nichts ein. Ein „Nimm es nicht so schwer" klingt irgendwie verlogen."
Gregori stieß ein sarkastisches Lachen aus und nickte.
Ein grummelndes Geräusch erfüllte das Schweigen zwischen ihnen und dieses Mal klang Gregoris Lachen nicht mehr ganz so ironisch. „Ja, ich sterbe auch gleich vor Hunger."
„Wollen wir uns nicht irgendwo eine Wirtschaft suchen? Ich möchte nur ungern die Köchin von Lady Dulciten dazu nötigen, uns mitten am Nachmittag etwas zubereiten zu müssen."
Skeptisch hob Gregori eine Augenbraue und sah Lorlen abschätzend an. „Keine Chance, wir gehen ohne Umwege zurück. Ich bin zwar am Ende meiner Kräfte, aber auf den Kopf gefallen bin ich deswegen noch lange nicht."
Lorlen brummte etwas Unverständliches und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.
„Ich habe dir doch versprochen, dass ich meinen Mund halte", sagte Gregori eindringlich.
Der Blick, den Lorlen ihm zuwarf, war eisig und warnend. „Das will ich auch hoffen."
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück und bald kam die überwucherte Fassade ihres Ziels in Sicht. Gregori fragte sich – nicht zum ersten Mal an diesem Tag – was sich nun verändert hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Lady Dulciten hinter Hannas Fassade geblickt hatte, ebenso wie er einen Blick auf Lorlens Innenleben erhascht hatte. Er hatte es seinem Freund nicht gesagt, aber er hielt seine Bedenken für nichtig. Seine Eingebung sagte ihm, dass die Probleme aus der Welt geschafft wären, würden beide Parteien nur einmal offen miteinander reden.
Oh, sind wir jetzt Experte in Sachen Liebe?, fragte eine sarkastische Stimme in seinem Hinterkopf.
Bloß weil du es endlich geschafft hast aus deinem Schneckenhaus heraus zu kommen und dir deiner Gefühle einzugestehen, bist du noch lange kein Spezialist.
Gregori unterdrückte ein Seufzen und musste sich die Wahrheit dieser Worte eingestehen. Egal was er dachte, er würde das Versprechen gegenüber Lorlen einhalten.
Er hatte diesen Gedanken gerade zu Ende geführt, da kam ihnen Ilka Dulciten auf dem Hof bereits entgegen. Sie musste bereits von dem erfolglosen Ausgang ihrer Suche wissen, denn sie sah beide aufmunternd, wenn auch niedergeschlagen an.
„Willkommen", sagte sie und begleitete sie ins Hausinnere. „Sie müssen sehr erschöpft sein. Das Essen steht schon bereit."
Gregori bedankte sich und folgte der umsichtigen Gastgeberin. Es musste praktisch sein, die Ankunft der Gäste oder anderer Personen schon vorauszuahnen.
Sobald er und Lorlen das Speisezimmer betraten, änderte sich schlagartig die Atmosphäre. War es ihm eben noch vorgekommen, als wäre er wie ein verlorenes Familienmitglied empfangen worden, fühlte er sich nun wie an der Pforte zur Hölle. Hanna stand mit kerzengeradem Rücken am Fenster und blickte hinaus in den Garten. Sie sah nicht zu ihnen herüber, doch alle im Raum wussten, dass sie sie wohl bemerkt hatte.
Gregori erwartete fast, gegen eine gallertartige Masse zu stoßen, als er weiter in den Raum schritt. Die Luft fühlte sich dick und schwer an, geladen wie kurz vor einem heftigen Sommergewitter.
Wie ein unverhoffter Sonnenstrahl wirkten daher Lady Dulcitens freundliche Worte, als sie sagte: „Setzen Sie sich bitte, das Essen kommt gleich. Lady Filimet, möchten Sie auch etwas essen?"
„Nein, vielen Dank", antwortete die Hario und drehte sich endlich um. Ihr Lächeln wirkte fast echt, wäre da nicht der verkniffene Zug um ihre Augenwinkel herum gewesen.
„Es tut Lorlen leid, was auch immer er zu dir gesagt haben mag", platzte es aus Gregori heraus. Er ertrug dieses ewige Hin und Her nicht, das ihn stark an sich streitende Kinder im Sandkasten erinnerte. Geistesgegenwärtig trat er Lorlen ans Schienbein, als dieser den Mund öffnen wollte.
„Er ist zu stolz es dir selbst zu sagen und weil ich Angst um mein Leben habe, sollte ich versehentlich zwischen die Fronten geraten, tu ich es für ihn." Er sah Hanna bittend an.
Ihre dunkelblauen Augen huschten für den Bruchteil einer Sekunde zu Lorlen, ehe sie ihn wieder ansah. Schließlich nickte sie, setzte sich jedoch nicht an den Tisch.
„Ich ziehe mich zurück", sagte sie stattdessen und ging aus dem Zimmer. Ilka sah etwas verwirrt aus und folgte ihr.
„Elender Bastard", zischte Lorlen kaum hörbar und revanchierte sich für den Tritt gegen sein Bein.
„Mieser Feigling", konterte Gregori und nahm es hin, dass nun auch sein Schienbein schmerzte.
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Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...