20 ~ Von Herzen

53 4 0
                                    

Erste Sonnenstrahlen fielen durch einen Spalt im Vorhang, direkt auf Aris Gesicht. Das warme Licht lockte sie langsam aus dem traumlosen Schlaf, der sie die Nacht über in den Armen gehalten hatte.

Lächelnd streckte sie sich und blinzelte verschlafen. Jedoch verflog ihre gute Laune schlagartig, als ihr die Ereignisse des gestrigen Tages wieder in den Sinn kamen.

Dumme Gans, schalt sie sich und kroch nochmals tief unter die warme Decke.

„Ari, bist du wach?" Verwirrt vernahm Ari Gregoris Stimme, die leise in ihrem Kopf erklang. Nach und nach verdichtete sich seine Präsenz in ihren Gedanken und nahm Konturen an.

Sie brauchte einige Augenblicke, ehe sie mit einem nüchternen „Ja" antwortete.

Ari hörte ihn seufzen und stellte erstaunt seine Erleichterung fest. Was hatte das zu bedeuten?

„Ist etwas passiert?", fragte sie.

„Hm... nein."

„Was machst du dann in meinem Kopf?"

Schweigen erfüllte seinen Geist und Ari schloss die Augen. Gegen ihren Willen fühlte sie sich wohl, während er in ihren Gedanken ruhte.

„Ich wollte mich entschuldigen." Ruckartig setzte sich Ari in ihrem Bett auf und starrte auf den Mann, der auf einem Stuhl am Bettende saß. Ihr Herz konnte sich nicht entscheiden ob es wie verrückt schlagen oder doch lieber aussetzen sollte. Ari vergaß für einige Augenblicke zu atmen – sie konnte Gregori einfach nur anstarren.

Im Zwielicht wirkte er wie ein Gespenst.

„Bist du wahnsinnig geworden?", fuhr sie ihn an und krallte ihre Hände in die Bettdecke. Wut, Frustration und Unglauben rasten durch ihren Kopf und ihr war es egal, dass er diesen Gefühlssturm hautnah miterlebte. Dieser Mensch gab ihr unentwegt Rätsel auf und jedes Mal, wenn sie ihn sah kamen neue hinzu.

Als er nicht antwortete fragte sie irritiert: „Was machst du überhaupt hier? Wie lange sitzt du da schon?"

Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe darauf gewartet, dass du wach wirst. Und wie lange genau ich hier sitze, weiß ich nicht." Es vergingen einige Minuten, in denen keiner von ihnen ein Wort sagte.

Doch Ari fühlte, dass es in Gregoris Gedanken genauso rumorte wie in ihren eigenen. Tausend Dinge gingen ihr gleichzeitig durch den Kopf und doch tat sich ein Aspekt besonders hervor: Warum um Himmels Willen saß er dort und lag nicht in seinem Bett?

Sie glaubte ihm nicht, dass er nur hier war um sich bei ihr zu entschuldigen. Das hätte er auch gestern tun können oder beim Frühstück. Ari spürte das Stechen von Schuldgefühlen in seinem Geist und ahnte, dass das der wahre Grund für seine Anwesenheit war.

Er sieht so einsam aus, dachte sie und diese Tatsache machte sie traurig. Alle Vorsicht und Warnungen über Bord werfend schlug sie ihre Decke zurück und sah ihn abwartend an.

„Entweder du kommst zu mir oder du gehst, denn sonst friere ich mich zu Tode."

Es erschien ihr wie in Zeitlupe, als Gregori langsam aufstand. In dem dunklen Hemd und der gleichfarbigen weiten Hose wirkte sein blasses Gesicht seltsam fremd. Ari schluckte an dem Kloß in ihrem Hals vorbei, als sich die Matratze neben ihr unter seinem Gewicht absenkte.

Sie legte sich zurück auf den Rücken und versuchte ruhig zu atmen. Eine halbe Armlänge trennte ihre Körper voneinander. Aris Herz hämmerte wie verrückt gegen ihre Rippen, als sie seinen direkten Blick erwiderte. Weil sie sich auf der körperlichen Ebene nicht traute, berührte sie ihn wieder mit ihrem Geist.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt