66 ~ Einsamkeit

25 2 0
                                    

Ari fühlte heiße Tränen auf ihren Wangen, als sie aufwachte. Schmerz und Verlust brachen über ihr zusammen und sie fühlte sich sehr, sehr einsam. Es hatte unheimlich gut getan, Gregori zu sehen. Doch ihn wieder gehen zu lassen war eine schwere Prüfung gewesen. Sie hatte das Gefühl gehabt, er hätte ihr noch etwas Wichtiges sagen wollen, ehe sie aus dem Schlaf gerissen worden war. Er hatte sie mit einem solch eindringlichen und feierlichen Gesichtsausdruck angesehen, dass ihr für einen Moment der Atem gestockt war.

Aber noch ehe das erste Wort aus seinem Mund geschlüpft war, hatte sich der Traum in Luft aufgelöst.

Was hat mich eigentlich geweckt?, dachte sie benommen und setzte sich langsam auf. Ein Blick zur Tür bescherte ihr die Antwort: Dort standen ein Krug und eine Holzschale mit einem Kanten Brot darin. Die Tür war schon wieder verschlossen, sie hatte ihren Kerkermeister nicht gesehen.

Dem Licht nach zu urteilen, das durch den winzigen Spalt in der Decke drang, ging die Sonne gerade auf.

Ich muss essen, es bleibt mir gar nichts anderes übrig, mahnte sich Ari und sie erhob sich mit steifen Gliedern. Das Schlimmste an ihrer Gefangenschaft war nicht die Umgebung, nicht die Ketten und auch nicht die karge Verpflegung, sondern das Warten. Die Ungewissheit fraß Ari innerlich auf und ließ sie nervös und unruhig werden.

Wollten diese Männer sie hier drin verrückt werden lassen? Wurden Gefangene nicht für Lösegelderpressungen verwendet oder um aus ihnen Informationen heraus zu kriegen?

„Ich werde noch wahnsinnig", murmelte Ari vor sich hin und biss von dem Brot ab. Es war erstaunlich frisch, Ari hätte eher mit einem vertrockneten oder gar schimmligen Mahl gerechnet. Selbst das abgestandene Wasser speckte für sie köstlicher als alles, was sie bisher getrunken hatte.

Als sie fertig gegessen hatte, setzte sie sich wieder der Tür gegenüber auf den Boden und wartete. Wartete, dass etwas geschah, egal was. Vielleicht auf Gregori, der sie befreite oder einfach auf jemandem, der mit ihr sprach. Stunde um Stunde verging und sie schraubte ihre Ansprüche immer weiter herunter. Sie verspürte abwechselnd den Drang hysterisch zu lachen oder bis zur Erschöpfung zu weinen.

„Bitte", sagte sie schließlich matt und überließ es ihrem Schicksal, sich etwas für sie auszudenken.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt