46 ~ Kummer und Frust

32 1 0
                                    

Mit einer Mischung aus Faszination und Resignation beobachtete Gregori das Schauspiel, das sich ihm bot. Nur wenigen Minuten zuvor hatten er und Lorlen schweigend in der Bibliothek gesessen, doch nun war die Stille in weite Ferne gerückt. Alles hatte damit angefangen, dass Hanna eine simple Frage an Lorlen gestellt hatte – scheinbar fehlten Gregori wichtige Hintergrundinformationen, denn er konnte dem Verlauf des Gesprächs kaum folgen.

Besser des Geschreis, dachte er und atmete tief durch.

„Könnte mir wohl jemand erklären, warum ihr schon wieder das Kriegsbeil ausgegraben habt?", blaffte er und sah zwischen beiden hin und her. Hanna und Lorlen standen sich gegenüber, beide mit wütendem Gesicht und blinzelten verwirrt, als hätten sie seine Anwesenheit vollkommen vergessen. Die Hario fing sich als erste wieder und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

„Lorlen versucht mich wieder in seinem Haus einzusperren."

„Überhaupt nicht!", brauste er auf und kniff die Augen zusammen. „Ich sehe es nur nicht ein, dass ich den Dienstboten für dich spielen soll."

„Erklärung?", fragte Gregori wieder nach und bemühte sich, nicht zu lachen. Tatsächlich überraschte ihn das mehr, als dass Lorlen und Hanna sich wieder stritten. Bei seinen ganzen Sorgen um Ari war er der Meinung gewesen, nicht mehr lachen zu können.

Lorlens missmutiges Schnauben ließ ihn sich wieder auf die beiden Menschen vor sich konzentrieren. „Hanna will zu Aaron Malveo gehen, dem Hario der Stadt."

Verwirrt runzelte Gregori die Stirn. „Und was ist daran auszusetzen?"

„Pff... Immer soll ich sie vorher bei ihm anmelden. Das Fräulein könnte seinen großen Meister schließlich bei der Arbeit stören." Wieder sah Lorlen Hanna wütend an. „In mein Arbeitszimmer platzt sie jedoch ständig rein – ohne anzuklopfen."

Hanna sah aus, als wolle sie Lorlen mit einem schweren Gegenstand sehr wehtun. „Er ist nicht mein Meister. Außerdem, wen sollte ich denn sonst fragen? Gregori kann..."

Erschrocken, als wäre sie sich erst jetzt der Worte bewusst, die aus ihrem Mund schlüpfen wollten, klappte sie selbigen hörbar zu. Entschuldigend glitt ihr Blick zu Gregori.

Dieser machte eine wegwerfende Handbewegung. „Schon in Ordnung, du hast Recht."

„Ich werde ihn kontaktieren und ich werde dich begleiten", verkündete Lorlen in die Stille hinein. Sein Tonfall ließ nicht erahnen, dass er in diesem Punkt mit sich reden ließ.

Hanna versuchte es trotzdem. „Ich bin schon ein großes Mädchen und kann auf mich selbst aufpassen", zischte sie empört.

„Ich werde dich trotzdem begleiten."

„Du hast etwas gegen Aaron, du willst es nur nicht zugeben", murrte sie und sah Lorlen misstrauisch an.

Dieser zuckte nichts sagend mit den Schultern. „Es ist nicht schicklich, wenn eine junge Frau ohne Begleitung zu einem alleinstehenden Manna geht."

„Und was bist dann du?", konterte Gregori und griff damit Hanna unter die Arme.

So sehr ihm sein Kollege in den letzten Tagen ans Herz gewachsen war, so konnte er dennoch seine übertriebene Reaktion nicht verstehen. Hanna Filimet war wirklich in der Lage, auf sich selbst Acht zu geben. Außerdem wollte sie nicht ans Ende der Welt, sondern nur ein paar Straßen weiter. Nicht zum ersten Mal keimte in Gregori ein Verdacht, den er Lorlen später eröffnen würde – unter vier Augen.

„Sei still Gregori Sileri. Ich erinnere dich nur zu gern daran, dass du mit einer ledigen Frau das Bett geteilt hast."

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", kommentierte Gregori diese Tatsache, die der Conex ausgesprochen hatte.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt