Die Schicksalsgötter ignorierten Gregoris Bitte, wandelten seinen Traum sogar ab.
Er lag in seinem Zimmer und war sich sofort bewusst, dass sie da war. Stumm stand sie an seinem Bett und ihm Schein des Kaminfeuers war ihre eine Körperhälfte erhellt, während die andere von Schatten verschlungen wurde. Sie sah zu ihm hinunter und wirkte müde. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen, als sie die Decken anhob und sich vorsichtig hinlegte.
Ich verliere den Verstand, dachte er benebelt und drehte sich auf die Seite um sie anzusehen. Ihre Augen waren nicht nachtblau, sondern blassblau. Sie wirkten im Zwielicht so hell, als wären sie blind.
„Darf ich ein bisschen bei dir bleiben?", fragte sie mit melodischer Stimme und sah ihn bittend an. Wieder erinnerte sich Gregori an den Kuss und ihm wurde unerträglich heiß. Er zwang sich jedoch sie anzusehen und merkte, dass er ihr den Wunsch nicht abschlagen konnte.
„Ja", antwortete er.
Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Verblüfft zuckte er zusammen, als sie näher zu ihm rückte und ihr Gesicht an seinen Hals schmiegte. Ihre Locken streiften seine Haut und er nahm den schwachen Duft von Lavendel wahr, der von ihr ausging.
Eine bleierne Müdigkeit übermannte ihn und zog ihn zurück in die Dunkelheit. Erleichtert atmete er durch, denn er wollte diesen seltsamen Traum nicht weiterverfolgen. So war er dankbar für den nun traumlosen Schlaf, der ihn warum und dunkel einhüllte.
~
Er fühlte sich wunderbar, wie neu geboren. Die Raumtemperatur war über Nacht gefallen, doch unter den vielen Schichten Bettzeug war es angenehm warm. Er atmete tief, streckte sich und – erstarrte mitten in der Bewegung. Quer über seiner Brust lag etwas und es fühlte sich erschreckend eindeutig wie ein Arm an.
Oh mein Gott, hallte es durch seinen leergefegten Kopf und er blickte neben sich.
Blutrote Locken lagen ausgebreitet auf dem weißen Kissen und ergaben einen herrlichen Kontrast. Das entspannte Gesicht der Frau ruhte neben seiner Schulter, die Augen geschlossen und dunklen Wimpern auf der cremeweißen Haut. Gregoris Herz setzte einen Augenblick aus, ehe es wie verrückt anfing gegen seinen Brustkorb zu hämmern.
Als hätte sie gespürt, dass er sie beobachtete, schlug sie die Augen auf und sah ihn unverwandt an. Ihm stockte der Atem, als sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen.
„Hallo Gregori."
Wäre er ein Mann mit schwachen Nerven gewesen, wäre er in Ohnmacht gefallen. Stattdessen bemüht er sich krampfhaft Luft in seine Lungen zu ziehen. Ein seltsames Schwindelgefühl ergriff ihn, als er sich langsam aufsetzte. Sie beobachtete ihn weiter aus ungewöhnlich graublauen Augen.
„Hallo Ari", brachte er schließlich heraus und versuchte nicht zu starren. In seinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander, er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Aris Lächeln wurde breiter und das Muttermal an ihrem Augenwinkel verschwand unter den kleinen Lachfältchen. Langsam verflocht sie ihre Finger mit seinen, schloss die Augen und schlief wieder ein.
~
„Myrtha!"
Gregoris Ruf hallte über den Flur, als er zum Zimmer seiner Großmutter lief. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und ihm war schwindlig. Er hatte es sich sicher nur eingebildet. Sein überanstrengter Geist hatte ihm eine Halluzination vorgespielt, das musste es sein.
Ohne Rücksicht auf Höflichkeiten zu verschwenden riss er die Tür auf und stürmte ins Zimmer. Er öffnete die Vorhänge und sah in die großen Augen seiner Großmutter. Ihre schiefergrauen Haare standen ihr vom Kopf ab und man konnte ihr ansehen, dass er sie brutal aus dem Schlaf gerissen hatte.
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Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...