Ari fühlte sich wie ein ekelhaftes Insekt. So jedenfalls wurde sie von Morpheus Adveralsa angestarrt. Gehüllt in ein dickes Wollkleid stand sie in dem warmen Raum und fröstelte trotzdem. Nicht länger von dem Sturm draußen oder ihrer Anstrengung, sondern viel mehr wegen der unheimlichen Aura, die diesen Mann umgab. Langsam verstand sie, warum Gregori ihn nicht mochte und auch nicht zu ihm gehen wollte.
„Sie sind Ari Dulciten, nicht wahr?"
„Ja", antwortete sie knapp und lehnte sich schutzsuchend an Gregori, der hinter ihr stand. Zart berührte er die Ränder ihres Bewusstseins und versicherte ihr seine Anwesenheit.
„Und sie sind eine Träumerin", fügte Morpheus hinzu und kniff die Augen zusammen. Er trat näher zu Ari und sah sie noch durchdringender an. Am liebsten hätte Ari sich hinter Gregori versteckt. Lorlen und Hanna, die im Raum saßen, verfolgten alles schweigend.
Knapp vor Ari blieb der Emendi stehen. „Ich bin aufgewacht, also stimmt die Bezeichnung nicht länger."
„Interessant", murmelte Morpheus. „Wie haben Sie das geschafft?"
Ari schluckte trocken. „Ich weiß es nicht."
Überrascht zog der Emendi beide Brauen hoch. „Wie – Sie wissen es nicht?"
„Nein", bestätigte Ari und fühlte sich immer unwohler.
„Nun... Seit wann sind Sie wach?"
„Einige Tage, vielleicht eine Woche." Nachdenklich rieb sich Morpheus über das Kinn und wandte schließlich den Blick zu Gregori.
„Und Sie, Sir Sileri, haben Sie vielleicht etwas getan das die Lady aufweckte?"
Ungerührt erwiderte Gregori den Blick der hellgrünen Augen. „Nein, nicht das ich wüsste."
Diese Halbwahrheit schlüpfte ohne Probleme aus Gregoris Kehle. Natürlich wusste er nicht genau, warum Ari aufgewacht war. Doch er hatte eine Theorie, die ihre gemeinsamen Träume betraf. Er hatte ihr Bewusstsein auf irgendeine Weise erreicht und sie damit in die wache Welt gelockt.
Es war der Kuss, dachte er still.
Morpheus sah ihn forschend an, doch er erkannte Gregoris Lüge nicht. Bohrend richtete er seinen Blick wieder auf Ari. „Lady Dulciten, ich würde mich freuen Sie bald in meinem Haus begrüßen zu dürfen. Sicher werden viele Emendi an dem Geheimnis interessiert sein, das sie aus ihrem ewigen Schlaf geweckt hat."
Ari schwieg einige Sekunden, ehe sie antwortete: „Natürlich, schließlich will ich den anderen Träumern dasselbe ermöglichen."
Das Gesicht des Emendi verzog sich zu einem kühlen Lächeln. „Gewiss."
An den Hausherren gewandt sagte er: „Ich würde nun gern nach Hause gehen. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft Sir Gratiam."
„Mein Butler wird Sie begleiten", sagte Lorlen und erhob sich.
„Zu freundlich." Gemeinsam gingen sie aus dem Raum in den Eingangsbereich des Hauses. Dort wartete bereits Simon, dick eingepackt und mit einer Laterne in der Hand.
„Nun, wir sehen uns", sagte Morpheus Adveralsa und streifte seinen Mantel über.
Ari nickte lediglich. Eisiger Wind und Schneeflocken drangen in das Haus ein als Simon die Tür öffnete. Der Emendi war schon halb hinausgetreten, ehe er sich nochmals umdrehte und Ari eindringlich ansah.
„Oh, beinah hätte ich es vergessen." Seine dünnen Lippen lächelten. „Vielen Dank für meine Rettung, Lady Dulciten." Dann fiel die Tür ins Schloss und es herrschte drückende Stille im Haus.
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Till I Wake Up
FantasíaEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...