37 ~ Der Abschied

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„Gregori, was meinst du wird jetzt passieren?", fragte Ari und sah ihn wachsam an. An ihnen zog die verschneite Landschaft vorbei, die vor den Toren von Drijra lag. Aris Wangen waren von dem eiskalten Fahrtwind leicht gerötet, doch Gregori konnte trotzdem sehen, dass sie blass war. Sie versuchte es zwar vor ihm zu verstecken, aber er spürte ihre Unsicherheit trotzdem. Ihm ging es nicht anders.

Er seufzte laut und antwortete: „Ich weiß es nicht genau."

Gern hätte er ihr eine andere Antwort gegeben. Hätte ihr gesagt, dass alles gut werden würde und dass sie wegen des Aufenthalts in der anderen Welt keine Angst zu haben brauchte. Dass sie sich wegen nichts Gedanken machen müsste. Er wollte sie lächeln sehen und nicht mit diesem zweifelnden Gesichtsausdruck.

Aber Gregori wollte sie nicht anlügen. Ganz abgesehen davon, dass das sehr schwer war, wenn sie in seinem Kopf umherwanderte.

„Warst du schon einmal drüben?"

„Ja, aber das ist schon lange her. Es war auch nur kurze Zeit. Warren hatte gemeint, dass jeder anständige Magiebegabte wenigstens einmal die Welt der Emendi besuchen sollte", antwortete Gregori. Er wollte sie dasselbe fragen, doch sie nahm ihm die Antwort vorweg.

„Ich erinnere mich nur vage. Schließlich waren alle in meiner Umgebung bemüht gewesen, mich so schnell wie möglich über die Grenze zu bringen."

Verbitterung hatte Aris Stimme hart gemacht und schnürte Gregori das Herz ab. Es ging ihm gegen den Strich, dass Ari eine derartige Kälte an den Tag legte. Sie hatte auf ihn stets so gewirkt, als würde sie behütet von den Grausamkeiten der Welt schlafen. Sie war sein Anker gewesen, wenn er wieder einmal schreckliche Dinge gesehen und miterlebt hatte.

„Du warst für dich und deine Umwelt eine Gefahr. Deine Magie ist zu stark."

Ari atmete tief ein und aus, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Dann stellte sie unvermittelt die Frage, vor deren Antwort sich Gregori mehr fürchtete als vor allen anderen Dingen.

„Werden sie mich wieder zurückkommen lassen?"

„Du bist frei, keiner kann dich zu etwas zwingen."

Außer vielleicht der Rat, ergänzte er in dem Teil seiner Gedanken, den sie nicht abhören konnte.

Der Rat der Emendi war ein mächtiger Zirkel, der aus den stärksten Emendi bestand – abgesehen von den Träumern. Sie beeinflussten ihre Welt mit Magie und ihrer Macht und sorgten so für Ordnung. Wenn sie eine Weisung gaben, musste die Bevölkerung sich fügen. Die Möglichkeit bestand, dass... Gregori verbannte diesen Gedanken mit aller Macht aus seinem Kopf.

„Darf ich wieder hierherkommen, wenn sie mich gehen lassen?" Gregori wurde warm ums Herz. Behutsam fasste er ihr Kinn und hob ihren Kopf, damit er in ihre Augen sehen konnte. Das blasse Blau ihrer Iris wirkte wie der Himmel kurz vor Sonnenaufgang, das kleine Muttermal an ihrem Augenwinkel hob sich sehr dunkel von ihrer hellen Haut ab.

„Natürlich. Ich werde auf dich warten", raunte er und seine Stimme war heiser.

Ehe Ari die Gelegenheit zu einer Antwort hatte, stoppte der Schlitten abrupt. Während ihres Gesprächs war Gregori nicht aufgefallen, dass sie bereits an dem Bootssteg angekommen waren. Nicht weit von ihnen stand ein weiterer Schlitten, der die drei Emendi gebracht hatte, die nun wartend am Ufer standen. Unwillkürlich versteifte sich Gregori und musste gegen den Impuls ankämpfen, den Kutscher anzuschreien sofort kehrt zu machen.

Beruhig dich, du willst nur Ari nicht verlieren. Das ist alles, redete er sich in Gedanken gut zu und schob seine Zweifel beiseite.

Es war wichtig, dass Ari mit ihnen hinüber ging. Vielleicht fand der Wissenschaftler Eriel wirklich etwas in ihr, das alle Träumer aus ihrem Schlaf holen konnte.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt