56 ~ Déjà-vu

29 2 0
                                    

Gregori meinte, ein sehr starkes und ausgeprägtes Déjà-vu zu erleben. Im einen Moment hatte er noch geschlafen, im anderen meinte er eine Explosion direkt in seinem Kopf zu verspüren. Diese Detonation bestand jedoch nicht aus Sprengstoff, sondern war ein Schrei. Die Silben klangen so panisch, verzerrt und dringlich, dass Gregori in den ersten Augenblicken weder die Bedeutung noch den Sprecher identifizieren konnte.

Die Erkenntnis traf ihn Augenblicke später mit voller Wucht und ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.

„Ari!", keuchte er erstickt und saß kerzengerade in seinem Bett. Es war ganz eindeutig die erwachte Träumerin gewesen, die seinen Namen geschrien hatte. Ihre melodische Stimme hatte angstverzerrt geklungen, gar nicht mehr wie ihre eigene.

Gregori war kaum zu Atem gekommen, als seine Tür aufgestoßen wurde und Hanna im Türrahmen stand. Sie hatte eine Öllampe in der Hand und wirkte mit ihrem weißen Nachthemd und dem fahlen Gesicht wie ein Gespenst.

„Gregori", sagte sie schlicht und atmete hörbar aus. Während sie näher an sein Bett trat erkannte er, dass ihre Pupillen unnatürlich groß waren. Ihre Hände zitterten, als sie vor ihm stehen blieb.

„Hast du es auch gehört?", fragte Gregori unschlüssig.

Vielleicht ist es nur ein Traum gewesen, dachte er nun. Doch Hanna nickte heftig und zerstörte die Illusion.

Sie rieb sich über die Stirn, als hätte sie Schmerzen. „Es war schrecklich laut." Kraftlos ließ sie sich auf die Bettkante sinken.

Ehe Gregori etwas darauf erwidern konnte, betrat die nächste Person das Zimmer. Dieses Mal war es Lorlen, der ohne zu Klopfen über die Schwelle trat. Sein Haar stand ihm wirr vom Kopf ab und sein Pyjamahemd war nur halb zugeknöpft. Wäre Gregori nicht so verstört gewesen, hätte er wohl gelacht. Lorlen war ansonsten überhaupt nicht der Mensch, der mit unordentlicher Kleidung herumlief.

Zuerst sah er ihn mit einem gehetzten Ausdruck an, ehe sein Blick zu Hanna abschweifte. Verwirrt musterte er sie und zog die Brauen zusammen, blieb jedoch stumm. Gregori konnte sich denken, was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Hanna hingegen hatte von seinem Mienenspiel nichts bemerkt. Sie saß noch immer auf der Matratze, die Öllampe in den schlanken Händen. Lorlen trat zu ihnen und sein Gesicht war todernst.

„Ich darf raten, ihr habt auch Aris Stimme gehört?"

„Ja", sagte Gregori und Hanna nickte.

„Wir können uns wahrscheinlich alle denken, was das zu bedeuten hat."

Gregori presste seine Kiefer aufeinander. „Irgendetwas Schreckliches ist passiert. Sie hat so panisch geklungen..."

Verlegen räusperte sich Hanna. „Ich hatte gestern Mittag eine Vision."

„Bitte?", entfuhr es Lorlen und er starrte sie verwirrt an.

Die Hario hielt den Blick gesenkt und sagte bedrückt: „Es war lediglich eine kurze Sequenz und ich habe nicht viel erkennen können. Mir passiert so etwas manchmal und ich habe dem gestern keine große Bedeutung beigemessen."

„Schon in Ordnung Hanna. Was hast du gesehen?", ermutigte Gregori sie. Er ahnte schon, was folgen würde.

„Nun... Ich habe mich in einem dunklen Zimmer befunden, das randvoll mit Magie gewesen war. Die Atmosphäre war voller Spannung und Gefahr hatte in der Luft gelegen. Ich habe undeutlich eine Gestalt erkannt. Im Nachhinein... Ja, das hätte Ari gewesen sein können."

„Warum hast du nichts gesagt?", brauste Lorlen auf und starrte sie entgeistert an.

Endlich hob Hanna den Blick und Trotz sprach daraus, wie sie die Augen zusammenkniff. „Tut mir leid, dass ich dich nicht über jede meiner Visionen augenblicklich informiere."

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt