44 ~ Neblige Zukunft

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Unruhig tigerte Hanna in ihrem Zimmer hin und her. Sie fühlte sich schwach und ausgelaugt, war jedoch zu unruhig um sich hinzulegen und sich auszuruhen. Worte, die erst vor wenigen Minuten gesprochen worden waren, ließen ihr keine Ruhe. Wie ein aufgeregter Bienenschwarm kreisten sie in ihrem Kopf, machten sie nervös und unruhig.

Es ist mir egal, ob deine Schulter vernarbt ist. Es wäre mir sogar egal, wenn der Rest von dir genauso aussehen würde.

Hanna seufzte lautstark und schlug sich die Hände vors Gesicht. Was dachte sie darüber eigentlich so viel nach? Es waren doch nur Worte, unbedacht aneinander gereihte Buchstaben ohne jeglichen tieferen Sinn. Es sollte sie nicht so sehr beschäftigen.

Aber das tut es, dachte sie gequält und ging zum Fenster. Es hatte angefangen zu schneien und die kleinen weißen Flöckchen wurden vom kalten Wind hin und her geblasen. Wie ein Ballett tanzte der Schnee, lenkte sie aber nicht genug ab.

Sie konnte immer noch seine Hand auf ihrer Schulter fühlen, die Wärme seiner Haut auf ihrem vernarbten Gewebe und der Blick, mit dem er sie angesehen hatte.

Hör auf Dinge hineinzuinterpretieren, die nicht da waren und auch nie da sein werden.

Aber die strengen Worte in ihren Gedanken hatten leider keinerlei Wirkung und Hanna dachte weiter darüber nach.

„Ich sollte mir lieber Gedanken um Ari machen", murmelte sie leise vor sich hin. Es war wirklich seltsam, dass sie nichts gesehen hatte. Im Prinzip machte es keinen Unterschied, wo sich die Person aufhielt. Ebenso war es egal, ob es sich bei der Person um einen Menschen oder einen Emendi handelte. Selbst von Tieren hatte Hanna schon Visionen gehabt. Es war eigenartig und beunruhigend.

Die einzige Erklärung, die ihr im Moment einfiel, war eine der Lektionen ihrer Lehrmeisterin. Sie hatte die alte Frau schon seit Jahren nicht mehr gesehen, aber ihre Anleitungen begleiteten sie noch heute.

„Du kannst die Zukunft nur sehen, wenn sie bereits feststeht. Ist sie ungewiss oder stehen zu viele Möglichkeiten offen, kannst du nichts sehen."

Hanna wusste nicht, ob sie das beruhigte oder nicht. Es wäre einfacher auf eine Tatsache zu reagieren – sei sie nun schlecht oder gut – als blind in eine ungewisse Situation hineinzustolpern. Sie hasste es, wenn sie nicht wusste was auf sie zukam. Und auch die Schuldgefühle Gregori gegenüber ließen ihr keine Ruhe. Sie sah, wie mitgenommen er war und sie wollte ihm helfen.

Plötzlich kam ihr eine Idee.

„Aaron kann mir sicher helfen", rief sie und steuerte zur Tür. Der Mann Mitte dreißig war der Hario in dieser Stadt und sie hatten sich schon oft getroffen, um über geschäftliches zu sprechen. Er war ein netter Mann und Hanna wusste, dass sie mit diesem Problem bei ihm ein offenes Ohr finden würde. Sie würde Lorlen bitten müssen, ihren Besuch bei Aaron anzumelden.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt