19 ~ Schmerzhafte Kälte

51 4 0
                                    

Myrtha trank geduldig ihren Tee, während sie ihren Enkel keine Sekunde aus den Augen ließ.

Es war an sich ein Wunder, dass sie überhaupt hier saß. Myrtha wusste nicht genau wie, doch im Prinzip war ihr die Herangehensweise auch vollkommen egal. Ari hatte es unter größter Anstrengung geschafft ihr Leben zu retten. Ansonsten wäre sie dort draußen auf der Straße wie ein abgestochenes Schwein verblutet.

Doch sie war von dieser Tatsache nicht so weit eingenommen, als dass sie nichts mehr um sich bemerkte. Und so wie Gregori ins Zimmer gekommen war, war sicher etwas passiert. Myrtha hatte das ungute Gefühl, das ihr Enkel etwas angestellt hatte. Wie jede Großmutter wusste sie, wann ein Kind etwas ausgefressen hatte.

„Gregori", sagte sie leise und ließ die Tasse sinken. Ihr verletztes – oder geheiltes? – Bein lag auf einem kleinen Schemel. Die Wunde pochte wie verrückt, doch es war besser als die Alternative.

„Was Großmutter? Brauchst du noch etwas?"

Myrtha war keine fünf Minuten aus Aris Zimmer verschwunden, als Gregori an ihrer Tür geklopft hatte. Etwas blass um die Nase hatte er gefragt, ob er ihr etwas bringen könnte.

Nachdem sie ihn um eine Tasse Tee gebeten hatte, war sie vom Bett aufgestanden und war zu dem kleinen Sofa am Fenster gehumpelt. Dort saß sie nun und beobachtete ihn, wie er angestrengt aus dem Fenster blickte.

„Nein, ich brauche nichts. Oder doch..."

„Was denn?"

„Eine Erklärung." Sie sah, wie sein Adamsapfel hüpfte als er schluckte.

„Für was denn Myrtha?"

„Dafür vielleicht, warum du aussiehst wie durchgekaut und ausgespuckt." Noch ehe er etwas erwidern konnte, fügte sie mit ernster Stimme hinzu: „Ich sehe dir an, dass du etwas angestellt hast. Und wenn mich nicht alles täuscht hat es etwas mit Ari zu tun."

„Großmutter", bat Gregori und sah sie flehentlich an.

Aber Myrtha ignorierte seine stumme Bitte. Sie kannte ihren Enkel nur zu gut. „Junge, du bist manchmal dumm wie ein Esel und zweimal so stur." Sie stellte ihren Tee auf das kleine Tischchen neben sich. „Du bist so versessen darauf dich in deinem Schneckenhaus zu verstecken das du gar nicht merkst, wie du anderen wehtust."

Myrtha winkte ab, als er sie fragend anstarrte. „Nicht mir, du Narr. Ich hatte Zeit genug mich an deine Macken zu gewöhnen." Sie streckte den Arm aus und deutete auf die Wand, die ihr Zimmer von Aris trennte. „Ich mag zwar alt sein, doch meine Augen funktionieren noch hervorragend. Und ich sehe sehr deutlich, dass dem Mädchen etwas an dir liegt."

„Sei still Großmutter", warnte Gregori und sah sie finster an.

„Ich denke nicht einmal daran mir von dir den Mund verbieten zu lassen." Myrtha kniff die Augen zusammen und faltete ihre Hände im Schoß. „Durch deine Verbohrtheit wirst du sie verletzen." Gregori sagte nichts, sondern verschränkte nur die Arme vor der Brust.

Myrtha seufzte resigniert. „Gregori, kennst du das Sprichwort 'Wer nicht wagt, der nicht gewinnt'?"

„Natürlich", brummte er missmutig und sah wieder aus dem Fenster.

„Aber ist dir auch einmal in den Sinn gekommen, dass man schon verloren hat, wenn man gar nicht bereit ist etwas zu wagen?" Ihr Mund verzog sich zu einem gutmütigen Lächeln. „Sein kein Egoist Junge. Lass ihr auch einen Teil der Entscheidung."

~

Unschlüssig blieb Gregori vor Aris Zimmertür stehen. Er fühlte Warrens und Lorlens Präsenz wie ein Damoklesschwert über sich, wie sie ungeduldig im Hintergrund auf ihn warteten. Es war bereits Abend und die beiden Männer hatten sich wegen der Verbindung in die andere Welt bei ihm gemeldet.

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt